Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.der Identität des homerischen Epos gehört auch das heroische Princip, Die lyrische Poesie begann mit Kallinos und Archelaos nach schon Fast alle lyrischen Gesänge der Alten, von deren Existenz wir ent- Auch in der Besonderheit der lyrischen Dichtkunst also sind die Die ersten lyrischen Rhythmen waren, wie bemerkt, diejenigen, in 1 S. Friedr. Schlegel, Geschichte der Poesie der Griechen und Römer, S. 218.
der Identität des homeriſchen Epos gehört auch das heroiſche Princip, Die lyriſche Poeſie begann mit Kallinos und Archelaos nach ſchon Faſt alle lyriſchen Geſänge der Alten, von deren Exiſtenz wir ent- Auch in der Beſonderheit der lyriſchen Dichtkunſt alſo ſind die Die erſten lyriſchen Rhythmen waren, wie bemerkt, diejenigen, in 1 S. Friedr. Schlegel, Geſchichte der Poeſie der Griechen und Römer, S. 218.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0318" n="642"/> der Identität des homeriſchen Epos gehört auch das heroiſche Princip,<lb/> das Princip des Königthums und der Herrſchaft.</p><lb/> <p>Die lyriſche Poeſie begann mit Kallinos und Archelaos nach ſchon<lb/> gänzlich vollendeter Ausbildung des Epos; und in Vergleichung mit dem<lb/> Epos iſt daher die lyriſche Kunſt bis zu ihrer letzten Vollendung im<lb/> Pindaros ganz republikaniſche Poeſie <note place="foot" n="1">S. Friedr. Schlegel, Geſchichte der Poeſie der Griechen und Römer, S. 218.</note>.</p><lb/> <p>Faſt alle lyriſchen Geſänge der Alten, von deren Exiſtenz wir ent-<lb/> weder nur durch hiſtoriſche Ueberlieferung wiſſen, oder die uns in<lb/> Bruchſtücken, oder ſelbſt ganz übrig geblieben ſind, beziehen ſich auf das<lb/> öffentliche und allgemeine Leben, und die ſelbſt mehr aufs Einzelne ſich<lb/> beziehenden lyriſchen Gedichte der Alten drücken Geſelligkeit aus, wie<lb/> ſie nur in einem freien und großen Staate ſeyn und werden konnte.<lb/> Alles deutet darauf, daß die im Epos noch geſchloſſene Knoſpe gebro-<lb/> chen iſt und die freiere Bildung des Lebens ſich entfaltet.</p><lb/> <p>Auch in der Beſonderheit der lyriſchen Dichtkunſt alſo ſind die<lb/> Griechen objektiv, real, expanſiv.</p><lb/> <p>Die erſten lyriſchen Rhythmen waren, wie bemerkt, diejenigen, in<lb/> welchen die Geſetze freier Staaten geſungen wurden; noch bei Solon.<lb/> Die Kriegslieder des Tyrtaios „ſpornte“ eine ganz objektive Leidenſchaft.<lb/> Alkaios war das Haupt der Verſchworenen gegen die Tyrannen, nicht<lb/> nur mit dem Schwert, ſondern auch mit Geſängen ſie bekämpfend.<lb/> Von mehreren lyriſchen Dichtern dieſer Zeit wird erzählt, daß ſie auf<lb/> Rath der Götter herbeigerufen worden, bürgerliche Uneinigkeiten beizu-<lb/> legen. Andere waren geehrt an Höfen der Herrſcher und Tyrannen<lb/> der damaligen Zeit. Arion z. B. von Periander. Die Zeit der Un-<lb/> ſchuld war auch dadurch vorbei, daß die Sänger nicht mehr genügſam<lb/> waren wie die homeriſchen; daß ſie Lohn, Gewinn, Anſehen für das<lb/> Talent forderten. Pindaros, deſſen Leyer bei den öffentlichen Wett-<lb/> ſpielen ertönte, war auch in dieſer — objektiven — Beziehung der<lb/> griechiſchen Lyrik die Blüthe. Er anticipirte in ſich die Bildung des<lb/> Perikleiſchen Zeitalters; der rohere Republikanismus iſt ſchon zur<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [642/0318]
der Identität des homeriſchen Epos gehört auch das heroiſche Princip,
das Princip des Königthums und der Herrſchaft.
Die lyriſche Poeſie begann mit Kallinos und Archelaos nach ſchon
gänzlich vollendeter Ausbildung des Epos; und in Vergleichung mit dem
Epos iſt daher die lyriſche Kunſt bis zu ihrer letzten Vollendung im
Pindaros ganz republikaniſche Poeſie 1.
Faſt alle lyriſchen Geſänge der Alten, von deren Exiſtenz wir ent-
weder nur durch hiſtoriſche Ueberlieferung wiſſen, oder die uns in
Bruchſtücken, oder ſelbſt ganz übrig geblieben ſind, beziehen ſich auf das
öffentliche und allgemeine Leben, und die ſelbſt mehr aufs Einzelne ſich
beziehenden lyriſchen Gedichte der Alten drücken Geſelligkeit aus, wie
ſie nur in einem freien und großen Staate ſeyn und werden konnte.
Alles deutet darauf, daß die im Epos noch geſchloſſene Knoſpe gebro-
chen iſt und die freiere Bildung des Lebens ſich entfaltet.
Auch in der Beſonderheit der lyriſchen Dichtkunſt alſo ſind die
Griechen objektiv, real, expanſiv.
Die erſten lyriſchen Rhythmen waren, wie bemerkt, diejenigen, in
welchen die Geſetze freier Staaten geſungen wurden; noch bei Solon.
Die Kriegslieder des Tyrtaios „ſpornte“ eine ganz objektive Leidenſchaft.
Alkaios war das Haupt der Verſchworenen gegen die Tyrannen, nicht
nur mit dem Schwert, ſondern auch mit Geſängen ſie bekämpfend.
Von mehreren lyriſchen Dichtern dieſer Zeit wird erzählt, daß ſie auf
Rath der Götter herbeigerufen worden, bürgerliche Uneinigkeiten beizu-
legen. Andere waren geehrt an Höfen der Herrſcher und Tyrannen
der damaligen Zeit. Arion z. B. von Periander. Die Zeit der Un-
ſchuld war auch dadurch vorbei, daß die Sänger nicht mehr genügſam
waren wie die homeriſchen; daß ſie Lohn, Gewinn, Anſehen für das
Talent forderten. Pindaros, deſſen Leyer bei den öffentlichen Wett-
ſpielen ertönte, war auch in dieſer — objektiven — Beziehung der
griechiſchen Lyrik die Blüthe. Er anticipirte in ſich die Bildung des
Perikleiſchen Zeitalters; der rohere Republikanismus iſt ſchon zur
1 S. Friedr. Schlegel, Geſchichte der Poeſie der Griechen und Römer, S. 218.
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