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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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dem Ziel und Maß der Vernunft durch Schwärmerei zu stillen, wie
es in der Stelle des Faust ausgesprochen ist:

Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab' ich dich schon unbedingt.

Der andere Ausweg des unbefriedigten Strebens des Geistes ist der,
sich in die Welt zu stürzen, der Erde Weh, der Erde Glück zu
tragen. Auch in dieser Richtung ist der Ausgang entschieden; auch hier
nämlich ist es ewig unmöglich, als Endliches des Unendlichen theilhaftig
zu werden; welches in den Worten ausgesprochen ist:

Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und dessen übereiltes Streben
Der Erde Freuden überspringt.
Den schlepp' ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis' und Trank vor gier'gen Lippen schweben,
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn.

In Goethes Faust sind diese beiden Richtungen dargestellt oder vielmehr
unmittelbar vereinigt, so daß aus der einen zugleich die andere entspringt.

Des Dramatischen wegen mußte das Uebergewicht auf die andere
Richtung, die Begegnung eines solchen Geistes mit der Welt, gelegt
werden. Soweit wir das Gedicht übersehen, erkennen wir deutlich,
daß Faust in dieser Richtung durch das höchste Tragische gehen soll.

Aber die heitere Anlage des Ganzen schon im ersten Wurf, die
Wahrheit des mißleiteten Bestrebens, die Aechtheit des Verlangens
nach dem höchsten Leben läßt schon erwarten, daß der Widerstreit
sich in einer höheren Instanz lösen werde, und Faust in höhere
Sphären erhoben vollendet werde.

In diesem Betracht hat dieses Gedicht, so fremd dieß scheinen
möge, eine wahrhaft Dantesche Bedeutung, obgleich es weit mehr

dem Ziel und Maß der Vernunft durch Schwärmerei zu ſtillen, wie
es in der Stelle des Fauſt ausgeſprochen iſt:

Verachte nur Vernunft und Wiſſenſchaft,
Des Menſchen allerhöchſte Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeiſt beſtärken,
So hab’ ich dich ſchon unbedingt.

Der andere Ausweg des unbefriedigten Strebens des Geiſtes iſt der,
ſich in die Welt zu ſtürzen, der Erde Weh, der Erde Glück zu
tragen. Auch in dieſer Richtung iſt der Ausgang entſchieden; auch hier
nämlich iſt es ewig unmöglich, als Endliches des Unendlichen theilhaftig
zu werden; welches in den Worten ausgeſprochen iſt:

Ihm hat das Schickſal einen Geiſt gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und deſſen übereiltes Streben
Der Erde Freuden überſpringt.
Den ſchlepp’ ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Und ſeiner Unerſättlichkeit
Soll Speiſ’ und Trank vor gier’gen Lippen ſchweben,
Er wird Erquickung ſich umſonſt erflehn.

In Goethes Fauſt ſind dieſe beiden Richtungen dargeſtellt oder vielmehr
unmittelbar vereinigt, ſo daß aus der einen zugleich die andere entſpringt.

Des Dramatiſchen wegen mußte das Uebergewicht auf die andere
Richtung, die Begegnung eines ſolchen Geiſtes mit der Welt, gelegt
werden. Soweit wir das Gedicht überſehen, erkennen wir deutlich,
daß Fauſt in dieſer Richtung durch das höchſte Tragiſche gehen ſoll.

Aber die heitere Anlage des Ganzen ſchon im erſten Wurf, die
Wahrheit des mißleiteten Beſtrebens, die Aechtheit des Verlangens
nach dem höchſten Leben läßt ſchon erwarten, daß der Widerſtreit
ſich in einer höheren Inſtanz löſen werde, und Fauſt in höhere
Sphären erhoben vollendet werde.

In dieſem Betracht hat dieſes Gedicht, ſo fremd dieß ſcheinen
möge, eine wahrhaft Danteſche Bedeutung, obgleich es weit mehr

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[732/0408] dem Ziel und Maß der Vernunft durch Schwärmerei zu ſtillen, wie es in der Stelle des Fauſt ausgeſprochen iſt: Verachte nur Vernunft und Wiſſenſchaft, Des Menſchen allerhöchſte Kraft, Laß nur in Blend- und Zauberwerken Dich von dem Lügengeiſt beſtärken, So hab’ ich dich ſchon unbedingt. Der andere Ausweg des unbefriedigten Strebens des Geiſtes iſt der, ſich in die Welt zu ſtürzen, der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen. Auch in dieſer Richtung iſt der Ausgang entſchieden; auch hier nämlich iſt es ewig unmöglich, als Endliches des Unendlichen theilhaftig zu werden; welches in den Worten ausgeſprochen iſt: Ihm hat das Schickſal einen Geiſt gegeben, Der ungebändigt immer vorwärts dringt, Und deſſen übereiltes Streben Der Erde Freuden überſpringt. Den ſchlepp’ ich durch das wilde Leben, Durch flache Unbedeutenheit, Und ſeiner Unerſättlichkeit Soll Speiſ’ und Trank vor gier’gen Lippen ſchweben, Er wird Erquickung ſich umſonſt erflehn. In Goethes Fauſt ſind dieſe beiden Richtungen dargeſtellt oder vielmehr unmittelbar vereinigt, ſo daß aus der einen zugleich die andere entſpringt. Des Dramatiſchen wegen mußte das Uebergewicht auf die andere Richtung, die Begegnung eines ſolchen Geiſtes mit der Welt, gelegt werden. Soweit wir das Gedicht überſehen, erkennen wir deutlich, daß Fauſt in dieſer Richtung durch das höchſte Tragiſche gehen ſoll. Aber die heitere Anlage des Ganzen ſchon im erſten Wurf, die Wahrheit des mißleiteten Beſtrebens, die Aechtheit des Verlangens nach dem höchſten Leben läßt ſchon erwarten, daß der Widerſtreit ſich in einer höheren Inſtanz löſen werde, und Fauſt in höhere Sphären erhoben vollendet werde. In dieſem Betracht hat dieſes Gedicht, ſo fremd dieß ſcheinen möge, eine wahrhaft Danteſche Bedeutung, obgleich es weit mehr

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 732. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/408>, abgerufen am 21.11.2024.