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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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verstanden werde. Er bezieht sich auf die allgemeine Lehre der Philo-
sophie von der wesentlichen und innern Identität aller Dinge und alles
dessen, was wir überhaupt unterscheiden. Es ist wahrhaft und an sich
nur Ein Wesen, Ein absolut Reales, und dieses Wesen als absolutes
ist untheilbar, so daß es nicht durch Theilung oder Trennung in ver-
schiedene Wesen übergehen kann; da es untheilbar ist, so ist Verschie-
denheit der Dinge überhaupt nur möglich, insofern es als das Ganze
und Ungetheilte unter verschiedenen Bestimmungen gesetzt wird. Diese
Bestimmungen nenne ich Potenzen. Sie verändern schlechthin nichts
am Wesen, dieses bleibt immer und nothwendig dasselbe, deßwegen
heißen sie ideelle Bestimmungen. Z. B. das, was wir in der Geschichte
oder der Kunst erkennen, ist wesentlich dasselbe mit dem, was auch in
der Natur ist: jedem nämlich ist die ganze Absolutheit eingeboren, aber
diese Absolutheit steht in der Natur, der Geschichte und der Kunst in
verschiedenen Potenzen. Könnte man diese hinwegnehmen, um das reine
Wesen
gleichsam entblößt zu sehen, so wäre in allem wahrhaft Eins.

Die Philosophie nun tritt in ihrer vollkommenen Erscheinung
nur in der Totalität aller Potenzen hervor. Denn sie soll ein getreues
Bild des Universums seyn -- dieses aber = dem Absoluten, dar-
gestellt in der Totalität aller ideellen Bestimmungen
. --
Gott und Universum sind eins oder nur verschiedene Ansichten Eines
und desselben. Gott ist das Universum von der Seite der Identität
betrachtet, er ist Alles, weil er das allein Reale, außer ihm also
nichts ist, das Universum ist Gott von Seiten der Totalität aufge-
faßt. In der absoluten Idee, die Princip der Philosophie ist, ist aber
auch wieder Identität und Totalität eins. Die vollkommene Erschei-
nung der Philosophie, sage ich, tritt nur in der Totalität aller Po-
tenzen hervor. Im Absoluten als solchen, und demnach auch im Princip
der Philosophie, ist eben deßwegen, weil es alle Potenzen begreift, keine
Potenz, und hinwiederum nur, inwiefern in ihm keine Potenz ist, sind
in ihm alle enthalten. Ich nenne dieses Princip eben deßwegen, weil
es keiner besonderen Potenz gleich ist, und doch alle begreift, den ab-
soluten Identitätspunkt
der Philosophie.

verſtanden werde. Er bezieht ſich auf die allgemeine Lehre der Philo-
ſophie von der weſentlichen und innern Identität aller Dinge und alles
deſſen, was wir überhaupt unterſcheiden. Es iſt wahrhaft und an ſich
nur Ein Weſen, Ein abſolut Reales, und dieſes Weſen als abſolutes
iſt untheilbar, ſo daß es nicht durch Theilung oder Trennung in ver-
ſchiedene Weſen übergehen kann; da es untheilbar iſt, ſo iſt Verſchie-
denheit der Dinge überhaupt nur möglich, inſofern es als das Ganze
und Ungetheilte unter verſchiedenen Beſtimmungen geſetzt wird. Dieſe
Beſtimmungen nenne ich Potenzen. Sie verändern ſchlechthin nichts
am Weſen, dieſes bleibt immer und nothwendig daſſelbe, deßwegen
heißen ſie ideelle Beſtimmungen. Z. B. das, was wir in der Geſchichte
oder der Kunſt erkennen, iſt weſentlich daſſelbe mit dem, was auch in
der Natur iſt: jedem nämlich iſt die ganze Abſolutheit eingeboren, aber
dieſe Abſolutheit ſteht in der Natur, der Geſchichte und der Kunſt in
verſchiedenen Potenzen. Könnte man dieſe hinwegnehmen, um das reine
Weſen
gleichſam entblößt zu ſehen, ſo wäre in allem wahrhaft Eins.

Die Philoſophie nun tritt in ihrer vollkommenen Erſcheinung
nur in der Totalität aller Potenzen hervor. Denn ſie ſoll ein getreues
Bild des Univerſums ſeyn — dieſes aber = dem Abſoluten, dar-
geſtellt in der Totalität aller ideellen Beſtimmungen
. —
Gott und Univerſum ſind eins oder nur verſchiedene Anſichten Eines
und deſſelben. Gott iſt das Univerſum von der Seite der Identität
betrachtet, er iſt Alles, weil er das allein Reale, außer ihm alſo
nichts iſt, das Univerſum iſt Gott von Seiten der Totalität aufge-
faßt. In der abſoluten Idee, die Princip der Philoſophie iſt, iſt aber
auch wieder Identität und Totalität eins. Die vollkommene Erſchei-
nung der Philoſophie, ſage ich, tritt nur in der Totalität aller Po-
tenzen hervor. Im Abſoluten als ſolchen, und demnach auch im Princip
der Philoſophie, iſt eben deßwegen, weil es alle Potenzen begreift, keine
Potenz, und hinwiederum nur, inwiefern in ihm keine Potenz iſt, ſind
in ihm alle enthalten. Ich nenne dieſes Princip eben deßwegen, weil
es keiner beſonderen Potenz gleich iſt, und doch alle begreift, den ab-
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der Philoſophie.

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[366/0042] verſtanden werde. Er bezieht ſich auf die allgemeine Lehre der Philo- ſophie von der weſentlichen und innern Identität aller Dinge und alles deſſen, was wir überhaupt unterſcheiden. Es iſt wahrhaft und an ſich nur Ein Weſen, Ein abſolut Reales, und dieſes Weſen als abſolutes iſt untheilbar, ſo daß es nicht durch Theilung oder Trennung in ver- ſchiedene Weſen übergehen kann; da es untheilbar iſt, ſo iſt Verſchie- denheit der Dinge überhaupt nur möglich, inſofern es als das Ganze und Ungetheilte unter verſchiedenen Beſtimmungen geſetzt wird. Dieſe Beſtimmungen nenne ich Potenzen. Sie verändern ſchlechthin nichts am Weſen, dieſes bleibt immer und nothwendig daſſelbe, deßwegen heißen ſie ideelle Beſtimmungen. Z. B. das, was wir in der Geſchichte oder der Kunſt erkennen, iſt weſentlich daſſelbe mit dem, was auch in der Natur iſt: jedem nämlich iſt die ganze Abſolutheit eingeboren, aber dieſe Abſolutheit ſteht in der Natur, der Geſchichte und der Kunſt in verſchiedenen Potenzen. Könnte man dieſe hinwegnehmen, um das reine Weſen gleichſam entblößt zu ſehen, ſo wäre in allem wahrhaft Eins. Die Philoſophie nun tritt in ihrer vollkommenen Erſcheinung nur in der Totalität aller Potenzen hervor. Denn ſie ſoll ein getreues Bild des Univerſums ſeyn — dieſes aber = dem Abſoluten, dar- geſtellt in der Totalität aller ideellen Beſtimmungen. — Gott und Univerſum ſind eins oder nur verſchiedene Anſichten Eines und deſſelben. Gott iſt das Univerſum von der Seite der Identität betrachtet, er iſt Alles, weil er das allein Reale, außer ihm alſo nichts iſt, das Univerſum iſt Gott von Seiten der Totalität aufge- faßt. In der abſoluten Idee, die Princip der Philoſophie iſt, iſt aber auch wieder Identität und Totalität eins. Die vollkommene Erſchei- nung der Philoſophie, ſage ich, tritt nur in der Totalität aller Po- tenzen hervor. Im Abſoluten als ſolchen, und demnach auch im Princip der Philoſophie, iſt eben deßwegen, weil es alle Potenzen begreift, keine Potenz, und hinwiederum nur, inwiefern in ihm keine Potenz iſt, ſind in ihm alle enthalten. Ich nenne dieſes Princip eben deßwegen, weil es keiner beſonderen Potenz gleich iſt, und doch alle begreift, den ab- ſoluten Identitätspunkt der Philoſophie.

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/42>, abgerufen am 21.11.2024.