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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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sein Wesen ist, dieses aber weder vermehrt noch vermindert werden
kann. Daß dem Wesen der Dinge keine Dauer zugeschrieben werden
könne, ist eine zugestandene Sache. Wir können wohl z. B. vom
einzelnen oder concreten Cirkel sagen, daß er diese oder jene Zeit ge-
dauert habe, von dem Wesen oder der Idee des Cirkels wird niemand
sagen, daß sie daure, oder daß sie z. B. jetzt eine längere Zeit existirt
habe als bei dem Anfang der Welt. Nun ist aber das Absolute eben
dasjenige, in Ansehung dessen der Gegensatz der Idee und des Con-
creten gar nicht stattfindet, in Ansehung dessen das, was in den
Dingen das Concrete oder Besondere ist, selbst wieder das Wesen oder
Allgemeine (nicht Negation) ist, so daß Gott kein anderes Seyn als
das seiner Idee zukommen kann.

Dasselbe noch von einer andern Seite. -- Wir sagen, daß ein
Ding dauert, weil seine Existenz seinem Wesen, sein Besonderes sei-
nem Allgemeinen unangemessen ist. Die Dauer ist nichts anderes
als ein fortgehendes Setzen seines Allgemeinen in sein Concretes.
Vermöge der Beschränktheit des letzteren ist es nicht alles und in der
That auf einmal, was es seinem Wesen oder seinem Allgemeinen nach
seyn könnte. Dieß ist nun im Absoluten wieder undenkbar: da das
Besondere in ihm dem Allgemeinen absolut gleich, so ist es alles, was
es seyn kann, auch wirklich und auf einmal ohne Dazwischentreten
der Zeit, es ist also ohne alle Zeit, an sich ewig.

Die Idee des schlechthin Ewigen ist eine äußerst wichtige Idee
sowohl für die Philosophie überhaupt als für unsere besondere Con-
struktion. Denn was das Erste betrifft, so folgt unmittelbar (was Sie
auch als Folgesatz bemerken können), daß das wahre Universum
ewig, weil das Absolute zu ihm kein Zeitverhältniß haben kann. Für
unsere besondere Construktion ist diese Idee wichtig, weil sie zeigt, daß
die Zeit das an sich Ewige überall nicht afficirt, daß also das an
sich
Ewige selbst mitten in der Zeit kein Verhältniß zu der Zeit hat.

Andere Ausdrücke desselben Satzes:

a) Das Absolute kann daher auch nichts anderem als der Zeit nach
vorangegangen gedacht werden (bloße Folge aus dem Vorhergehen-

ſein Weſen iſt, dieſes aber weder vermehrt noch vermindert werden
kann. Daß dem Weſen der Dinge keine Dauer zugeſchrieben werden
könne, iſt eine zugeſtandene Sache. Wir können wohl z. B. vom
einzelnen oder concreten Cirkel ſagen, daß er dieſe oder jene Zeit ge-
dauert habe, von dem Weſen oder der Idee des Cirkels wird niemand
ſagen, daß ſie daure, oder daß ſie z. B. jetzt eine längere Zeit exiſtirt
habe als bei dem Anfang der Welt. Nun iſt aber das Abſolute eben
dasjenige, in Anſehung deſſen der Gegenſatz der Idee und des Con-
creten gar nicht ſtattfindet, in Anſehung deſſen das, was in den
Dingen das Concrete oder Beſondere iſt, ſelbſt wieder das Weſen oder
Allgemeine (nicht Negation) iſt, ſo daß Gott kein anderes Seyn als
das ſeiner Idee zukommen kann.

Daſſelbe noch von einer andern Seite. — Wir ſagen, daß ein
Ding dauert, weil ſeine Exiſtenz ſeinem Weſen, ſein Beſonderes ſei-
nem Allgemeinen unangemeſſen iſt. Die Dauer iſt nichts anderes
als ein fortgehendes Setzen ſeines Allgemeinen in ſein Concretes.
Vermöge der Beſchränktheit des letzteren iſt es nicht alles und in der
That auf einmal, was es ſeinem Weſen oder ſeinem Allgemeinen nach
ſeyn könnte. Dieß iſt nun im Abſoluten wieder undenkbar: da das
Beſondere in ihm dem Allgemeinen abſolut gleich, ſo iſt es alles, was
es ſeyn kann, auch wirklich und auf einmal ohne Dazwiſchentreten
der Zeit, es iſt alſo ohne alle Zeit, an ſich ewig.

Die Idee des ſchlechthin Ewigen iſt eine äußerſt wichtige Idee
ſowohl für die Philoſophie überhaupt als für unſere beſondere Con-
ſtruktion. Denn was das Erſte betrifft, ſo folgt unmittelbar (was Sie
auch als Folgeſatz bemerken können), daß das wahre Univerſum
ewig, weil das Abſolute zu ihm kein Zeitverhältniß haben kann. Für
unſere beſondere Conſtruktion iſt dieſe Idee wichtig, weil ſie zeigt, daß
die Zeit das an ſich Ewige überall nicht afficirt, daß alſo das an
ſich
Ewige ſelbſt mitten in der Zeit kein Verhältniß zu der Zeit hat.

Andere Ausdrücke deſſelben Satzes:

a) Das Abſolute kann daher auch nichts anderem als der Zeit nach
vorangegangen gedacht werden (bloße Folge aus dem Vorhergehen-

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[376/0052] ſein Weſen iſt, dieſes aber weder vermehrt noch vermindert werden kann. Daß dem Weſen der Dinge keine Dauer zugeſchrieben werden könne, iſt eine zugeſtandene Sache. Wir können wohl z. B. vom einzelnen oder concreten Cirkel ſagen, daß er dieſe oder jene Zeit ge- dauert habe, von dem Weſen oder der Idee des Cirkels wird niemand ſagen, daß ſie daure, oder daß ſie z. B. jetzt eine längere Zeit exiſtirt habe als bei dem Anfang der Welt. Nun iſt aber das Abſolute eben dasjenige, in Anſehung deſſen der Gegenſatz der Idee und des Con- creten gar nicht ſtattfindet, in Anſehung deſſen das, was in den Dingen das Concrete oder Beſondere iſt, ſelbſt wieder das Weſen oder Allgemeine (nicht Negation) iſt, ſo daß Gott kein anderes Seyn als das ſeiner Idee zukommen kann. Daſſelbe noch von einer andern Seite. — Wir ſagen, daß ein Ding dauert, weil ſeine Exiſtenz ſeinem Weſen, ſein Beſonderes ſei- nem Allgemeinen unangemeſſen iſt. Die Dauer iſt nichts anderes als ein fortgehendes Setzen ſeines Allgemeinen in ſein Concretes. Vermöge der Beſchränktheit des letzteren iſt es nicht alles und in der That auf einmal, was es ſeinem Weſen oder ſeinem Allgemeinen nach ſeyn könnte. Dieß iſt nun im Abſoluten wieder undenkbar: da das Beſondere in ihm dem Allgemeinen abſolut gleich, ſo iſt es alles, was es ſeyn kann, auch wirklich und auf einmal ohne Dazwiſchentreten der Zeit, es iſt alſo ohne alle Zeit, an ſich ewig. Die Idee des ſchlechthin Ewigen iſt eine äußerſt wichtige Idee ſowohl für die Philoſophie überhaupt als für unſere beſondere Con- ſtruktion. Denn was das Erſte betrifft, ſo folgt unmittelbar (was Sie auch als Folgeſatz bemerken können), daß das wahre Univerſum ewig, weil das Abſolute zu ihm kein Zeitverhältniß haben kann. Für unſere beſondere Conſtruktion iſt dieſe Idee wichtig, weil ſie zeigt, daß die Zeit das an ſich Ewige überall nicht afficirt, daß alſo das an ſich Ewige ſelbſt mitten in der Zeit kein Verhältniß zu der Zeit hat. Andere Ausdrücke deſſelben Satzes: a) Das Abſolute kann daher auch nichts anderem als der Zeit nach vorangegangen gedacht werden (bloße Folge aus dem Vorhergehen-

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/52>, abgerufen am 24.11.2024.