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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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Hierüber noch folgenden Satz.

§. 18. Das organische Werk der Natur stellt dieselbe
Indifferenz noch ungetrennt dar, welche das Kunstwerk
nach der Trennung, aber wieder als Indifferenz darstellt
.

Das organische Produkt begreift in sich die beiden Einheiten, der
Materie oder der Einbildung der Einheit in die Vielheit, und die ent-
gegengesetzte des Lichts oder der Auflösung der Realität in die Idea-
lität; und es begreift beide als eins. Aber das Allgemeine oder die
unendliche Idealität, welche hier dem Besonderen verknüpft ist, ist selbst
noch das dem Endlichen, dem Besondern Untergeordnete (Allgemeines
= Licht). Daher, weil das Unendliche hier selbst noch der allgemeinen
Bestimmung der Endlichkeit unterliegt, nicht als Unendliches erscheint,
auch Nothwendigkeit und Freiheit (das als Unendliches erscheinende Un-
endliche) gleichsam noch unter einer gemeinschaftlichen Hülle, noch un-
entfaltet ruhen, wie in einer Knospe, die in ihrem Brechen eine neue
Welt, die der Freiheit, aufschließen wird. Da nun erst in der idealen
Welt der Gegensatz des Allgemeinen und Besonderen, Idealen und
Realen, sich als Gegensatz der Nothwendigkeit und der Freiheit aus-
spricht, stellt das organische Produkt denselben Gegensatz noch unauf-
gehoben dar (weil noch unentfaltet), den das Kunstwerk aufgehoben
darstellt, (in beiden dieselbe Identität).

§. 19. Nothwendigkeit und Freiheit verhalten sich wie
Bewußtloses und Bewußtes. Kunst beruht daher auf der
Identität der bewußten und der bewußtlosen Thätigkeit
.
Die Vollkommenheit des Kunstwerks als solchen steigt in dem Verhält-
niß, in welchem es diese Identität in sich ausgedrückt enthält, oder in
welchem Absicht und Nothwendigkeit sich in ihm durchdrungen haben.

Noch einige andere allgemeine Folgerungen:

§. 20. Schönheit und Wahrheit sind an sich oder der
Idee nach eins
. -- Denn die Wahrheit der Idee nach ist ebenso
wie die Schönheit Identität des Subjektiven und Objektiven, nur jene
subjektiv oder vorbildlich angeschaut, wie die Schönheit gegenbildlich oder
objektiv.

Hierüber noch folgenden Satz.

§. 18. Das organiſche Werk der Natur ſtellt dieſelbe
Indifferenz noch ungetrennt dar, welche das Kunſtwerk
nach der Trennung, aber wieder als Indifferenz darſtellt
.

Das organiſche Produkt begreift in ſich die beiden Einheiten, der
Materie oder der Einbildung der Einheit in die Vielheit, und die ent-
gegengeſetzte des Lichts oder der Auflöſung der Realität in die Idea-
lität; und es begreift beide als eins. Aber das Allgemeine oder die
unendliche Idealität, welche hier dem Beſonderen verknüpft iſt, iſt ſelbſt
noch das dem Endlichen, dem Beſondern Untergeordnete (Allgemeines
= Licht). Daher, weil das Unendliche hier ſelbſt noch der allgemeinen
Beſtimmung der Endlichkeit unterliegt, nicht als Unendliches erſcheint,
auch Nothwendigkeit und Freiheit (das als Unendliches erſcheinende Un-
endliche) gleichſam noch unter einer gemeinſchaftlichen Hülle, noch un-
entfaltet ruhen, wie in einer Knospe, die in ihrem Brechen eine neue
Welt, die der Freiheit, aufſchließen wird. Da nun erſt in der idealen
Welt der Gegenſatz des Allgemeinen und Beſonderen, Idealen und
Realen, ſich als Gegenſatz der Nothwendigkeit und der Freiheit aus-
ſpricht, ſtellt das organiſche Produkt denſelben Gegenſatz noch unauf-
gehoben dar (weil noch unentfaltet), den das Kunſtwerk aufgehoben
darſtellt, (in beiden dieſelbe Identität).

§. 19. Nothwendigkeit und Freiheit verhalten ſich wie
Bewußtloſes und Bewußtes. Kunſt beruht daher auf der
Identität der bewußten und der bewußtloſen Thätigkeit
.
Die Vollkommenheit des Kunſtwerks als ſolchen ſteigt in dem Verhält-
niß, in welchem es dieſe Identität in ſich ausgedrückt enthält, oder in
welchem Abſicht und Nothwendigkeit ſich in ihm durchdrungen haben.

Noch einige andere allgemeine Folgerungen:

§. 20. Schönheit und Wahrheit ſind an ſich oder der
Idee nach eins
. — Denn die Wahrheit der Idee nach iſt ebenſo
wie die Schönheit Identität des Subjektiven und Objektiven, nur jene
ſubjektiv oder vorbildlich angeſchaut, wie die Schönheit gegenbildlich oder
objektiv.

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[384/0060] Hierüber noch folgenden Satz. §. 18. Das organiſche Werk der Natur ſtellt dieſelbe Indifferenz noch ungetrennt dar, welche das Kunſtwerk nach der Trennung, aber wieder als Indifferenz darſtellt. Das organiſche Produkt begreift in ſich die beiden Einheiten, der Materie oder der Einbildung der Einheit in die Vielheit, und die ent- gegengeſetzte des Lichts oder der Auflöſung der Realität in die Idea- lität; und es begreift beide als eins. Aber das Allgemeine oder die unendliche Idealität, welche hier dem Beſonderen verknüpft iſt, iſt ſelbſt noch das dem Endlichen, dem Beſondern Untergeordnete (Allgemeines = Licht). Daher, weil das Unendliche hier ſelbſt noch der allgemeinen Beſtimmung der Endlichkeit unterliegt, nicht als Unendliches erſcheint, auch Nothwendigkeit und Freiheit (das als Unendliches erſcheinende Un- endliche) gleichſam noch unter einer gemeinſchaftlichen Hülle, noch un- entfaltet ruhen, wie in einer Knospe, die in ihrem Brechen eine neue Welt, die der Freiheit, aufſchließen wird. Da nun erſt in der idealen Welt der Gegenſatz des Allgemeinen und Beſonderen, Idealen und Realen, ſich als Gegenſatz der Nothwendigkeit und der Freiheit aus- ſpricht, ſtellt das organiſche Produkt denſelben Gegenſatz noch unauf- gehoben dar (weil noch unentfaltet), den das Kunſtwerk aufgehoben darſtellt, (in beiden dieſelbe Identität). §. 19. Nothwendigkeit und Freiheit verhalten ſich wie Bewußtloſes und Bewußtes. Kunſt beruht daher auf der Identität der bewußten und der bewußtloſen Thätigkeit. Die Vollkommenheit des Kunſtwerks als ſolchen ſteigt in dem Verhält- niß, in welchem es dieſe Identität in ſich ausgedrückt enthält, oder in welchem Abſicht und Nothwendigkeit ſich in ihm durchdrungen haben. Noch einige andere allgemeine Folgerungen: §. 20. Schönheit und Wahrheit ſind an ſich oder der Idee nach eins. — Denn die Wahrheit der Idee nach iſt ebenſo wie die Schönheit Identität des Subjektiven und Objektiven, nur jene ſubjektiv oder vorbildlich angeſchaut, wie die Schönheit gegenbildlich oder objektiv.

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/60>, abgerufen am 24.11.2024.