Zweiter Abschnitt. Construktion des Stoffs der Kunst.
In §. 24 ist bewiesen worden: die Formen der Kunst müssen die Formen der Dinge seyn, wie sie im Absoluten oder an sich sind. Demnach wird vorausgesetzt, diese besonderen Formen, wodurch eben das Schöne in einzelnen realen und wirklichen Dingen dargestellt wird, seyen besondere Formen, die im Absoluten selbst sind. Die Frage ist, wie dieß möglich sey. (Es ist dieß ganz dasselbe Problem, welches in der allgemeinen Philosophie durch Uebergehen des Unendlichen ins Endliche, der Einheit in die Vielheit ausgedrückt wird).
§. 25. Die besonderen Formen sind als solche ohne Wesenheit, bloße Formen, die im Absoluten nicht anders seyn können, als inwiefern sie als besondere wieder das ganze Wesen des Absoluten in sich aufnehmen. Dieß ist von selbst klar, da das Wesen des Absoluten untheilbar ist. -- Hierdurch allein sind sie in Ansehung des Absoluten, d. h. absolut möglich, eben darum auch absolut wirklich, da im Absoluten keine Differenz der Wirklichkeit und der Möglichkeit.
Zusatz. Dasselbe ist auch auf folgende Art einzusehen. Das Universum (worunter hier immer das Universum an sich, das ewige, unerzeugte verstanden wird) -- das Universum ist, wie das Absolute, schlechthin Eines, untheilbar, denn es ist das Absolute selbst (§. 3), es können also im wahren Universum keine besonderen Dinge seyn,
Zweiter Abſchnitt. Conſtruktion des Stoffs der Kunſt.
In §. 24 iſt bewieſen worden: die Formen der Kunſt müſſen die Formen der Dinge ſeyn, wie ſie im Abſoluten oder an ſich ſind. Demnach wird vorausgeſetzt, dieſe beſonderen Formen, wodurch eben das Schöne in einzelnen realen und wirklichen Dingen dargeſtellt wird, ſeyen beſondere Formen, die im Abſoluten ſelbſt ſind. Die Frage iſt, wie dieß möglich ſey. (Es iſt dieß ganz daſſelbe Problem, welches in der allgemeinen Philoſophie durch Uebergehen des Unendlichen ins Endliche, der Einheit in die Vielheit ausgedrückt wird).
§. 25. Die beſonderen Formen ſind als ſolche ohne Weſenheit, bloße Formen, die im Abſoluten nicht anders ſeyn können, als inwiefern ſie als beſondere wieder das ganze Weſen des Abſoluten in ſich aufnehmen. Dieß iſt von ſelbſt klar, da das Weſen des Abſoluten untheilbar iſt. — Hierdurch allein ſind ſie in Anſehung des Abſoluten, d. h. abſolut möglich, eben darum auch abſolut wirklich, da im Abſoluten keine Differenz der Wirklichkeit und der Möglichkeit.
Zuſatz. Dasſelbe iſt auch auf folgende Art einzuſehen. Das Univerſum (worunter hier immer das Univerſum an ſich, das ewige, unerzeugte verſtanden wird) — das Univerſum iſt, wie das Abſolute, ſchlechthin Eines, untheilbar, denn es iſt das Abſolute ſelbſt (§. 3), es können alſo im wahren Univerſum keine beſonderen Dinge ſeyn,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0064"n="[388]"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Zweiter Abſchnitt.</hi><lb/><hirendition="#g">Conſtruktion des Stoffs der Kunſt</hi>.</head><lb/><p>In §. 24 iſt bewieſen worden: die Formen der Kunſt müſſen die<lb/>
Formen der Dinge ſeyn, wie ſie im Abſoluten oder <hirendition="#g">an ſich</hi>ſind.<lb/>
Demnach wird vorausgeſetzt, dieſe <hirendition="#g">beſonderen Formen</hi>, wodurch<lb/>
eben das Schöne in einzelnen realen und wirklichen Dingen dargeſtellt<lb/>
wird, <hirendition="#g">ſeyen</hi> beſondere Formen, die im Abſoluten ſelbſt ſind. Die<lb/>
Frage iſt, wie dieß möglich ſey. (Es iſt dieß ganz daſſelbe Problem,<lb/>
welches in der allgemeinen Philoſophie durch Uebergehen des Unendlichen<lb/>
ins Endliche, der Einheit in die Vielheit ausgedrückt wird).</p><lb/><p>§. 25. <hirendition="#g">Die beſonderen Formen ſind als ſolche ohne<lb/>
Weſenheit, bloße Formen, die im Abſoluten nicht anders<lb/>ſeyn können, als inwiefern ſie als beſondere wieder das<lb/>
ganze Weſen des Abſoluten in ſich aufnehmen</hi>. Dieß iſt von<lb/>ſelbſt klar, da das Weſen des Abſoluten untheilbar iſt. — Hierdurch<lb/>
allein ſind ſie in Anſehung des Abſoluten, d. h. abſolut möglich, eben<lb/>
darum auch abſolut wirklich, da im Abſoluten keine Differenz der<lb/>
Wirklichkeit und der Möglichkeit.</p><lb/><p><hirendition="#g">Zuſatz</hi>. Dasſelbe iſt auch auf folgende Art einzuſehen. Das<lb/>
Univerſum (worunter hier immer das Univerſum an ſich, das ewige,<lb/>
unerzeugte verſtanden wird) — das Univerſum iſt, wie das Abſolute,<lb/>ſchlechthin Eines, untheilbar, denn es iſt das Abſolute ſelbſt (§. 3),<lb/>
es können alſo im <hirendition="#g">wahren</hi> Univerſum keine beſonderen Dinge ſeyn,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[[388]/0064]
Zweiter Abſchnitt.
Conſtruktion des Stoffs der Kunſt.
In §. 24 iſt bewieſen worden: die Formen der Kunſt müſſen die
Formen der Dinge ſeyn, wie ſie im Abſoluten oder an ſich ſind.
Demnach wird vorausgeſetzt, dieſe beſonderen Formen, wodurch
eben das Schöne in einzelnen realen und wirklichen Dingen dargeſtellt
wird, ſeyen beſondere Formen, die im Abſoluten ſelbſt ſind. Die
Frage iſt, wie dieß möglich ſey. (Es iſt dieß ganz daſſelbe Problem,
welches in der allgemeinen Philoſophie durch Uebergehen des Unendlichen
ins Endliche, der Einheit in die Vielheit ausgedrückt wird).
§. 25. Die beſonderen Formen ſind als ſolche ohne
Weſenheit, bloße Formen, die im Abſoluten nicht anders
ſeyn können, als inwiefern ſie als beſondere wieder das
ganze Weſen des Abſoluten in ſich aufnehmen. Dieß iſt von
ſelbſt klar, da das Weſen des Abſoluten untheilbar iſt. — Hierdurch
allein ſind ſie in Anſehung des Abſoluten, d. h. abſolut möglich, eben
darum auch abſolut wirklich, da im Abſoluten keine Differenz der
Wirklichkeit und der Möglichkeit.
Zuſatz. Dasſelbe iſt auch auf folgende Art einzuſehen. Das
Univerſum (worunter hier immer das Univerſum an ſich, das ewige,
unerzeugte verſtanden wird) — das Univerſum iſt, wie das Abſolute,
ſchlechthin Eines, untheilbar, denn es iſt das Abſolute ſelbſt (§. 3),
es können alſo im wahren Univerſum keine beſonderen Dinge ſeyn,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. [388]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/64>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.