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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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reducirt, daß sie nämlich die unbewegliche, immer gleiche, unveränder-
liche Weisheit ist. -- Juno hat von dem Zeus die reine Macht ohne
die erhabene Weisheit. Daher erstens ihr Haß gegen alles, was durch
die Form göttlich ist, und demnach gegen alles Göttliche, was erst in
dem von Jupiter neu bezwungenen Lauf der Zeiten gebildet wird, wie
gegen den Apollon, die Diana u. s. w. Als Jupiter aus sich selbst
die Minerva gebiert, gebiert sie (Juno) ohne Antheil Jupiters, ihm
zum Trotz, den Vulcan, den bildenden Künstler sinnreicher Arbeiten
ohne die hohe Weisheit der Minerva, den Handhaber des Feuers und
Bildner der Waffen, während sein eigner Arm nur den Hammer führt.
Sehr bedeutend zeigt sich diese Dichtung und Entgegenstellung mit der
Minerva in dem Zusatz, daß der Vulkan nach der Vermählung mit
der Minerva gestrebt, daß er in dem vergeblichen Ringen mit ihr die
Erde befruchtet, worauf diese den Erichthonios mit den Drachenfüßen
gebar. Bekannt ist, daß die Drachengestalt immer das Erdentsprossene
bezeichnet: so ist Vulcan damit als die bloß irdische Form der Kunst,
die vergeblich sich der himmlischen zu vermählen trachtet, bezeichnet,
ebenso wie auf der andern Seite die ihm vermählte Venus die irdische
Schönheit, obwohl ihr hohes Urbild zugleich im Himmel wohnt.

Ohne in diese zarten Schöpfungen der Phantasie einen ihnen frem-
den Vernunftzusammenhang bringen zu wollen, können wir doch die
ganze Kette, wie sie von Jupiter an in die Hauptgottheiten sich fort-
setzt, auf folgende Art bestimmen. Jupiter also als der ewige Vater
ist der absolute Indifferenzpunkt, der im Olymp ist, erhaben über
allen Widerstreit; bei ihm wohnt die Gestalt der Minerva, die ewige
Weisheit -- sein Gegenbild, das aus seinem Haupte entsprungen.
Unter ihm ist a) in der realen Welt das formende und das form-
lose Princip (Eisen und Wasser), Vulcan und Neptun, welche, damit
die Kette sich nach beiden Seiten schließe, als der dem Jupiter ent-
sprechende Indifferenzpunkt, ein unterirdischer Gott wieder zusammen-
knüpft, Pluto oder der stygische Jupiter, Herrscher im Reich der Nacht
oder der Schwere. Wie dieser Indifferenzpunkt (entsprechend dem Ju-
piter) in der realen Welt, so ist b) Apollon der der idealen Welt,

reducirt, daß ſie nämlich die unbewegliche, immer gleiche, unveränder-
liche Weisheit iſt. — Juno hat von dem Zeus die reine Macht ohne
die erhabene Weisheit. Daher erſtens ihr Haß gegen alles, was durch
die Form göttlich iſt, und demnach gegen alles Göttliche, was erſt in
dem von Jupiter neu bezwungenen Lauf der Zeiten gebildet wird, wie
gegen den Apollon, die Diana u. ſ. w. Als Jupiter aus ſich ſelbſt
die Minerva gebiert, gebiert ſie (Juno) ohne Antheil Jupiters, ihm
zum Trotz, den Vulcan, den bildenden Künſtler ſinnreicher Arbeiten
ohne die hohe Weisheit der Minerva, den Handhaber des Feuers und
Bildner der Waffen, während ſein eigner Arm nur den Hammer führt.
Sehr bedeutend zeigt ſich dieſe Dichtung und Entgegenſtellung mit der
Minerva in dem Zuſatz, daß der Vulkan nach der Vermählung mit
der Minerva geſtrebt, daß er in dem vergeblichen Ringen mit ihr die
Erde befruchtet, worauf dieſe den Erichthonios mit den Drachenfüßen
gebar. Bekannt iſt, daß die Drachengeſtalt immer das Erdentſproſſene
bezeichnet: ſo iſt Vulcan damit als die bloß irdiſche Form der Kunſt,
die vergeblich ſich der himmliſchen zu vermählen trachtet, bezeichnet,
ebenſo wie auf der andern Seite die ihm vermählte Venus die irdiſche
Schönheit, obwohl ihr hohes Urbild zugleich im Himmel wohnt.

Ohne in dieſe zarten Schöpfungen der Phantaſie einen ihnen frem-
den Vernunftzuſammenhang bringen zu wollen, können wir doch die
ganze Kette, wie ſie von Jupiter an in die Hauptgottheiten ſich fort-
ſetzt, auf folgende Art beſtimmen. Jupiter alſo als der ewige Vater
iſt der abſolute Indifferenzpunkt, der im Olymp iſt, erhaben über
allen Widerſtreit; bei ihm wohnt die Geſtalt der Minerva, die ewige
Weisheit — ſein Gegenbild, das aus ſeinem Haupte entſprungen.
Unter ihm iſt a) in der realen Welt das formende und das form-
loſe Princip (Eiſen und Waſſer), Vulcan und Neptun, welche, damit
die Kette ſich nach beiden Seiten ſchließe, als der dem Jupiter ent-
ſprechende Indifferenzpunkt, ein unterirdiſcher Gott wieder zuſammen-
knüpft, Pluto oder der ſtygiſche Jupiter, Herrſcher im Reich der Nacht
oder der Schwere. Wie dieſer Indifferenzpunkt (entſprechend dem Ju-
piter) in der realen Welt, ſo iſt b) Apollon der der idealen Welt,

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[402/0078] reducirt, daß ſie nämlich die unbewegliche, immer gleiche, unveränder- liche Weisheit iſt. — Juno hat von dem Zeus die reine Macht ohne die erhabene Weisheit. Daher erſtens ihr Haß gegen alles, was durch die Form göttlich iſt, und demnach gegen alles Göttliche, was erſt in dem von Jupiter neu bezwungenen Lauf der Zeiten gebildet wird, wie gegen den Apollon, die Diana u. ſ. w. Als Jupiter aus ſich ſelbſt die Minerva gebiert, gebiert ſie (Juno) ohne Antheil Jupiters, ihm zum Trotz, den Vulcan, den bildenden Künſtler ſinnreicher Arbeiten ohne die hohe Weisheit der Minerva, den Handhaber des Feuers und Bildner der Waffen, während ſein eigner Arm nur den Hammer führt. Sehr bedeutend zeigt ſich dieſe Dichtung und Entgegenſtellung mit der Minerva in dem Zuſatz, daß der Vulkan nach der Vermählung mit der Minerva geſtrebt, daß er in dem vergeblichen Ringen mit ihr die Erde befruchtet, worauf dieſe den Erichthonios mit den Drachenfüßen gebar. Bekannt iſt, daß die Drachengeſtalt immer das Erdentſproſſene bezeichnet: ſo iſt Vulcan damit als die bloß irdiſche Form der Kunſt, die vergeblich ſich der himmliſchen zu vermählen trachtet, bezeichnet, ebenſo wie auf der andern Seite die ihm vermählte Venus die irdiſche Schönheit, obwohl ihr hohes Urbild zugleich im Himmel wohnt. Ohne in dieſe zarten Schöpfungen der Phantaſie einen ihnen frem- den Vernunftzuſammenhang bringen zu wollen, können wir doch die ganze Kette, wie ſie von Jupiter an in die Hauptgottheiten ſich fort- ſetzt, auf folgende Art beſtimmen. Jupiter alſo als der ewige Vater iſt der abſolute Indifferenzpunkt, der im Olymp iſt, erhaben über allen Widerſtreit; bei ihm wohnt die Geſtalt der Minerva, die ewige Weisheit — ſein Gegenbild, das aus ſeinem Haupte entſprungen. Unter ihm iſt a) in der realen Welt das formende und das form- loſe Princip (Eiſen und Waſſer), Vulcan und Neptun, welche, damit die Kette ſich nach beiden Seiten ſchließe, als der dem Jupiter ent- ſprechende Indifferenzpunkt, ein unterirdiſcher Gott wieder zuſammen- knüpft, Pluto oder der ſtygiſche Jupiter, Herrſcher im Reich der Nacht oder der Schwere. Wie dieſer Indifferenzpunkt (entſprechend dem Ju- piter) in der realen Welt, ſo iſt b) Apollon der der idealen Welt,

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/78>, abgerufen am 24.11.2024.