Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

ren empirischen Erklärungsalten betrifft, de¬
ren einige die erste Idee von Gott oder Göt¬
tern aus Furcht, aus Dankbarkeit, oder an¬
dern Gemüthsbewegungen, andere durch eine
schlaue Erfindung der ersten Gesetzgeber entste¬
hen lassen, so begreifen jene die Idee Gottes
überhaupt nur als die psychologische Erschei¬
nung, so wie diese weder erklären, wie nur
überhaupt jemand zuerst den Gedanken gefaßt,
sich zum Gesetzgeber eines Volkes zu machen, noch
wie er Religion insbesondere als Schreckmittel
zu brauchen sich einfallen lassen konnte, ohne
zuvor die Idee derselben aus einer andern
Quelle zu haben. Unter der Menge falscher
und ideenloser Versuche der letzten Zeit stehen
die sogenannten Geschichten der Menschheit oben
an, welche ihre Vorstellungen von dem ersten
Zustand unsers Geschlechts von den aus Rei¬
sebeschreibungen compilirten Zügen der Rohheit
wilder Völker hernehmen, welche daher auch
in ihnen die vornehmste Rolle spielen. Es giebt
keinen Zustand der Barbarey, der nicht aus ei¬
ner untergegangenen Cultur herstammte. Den

ren empiriſchen Erklaͤrungsalten betrifft, de¬
ren einige die erſte Idee von Gott oder Goͤt¬
tern aus Furcht, aus Dankbarkeit, oder an¬
dern Gemuͤthsbewegungen, andere durch eine
ſchlaue Erfindung der erſten Geſetzgeber entſte¬
hen laſſen, ſo begreifen jene die Idee Gottes
uͤberhaupt nur als die pſychologiſche Erſchei¬
nung, ſo wie dieſe weder erklaͤren, wie nur
uͤberhaupt jemand zuerſt den Gedanken gefaßt,
ſich zum Geſetzgeber eines Volkes zu machen, noch
wie er Religion insbeſondere als Schreckmittel
zu brauchen ſich einfallen laſſen konnte, ohne
zuvor die Idee derſelben aus einer andern
Quelle zu haben. Unter der Menge falſcher
und ideenloſer Verſuche der letzten Zeit ſtehen
die ſogenannten Geſchichten der Menſchheit oben
an, welche ihre Vorſtellungen von dem erſten
Zuſtand unſers Geſchlechts von den aus Rei¬
ſebeſchreibungen compilirten Zuͤgen der Rohheit
wilder Voͤlker hernehmen, welche daher auch
in ihnen die vornehmſte Rolle ſpielen. Es giebt
keinen Zuſtand der Barbarey, der nicht aus ei¬
ner untergegangenen Cultur herſtammte. Den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="168"/>
ren empiri&#x017F;chen Erkla&#x0364;rungsalten betrifft, de¬<lb/>
ren einige die er&#x017F;te Idee von Gott oder Go&#x0364;<lb/>
tern aus Furcht, aus Dankbarkeit, oder an¬<lb/>
dern Gemu&#x0364;thsbewegungen, andere durch eine<lb/>
&#x017F;chlaue Erfindung der er&#x017F;ten Ge&#x017F;etzgeber ent&#x017F;te¬<lb/>
hen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o begreifen jene die Idee Gottes<lb/>
u&#x0364;berhaupt nur als die p&#x017F;ychologi&#x017F;che Er&#x017F;chei¬<lb/>
nung, &#x017F;o wie die&#x017F;e weder erkla&#x0364;ren, wie nur<lb/>
u&#x0364;berhaupt jemand zuer&#x017F;t den Gedanken gefaßt,<lb/>
&#x017F;ich zum Ge&#x017F;etzgeber eines Volkes zu machen, noch<lb/>
wie er Religion insbe&#x017F;ondere als Schreckmittel<lb/>
zu brauchen &#x017F;ich einfallen la&#x017F;&#x017F;en konnte, ohne<lb/>
zuvor die Idee der&#x017F;elben aus einer andern<lb/>
Quelle zu haben. Unter der Menge fal&#x017F;cher<lb/>
und ideenlo&#x017F;er Ver&#x017F;uche der letzten Zeit &#x017F;tehen<lb/>
die &#x017F;ogenannten Ge&#x017F;chichten der Men&#x017F;chheit oben<lb/>
an, welche ihre Vor&#x017F;tellungen von dem er&#x017F;ten<lb/>
Zu&#x017F;tand un&#x017F;ers Ge&#x017F;chlechts von den aus Rei¬<lb/>
&#x017F;ebe&#x017F;chreibungen compilirten Zu&#x0364;gen der Rohheit<lb/>
wilder Vo&#x0364;lker hernehmen, welche daher auch<lb/>
in ihnen die vornehm&#x017F;te Rolle &#x017F;pielen. Es giebt<lb/>
keinen Zu&#x017F;tand der Barbarey, der nicht aus ei¬<lb/>
ner untergegangenen Cultur her&#x017F;tammte. Den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0177] ren empiriſchen Erklaͤrungsalten betrifft, de¬ ren einige die erſte Idee von Gott oder Goͤt¬ tern aus Furcht, aus Dankbarkeit, oder an¬ dern Gemuͤthsbewegungen, andere durch eine ſchlaue Erfindung der erſten Geſetzgeber entſte¬ hen laſſen, ſo begreifen jene die Idee Gottes uͤberhaupt nur als die pſychologiſche Erſchei¬ nung, ſo wie dieſe weder erklaͤren, wie nur uͤberhaupt jemand zuerſt den Gedanken gefaßt, ſich zum Geſetzgeber eines Volkes zu machen, noch wie er Religion insbeſondere als Schreckmittel zu brauchen ſich einfallen laſſen konnte, ohne zuvor die Idee derſelben aus einer andern Quelle zu haben. Unter der Menge falſcher und ideenloſer Verſuche der letzten Zeit ſtehen die ſogenannten Geſchichten der Menſchheit oben an, welche ihre Vorſtellungen von dem erſten Zuſtand unſers Geſchlechts von den aus Rei¬ ſebeſchreibungen compilirten Zuͤgen der Rohheit wilder Voͤlker hernehmen, welche daher auch in ihnen die vornehmſte Rolle ſpielen. Es giebt keinen Zuſtand der Barbarey, der nicht aus ei¬ ner untergegangenen Cultur herſtammte. Den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/177
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/177>, abgerufen am 21.11.2024.