Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

den beschränkteren Sphären des Wissens und
für den einzelnen Fall gelten, wenn man
sie auch allgemein und absolut, wie sie von der
Philosophie ausgesprochen wird, weder verste¬
hen, noch eben deswegen zugeben sollte.

Mehr oder weniger mit Bewußtseyn grün¬
det der Geometer seine Wissenschaft auf die ab¬
solute Realität des schlechthin Idealen, der,
wenn er beweist: daß in jedem möglichen Drey¬
eck alle drey Winkel zusammen zweyen rechten
gleich sind, dieses sein Wissen nicht durch Ver¬
gleichung mit concreten oder wirklichen Triangeln,
auch nicht unmittelbar von ihnen, sondern von dem
Urbild beweist: er weiß dieß unmittelbar aus
dem Wissen selbst, welches schlechthin-ideal,
und aus diesem Grunde auch schlechthin real ist.
Aber wenn man auch die Frage nach der
Möglichkeit des Wissens auf die des bloß
endlichen Wissens einschränken wollte, so
wäre selbst die Art empirischer Wahrheit,
welche dieses hat, nimmer durch irgend ein
Verhältniß zu Etwas, das man Gegenstand
nennt, -- denn wie könnte man zu diesem

den beſchraͤnkteren Sphaͤren des Wiſſens und
fuͤr den einzelnen Fall gelten, wenn man
ſie auch allgemein und abſolut, wie ſie von der
Philoſophie ausgeſprochen wird, weder verſte¬
hen, noch eben deswegen zugeben ſollte.

Mehr oder weniger mit Bewußtſeyn gruͤn¬
det der Geometer ſeine Wiſſenſchaft auf die ab¬
ſolute Realitaͤt des ſchlechthin Idealen, der,
wenn er beweiſt: daß in jedem moͤglichen Drey¬
eck alle drey Winkel zuſammen zweyen rechten
gleich ſind, dieſes ſein Wiſſen nicht durch Ver¬
gleichung mit concreten oder wirklichen Triangeln,
auch nicht unmittelbar von ihnen, ſondern von dem
Urbild beweiſt: er weiß dieß unmittelbar aus
dem Wiſſen ſelbſt, welches ſchlechthin-ideal,
und aus dieſem Grunde auch ſchlechthin real iſt.
Aber wenn man auch die Frage nach der
Moͤglichkeit des Wiſſens auf die des bloß
endlichen Wiſſens einſchraͤnken wollte, ſo
waͤre ſelbſt die Art empiriſcher Wahrheit,
welche dieſes hat, nimmer durch irgend ein
Verhaͤltniß zu Etwas, das man Gegenſtand
nennt, — denn wie koͤnnte man zu dieſem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0022" n="13"/>
den be&#x017F;chra&#x0364;nkteren Spha&#x0364;ren des Wi&#x017F;&#x017F;ens und<lb/>
fu&#x0364;r den einzelnen Fall gelten, wenn man<lb/>
&#x017F;ie auch allgemein und ab&#x017F;olut, wie &#x017F;ie von der<lb/>
Philo&#x017F;ophie ausge&#x017F;prochen wird, weder ver&#x017F;te¬<lb/>
hen, noch eben deswegen zugeben &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>Mehr oder weniger mit Bewußt&#x017F;eyn gru&#x0364;<lb/>
det der Geometer &#x017F;eine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft auf die ab¬<lb/>
&#x017F;olute Realita&#x0364;t des &#x017F;chlechthin Idealen, der,<lb/>
wenn er bewei&#x017F;t: daß in jedem mo&#x0364;glichen Drey¬<lb/>
eck alle drey Winkel zu&#x017F;ammen zweyen rechten<lb/>
gleich &#x017F;ind, die&#x017F;es &#x017F;ein Wi&#x017F;&#x017F;en nicht durch Ver¬<lb/>
gleichung mit concreten oder wirklichen Triangeln,<lb/>
auch nicht unmittelbar von ihnen, &#x017F;ondern von dem<lb/>
Urbild bewei&#x017F;t: er weiß dieß unmittelbar aus<lb/>
dem Wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t, welches &#x017F;chlechthin-ideal,<lb/>
und aus die&#x017F;em Grunde auch &#x017F;chlechthin real i&#x017F;t.<lb/>
Aber wenn man auch die Frage nach der<lb/>
Mo&#x0364;glichkeit des Wi&#x017F;&#x017F;ens auf die des bloß<lb/>
endlichen Wi&#x017F;&#x017F;ens ein&#x017F;chra&#x0364;nken wollte, &#x017F;o<lb/>
wa&#x0364;re &#x017F;elb&#x017F;t die Art empiri&#x017F;cher Wahrheit,<lb/>
welche die&#x017F;es hat, nimmer durch irgend ein<lb/>
Verha&#x0364;ltniß zu Etwas, das man Gegen&#x017F;tand<lb/>
nennt, &#x2014; denn wie ko&#x0364;nnte man zu die&#x017F;em<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0022] den beſchraͤnkteren Sphaͤren des Wiſſens und fuͤr den einzelnen Fall gelten, wenn man ſie auch allgemein und abſolut, wie ſie von der Philoſophie ausgeſprochen wird, weder verſte¬ hen, noch eben deswegen zugeben ſollte. Mehr oder weniger mit Bewußtſeyn gruͤn¬ det der Geometer ſeine Wiſſenſchaft auf die ab¬ ſolute Realitaͤt des ſchlechthin Idealen, der, wenn er beweiſt: daß in jedem moͤglichen Drey¬ eck alle drey Winkel zuſammen zweyen rechten gleich ſind, dieſes ſein Wiſſen nicht durch Ver¬ gleichung mit concreten oder wirklichen Triangeln, auch nicht unmittelbar von ihnen, ſondern von dem Urbild beweiſt: er weiß dieß unmittelbar aus dem Wiſſen ſelbſt, welches ſchlechthin-ideal, und aus dieſem Grunde auch ſchlechthin real iſt. Aber wenn man auch die Frage nach der Moͤglichkeit des Wiſſens auf die des bloß endlichen Wiſſens einſchraͤnken wollte, ſo waͤre ſelbſt die Art empiriſcher Wahrheit, welche dieſes hat, nimmer durch irgend ein Verhaͤltniß zu Etwas, das man Gegenſtand nennt, — denn wie koͤnnte man zu dieſem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/22
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/22>, abgerufen am 21.11.2024.