der Zeit, daß durch Keplers göttliches Genie jene Gesetze ausgesprochen sind, für Erkenntniß derselben geleistet, ist, wie bekannt, daß sie eine den Gründen nach ganz empirische Constru¬ ction davon versucht hat. Man kann als all¬ gemeine Regel annehmen, daß was in einer angeblichen Construction nicht reine allgemeine Form ist, auch keinen wissenschaftlichen Gehalt noch Wahrheit haben könne. Der Grund, aus welchem die Centrifugalbewegung der Weltkör¬ per abgeleitet wird, ist keine nothwendige Form, ist empirisches Factum. Die Newto¬ nische Attractivkraft, wenn sie auch für die auf dem Standpunct der Reflexion haftende Betrachtung eine nothwendige Annahme seyn mag, ist doch für die Vernunft, die nur absolute Verhältnisse kennt, und also für die Construction von keiner Bedeutung. Die Gründe der Kepler'schen Gesetze lassen sich, ohne allen empirischen Zusatz, rein aus der Lehre von den Ideen und den zwey Einhei¬ ten einsehen, die an sich selbst Eine Einheit sind, und kraft deren jedes Wesen, indem
der Zeit, daß durch Keplers goͤttliches Genie jene Geſetze ausgeſprochen ſind, fuͤr Erkenntniß derſelben geleiſtet, iſt, wie bekannt, daß ſie eine den Gruͤnden nach ganz empiriſche Conſtru¬ ction davon verſucht hat. Man kann als all¬ gemeine Regel annehmen, daß was in einer angeblichen Conſtruction nicht reine allgemeine Form iſt, auch keinen wiſſenſchaftlichen Gehalt noch Wahrheit haben koͤnne. Der Grund, aus welchem die Centrifugalbewegung der Weltkoͤr¬ per abgeleitet wird, iſt keine nothwendige Form, iſt empiriſches Factum. Die Newto¬ niſche Attractivkraft, wenn ſie auch fuͤr die auf dem Standpunct der Reflexion haftende Betrachtung eine nothwendige Annahme ſeyn mag, iſt doch fuͤr die Vernunft, die nur abſolute Verhaͤltniſſe kennt, und alſo fuͤr die Conſtruction von keiner Bedeutung. Die Gruͤnde der Kepler'ſchen Geſetze laſſen ſich, ohne allen empiriſchen Zuſatz, rein aus der Lehre von den Ideen und den zwey Einhei¬ ten einſehen, die an ſich ſelbſt Eine Einheit ſind, und kraft deren jedes Weſen, indem
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der Zeit, daß durch Keplers goͤttliches Genie
jene Geſetze ausgeſprochen ſind, fuͤr Erkenntniß
derſelben geleiſtet, iſt, wie bekannt, daß ſie
eine den Gruͤnden nach ganz empiriſche Conſtru¬
ction davon verſucht hat. Man kann als all¬
gemeine Regel annehmen, daß was in einer
angeblichen Conſtruction nicht reine allgemeine
Form iſt, auch keinen wiſſenſchaftlichen Gehalt
noch Wahrheit haben koͤnne. Der Grund, aus
welchem die Centrifugalbewegung der Weltkoͤr¬
per abgeleitet wird, iſt keine nothwendige
Form, iſt empiriſches Factum. Die Newto¬
niſche Attractivkraft, wenn ſie auch fuͤr die
auf dem Standpunct der Reflexion haftende
Betrachtung eine nothwendige Annahme ſeyn
mag, iſt doch fuͤr die Vernunft, die nur
abſolute Verhaͤltniſſe kennt, und alſo fuͤr die
Conſtruction von keiner Bedeutung. Die
Gruͤnde der Kepler'ſchen Geſetze laſſen ſich,
ohne allen empiriſchen Zuſatz, rein aus der
Lehre von den Ideen und den zwey Einhei¬
ten einſehen, die an ſich ſelbſt Eine Einheit
ſind, und kraft deren jedes Weſen, indem
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/275>, abgerufen am 24.11.2024.
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