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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

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aller Naturerscheinungen, auch der höheren
Formen, des Magnetismus, der Elektricität
u. s. w. sollte in der Chemie gegeben seyn,
und je mehr allmählig alle Naturerklärung
auf diese zurückgebracht wurde, desto mehr
verlor sie selbst die Mittel, ihre eigenen Er¬
scheinungen zu begreifen. Noch von der Ju¬
gendzeit der Wissenschaft her, wo die Ahn¬
dung der innern Einheit aller Dinge dem
menschlichen Geist näher lag, hatte die jetzige
Chemie einige bildliche Ausdrücke, wie Ver¬
wandtschaft u. a. behalten, die aber, weit
entfernt Andeutungen einer Idee zu seyn, in
ihr vielmehr nur Freystätten der Unwissenheit
wurden. Das oberste Princip und die äus¬
serste Gränze aller Erkenntniß wurde immer
mehr das, was sich durch das Gewicht er¬
kennen läßt, und jene der Natur eingebohrnen,
in ihr waltenden Geister, welche die unver¬
tilgbaren Qualitäten wirken, wurden selbst
Materien, die in Gefäßen aufgefangen und
eingesperrt werden konnten.

Ich läugne nicht, daß die neuere Che¬

aller Naturerſcheinungen, auch der hoͤheren
Formen, des Magnetismus, der Elektricitaͤt
u. ſ. w. ſollte in der Chemie gegeben ſeyn,
und je mehr allmaͤhlig alle Naturerklaͤrung
auf dieſe zuruͤckgebracht wurde, deſto mehr
verlor ſie ſelbſt die Mittel, ihre eigenen Er¬
ſcheinungen zu begreifen. Noch von der Ju¬
gendzeit der Wiſſenſchaft her, wo die Ahn¬
dung der innern Einheit aller Dinge dem
menſchlichen Geiſt naͤher lag, hatte die jetzige
Chemie einige bildliche Ausdruͤcke, wie Ver¬
wandtſchaft u. a. behalten, die aber, weit
entfernt Andeutungen einer Idee zu ſeyn, in
ihr vielmehr nur Freyſtaͤtten der Unwiſſenheit
wurden. Das oberſte Princip und die aͤuſ¬
ſerſte Graͤnze aller Erkenntniß wurde immer
mehr das, was ſich durch das Gewicht er¬
kennen laͤßt, und jene der Natur eingebohrnen,
in ihr waltenden Geiſter, welche die unver¬
tilgbaren Qualitaͤten wirken, wurden ſelbſt
Materien, die in Gefaͤßen aufgefangen und
eingeſperrt werden konnten.

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[277/0286] aller Naturerſcheinungen, auch der hoͤheren Formen, des Magnetismus, der Elektricitaͤt u. ſ. w. ſollte in der Chemie gegeben ſeyn, und je mehr allmaͤhlig alle Naturerklaͤrung auf dieſe zuruͤckgebracht wurde, deſto mehr verlor ſie ſelbſt die Mittel, ihre eigenen Er¬ ſcheinungen zu begreifen. Noch von der Ju¬ gendzeit der Wiſſenſchaft her, wo die Ahn¬ dung der innern Einheit aller Dinge dem menſchlichen Geiſt naͤher lag, hatte die jetzige Chemie einige bildliche Ausdruͤcke, wie Ver¬ wandtſchaft u. a. behalten, die aber, weit entfernt Andeutungen einer Idee zu ſeyn, in ihr vielmehr nur Freyſtaͤtten der Unwiſſenheit wurden. Das oberſte Princip und die aͤuſ¬ ſerſte Graͤnze aller Erkenntniß wurde immer mehr das, was ſich durch das Gewicht er¬ kennen laͤßt, und jene der Natur eingebohrnen, in ihr waltenden Geiſter, welche die unver¬ tilgbaren Qualitaͤten wirken, wurden ſelbſt Materien, die in Gefaͤßen aufgefangen und eingeſperrt werden konnten. Ich laͤugne nicht, daß die neuere Che¬

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/286>, abgerufen am 24.11.2024.