mie uns mit vielen Thatsachen bereichert hat, obgleich es immer wünschenswerth bleibt, daß diese neue Welt gleich anfangs durch ein hö¬ heres Organ entdeckt worden wäre, und die Einbildung lächerlich ist, in der Aneinander¬ reihung jener Thatsachen, die durch nichts als die unverständlichen Worte Stoff, Anzie¬ hung u. s. w. zusammengehalten wird, eine Theorie erlangt zu haben, da man nicht ein¬ mal einen Begriff von Qualität, von Zusam¬ mensetzung, Zerlegung u. s. w. hatte.
Es mag vortheilhaft seyn, die Chemie von der Physik abgesondert zu behandeln: aber dann muß sie auch als bloße experimen¬ tirende Kunst, ohne allen Anspruch auf Wis¬ senschaft, betrachtet werden. Die Construction der chemischen Erscheinungen gehört nicht ei¬ ner besondern S[c]ienz, sondern der allgemei¬ nen und umfassenden Wissenschaft der Natur an, in der sie nicht außer dem Zusammen¬ hang des Ganzen und als Phänomene von eigenthümlicher Gesetzmäßigkeit, sondern als
mie uns mit vielen Thatſachen bereichert hat, obgleich es immer wuͤnſchenswerth bleibt, daß dieſe neue Welt gleich anfangs durch ein hoͤ¬ heres Organ entdeckt worden waͤre, und die Einbildung laͤcherlich iſt, in der Aneinander¬ reihung jener Thatſachen, die durch nichts als die unverſtaͤndlichen Worte Stoff, Anzie¬ hung u. ſ. w. zuſammengehalten wird, eine Theorie erlangt zu haben, da man nicht ein¬ mal einen Begriff von Qualitaͤt, von Zuſam¬ menſetzung, Zerlegung u. ſ. w. hatte.
Es mag vortheilhaft ſeyn, die Chemie von der Phyſik abgeſondert zu behandeln: aber dann muß ſie auch als bloße experimen¬ tirende Kunſt, ohne allen Anſpruch auf Wiſ¬ ſenſchaft, betrachtet werden. Die Conſtruction der chemiſchen Erſcheinungen gehoͤrt nicht ei¬ ner beſondern S[c]ienz, ſondern der allgemei¬ nen und umfaſſenden Wiſſenſchaft der Natur an, in der ſie nicht außer dem Zuſammen¬ hang des Ganzen und als Phaͤnomene von eigenthuͤmlicher Geſetzmaͤßigkeit, ſondern als
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0287"n="278"/>
mie uns mit vielen Thatſachen bereichert hat,<lb/>
obgleich es immer wuͤnſchenswerth bleibt, daß<lb/>
dieſe neue Welt gleich anfangs durch ein hoͤ¬<lb/>
heres Organ entdeckt worden waͤre, und die<lb/>
Einbildung laͤcherlich iſt, in der Aneinander¬<lb/>
reihung jener Thatſachen, die durch nichts<lb/>
als die unverſtaͤndlichen Worte Stoff, Anzie¬<lb/>
hung u. ſ. w. zuſammengehalten wird, eine<lb/>
Theorie erlangt zu haben, da man nicht ein¬<lb/>
mal einen Begriff von Qualitaͤt, von Zuſam¬<lb/>
menſetzung, Zerlegung u. ſ. w. hatte.</p><lb/><p>Es mag vortheilhaft ſeyn, die Chemie<lb/>
von der Phyſik abgeſondert zu behandeln:<lb/>
aber dann muß ſie auch als bloße experimen¬<lb/>
tirende Kunſt, ohne allen Anſpruch auf Wiſ¬<lb/>ſenſchaft, betrachtet werden. Die Conſtruction<lb/>
der chemiſchen Erſcheinungen gehoͤrt nicht ei¬<lb/>
ner beſondern S<supplied>c</supplied>ienz, ſondern der allgemei¬<lb/>
nen und umfaſſenden Wiſſenſchaft der Natur<lb/>
an, in der ſie nicht außer dem Zuſammen¬<lb/>
hang des Ganzen und als Phaͤnomene von<lb/>
eigenthuͤmlicher Geſetzmaͤßigkeit, ſondern als<lb/></p></div></body></text></TEI>
[278/0287]
mie uns mit vielen Thatſachen bereichert hat,
obgleich es immer wuͤnſchenswerth bleibt, daß
dieſe neue Welt gleich anfangs durch ein hoͤ¬
heres Organ entdeckt worden waͤre, und die
Einbildung laͤcherlich iſt, in der Aneinander¬
reihung jener Thatſachen, die durch nichts
als die unverſtaͤndlichen Worte Stoff, Anzie¬
hung u. ſ. w. zuſammengehalten wird, eine
Theorie erlangt zu haben, da man nicht ein¬
mal einen Begriff von Qualitaͤt, von Zuſam¬
menſetzung, Zerlegung u. ſ. w. hatte.
Es mag vortheilhaft ſeyn, die Chemie
von der Phyſik abgeſondert zu behandeln:
aber dann muß ſie auch als bloße experimen¬
tirende Kunſt, ohne allen Anſpruch auf Wiſ¬
ſenſchaft, betrachtet werden. Die Conſtruction
der chemiſchen Erſcheinungen gehoͤrt nicht ei¬
ner beſondern Scienz, ſondern der allgemei¬
nen und umfaſſenden Wiſſenſchaft der Natur
an, in der ſie nicht außer dem Zuſammen¬
hang des Ganzen und als Phaͤnomene von
eigenthuͤmlicher Geſetzmaͤßigkeit, ſondern als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/287>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.