Lehrfach nur als besonderes kennt, und nicht fähig ist, weder das Allgemeine in ihm zu er¬ kennen, noch den Ausdruck einer universell¬ wissenschaftlichen Bildung in ihm niederzulegen, ist unwürdig, Lehrer und Bewahrer der Wis¬ senschaft zu seyn. Er wird sich auf vielfache Weise nützlich machen können, als Physiker mit Errichtung von Blitzableitern, als Astronom mit Kalendermachen, als Arzt mit der Anwen¬ dung des Galvanismus in Krankheiten oder auf welche andere Weise er will; aber der Be¬ ruf des Lehrers fodert höhere als Handwerkerta¬ lente. "Das Abpflöcken der Felder der Wissen¬ schaften, sagt Lichtenberg, mag seinen großen Nutzen haben bey der Vertheilung unter die Pächter; aber den Philosophen, der immer den Zusammenhang des Ganzen vor Augen hat, warnt seine nach Einheit strebende Vernunft bey jedem Schritte, auf keine Pflöcke zu achten, die oft Bequemlichkeit und oft Eingeschränktheit eingeschlagen haben." Ohne Zweifel war es nicht die besondere Geschicklichkeit in seiner Wis¬ senschaft, sondern das Vermögen, sie mit den
Lehrfach nur als beſonderes kennt, und nicht faͤhig iſt, weder das Allgemeine in ihm zu er¬ kennen, noch den Ausdruck einer univerſell¬ wiſſenſchaftlichen Bildung in ihm niederzulegen, iſt unwuͤrdig, Lehrer und Bewahrer der Wiſ¬ ſenſchaft zu ſeyn. Er wird ſich auf vielfache Weiſe nuͤtzlich machen koͤnnen, als Phyſiker mit Errichtung von Blitzableitern, als Aſtronom mit Kalendermachen, als Arzt mit der Anwen¬ dung des Galvanismus in Krankheiten oder auf welche andere Weiſe er will; aber der Be¬ ruf des Lehrers fodert hoͤhere als Handwerkerta¬ lente. „Das Abpfloͤcken der Felder der Wiſſen¬ ſchaften, ſagt Lichtenberg, mag ſeinen großen Nutzen haben bey der Vertheilung unter die Paͤchter; aber den Philoſophen, der immer den Zuſammenhang des Ganzen vor Augen hat, warnt ſeine nach Einheit ſtrebende Vernunft bey jedem Schritte, auf keine Pfloͤcke zu achten, die oft Bequemlichkeit und oft Eingeſchraͤnktheit eingeſchlagen haben.“ Ohne Zweifel war es nicht die beſondere Geſchicklichkeit in ſeiner Wiſ¬ ſenſchaft, ſondern das Vermoͤgen, ſie mit den
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Lehrfach nur als beſonderes kennt, und nicht
faͤhig iſt, weder das Allgemeine in ihm zu er¬
kennen, noch den Ausdruck einer univerſell¬
wiſſenſchaftlichen Bildung in ihm niederzulegen,
iſt unwuͤrdig, Lehrer und Bewahrer der Wiſ¬
ſenſchaft zu ſeyn. Er wird ſich auf vielfache
Weiſe nuͤtzlich machen koͤnnen, als Phyſiker mit
Errichtung von Blitzableitern, als Aſtronom
mit Kalendermachen, als Arzt mit der Anwen¬
dung des Galvanismus in Krankheiten oder
auf welche andere Weiſe er will; aber der Be¬
ruf des Lehrers fodert hoͤhere als Handwerkerta¬
lente. „Das Abpfloͤcken der Felder der Wiſſen¬
ſchaften, ſagt Lichtenberg, mag ſeinen großen
Nutzen haben bey der Vertheilung unter die
Paͤchter; aber den Philoſophen, der immer
den Zuſammenhang des Ganzen vor Augen hat,
warnt ſeine nach Einheit ſtrebende Vernunft
bey jedem Schritte, auf keine Pfloͤcke zu achten,
die oft Bequemlichkeit und oft Eingeſchraͤnktheit
eingeſchlagen haben.“ Ohne Zweifel war es
nicht die beſondere Geſchicklichkeit in ſeiner Wiſ¬
ſenſchaft, ſondern das Vermoͤgen, ſie mit den
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/52>, abgerufen am 22.11.2024.
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