Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

selbst. Der Zweck alles Brodstudium ist, daß
man die bloßen Resultate kennen lernt, entwe¬
der mit gänzlicher Vernachlässigung der Gründe,
oder daß man auch diese nur um eines äußeren
Zwecks willen, z. B. um bey angeordneten
Prüfungen nothdürftige Rechenschaft geben zu
können, historisch kennen lernt.

Man kann sich dazu entschließen, einzig,
weil man die Wissenschaft zu einem bloß empi¬
rischen Gebrauch erlernen will, d. h. sich selbst
bloß als Mittel betrachtet. Nun kann gewiß
niemand, der nur einen Funken von Achtung
für sich selbst hat, sich gegenüber von der Wis¬
senschaft selbst so niedrig fühlen, daß sie für ihn
nur als Abrichtung für empirische Zwecke Werth
hätte. Die nothwendigen Folgen einer solchen
Art zu studieren, sind diese.

Erstens ist es unmöglich, sich auch nur
das Empfangene richtig anzueignen, nothwen¬
dig also, daß man es falsch anwende, da der
Besitz desselben nicht auf einem lebendigen Or¬
gan der Anschauung, sondern nur auf dem Ge¬
dächtniß beruht. Wie oft senden Universitäten

ſelbſt. Der Zweck alles Brodſtudium iſt, daß
man die bloßen Reſultate kennen lernt, entwe¬
der mit gaͤnzlicher Vernachlaͤſſigung der Gruͤnde,
oder daß man auch dieſe nur um eines aͤußeren
Zwecks willen, z. B. um bey angeordneten
Pruͤfungen nothduͤrftige Rechenſchaft geben zu
koͤnnen, hiſtoriſch kennen lernt.

Man kann ſich dazu entſchließen, einzig,
weil man die Wiſſenſchaft zu einem bloß empi¬
riſchen Gebrauch erlernen will, d. h. ſich ſelbſt
bloß als Mittel betrachtet. Nun kann gewiß
niemand, der nur einen Funken von Achtung
fuͤr ſich ſelbſt hat, ſich gegenuͤber von der Wiſ¬
ſenſchaft ſelbſt ſo niedrig fuͤhlen, daß ſie fuͤr ihn
nur als Abrichtung fuͤr empiriſche Zwecke Werth
haͤtte. Die nothwendigen Folgen einer ſolchen
Art zu ſtudieren, ſind dieſe.

Erſtens iſt es unmoͤglich, ſich auch nur
das Empfangene richtig anzueignen, nothwen¬
dig alſo, daß man es falſch anwende, da der
Beſitz deſſelben nicht auf einem lebendigen Or¬
gan der Anſchauung, ſondern nur auf dem Ge¬
daͤchtniß beruht. Wie oft ſenden Univerſitaͤten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="68"/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Der Zweck alles Brod&#x017F;tudium i&#x017F;t, daß<lb/>
man die bloßen Re&#x017F;ultate kennen lernt, entwe¬<lb/>
der mit ga&#x0364;nzlicher Vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igung der Gru&#x0364;nde,<lb/>
oder daß man auch die&#x017F;e nur um eines a&#x0364;ußeren<lb/>
Zwecks willen, z. B. um bey angeordneten<lb/>
Pru&#x0364;fungen nothdu&#x0364;rftige Rechen&#x017F;chaft geben zu<lb/>
ko&#x0364;nnen, hi&#x017F;tori&#x017F;ch kennen lernt.</p><lb/>
        <p>Man kann &#x017F;ich dazu ent&#x017F;chließen, einzig,<lb/>
weil man die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zu einem bloß empi¬<lb/>
ri&#x017F;chen Gebrauch erlernen will, d. h. &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
bloß als Mittel betrachtet. Nun kann gewiß<lb/>
niemand, der nur einen Funken von Achtung<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t hat, &#x017F;ich gegenu&#x0364;ber von der Wi&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o niedrig fu&#x0364;hlen, daß &#x017F;ie fu&#x0364;r ihn<lb/>
nur als Abrichtung fu&#x0364;r empiri&#x017F;che Zwecke Werth<lb/>
ha&#x0364;tte. Die nothwendigen Folgen einer &#x017F;olchen<lb/>
Art zu &#x017F;tudieren, &#x017F;ind die&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Er&#x017F;tens i&#x017F;t es unmo&#x0364;glich, &#x017F;ich auch nur<lb/>
das Empfangene richtig anzueignen, nothwen¬<lb/>
dig al&#x017F;o, daß man es fal&#x017F;ch anwende, da der<lb/>
Be&#x017F;itz de&#x017F;&#x017F;elben nicht auf einem lebendigen Or¬<lb/>
gan der An&#x017F;chauung, &#x017F;ondern nur auf dem Ge¬<lb/>
da&#x0364;chtniß beruht. Wie oft &#x017F;enden Univer&#x017F;ita&#x0364;ten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0077] ſelbſt. Der Zweck alles Brodſtudium iſt, daß man die bloßen Reſultate kennen lernt, entwe¬ der mit gaͤnzlicher Vernachlaͤſſigung der Gruͤnde, oder daß man auch dieſe nur um eines aͤußeren Zwecks willen, z. B. um bey angeordneten Pruͤfungen nothduͤrftige Rechenſchaft geben zu koͤnnen, hiſtoriſch kennen lernt. Man kann ſich dazu entſchließen, einzig, weil man die Wiſſenſchaft zu einem bloß empi¬ riſchen Gebrauch erlernen will, d. h. ſich ſelbſt bloß als Mittel betrachtet. Nun kann gewiß niemand, der nur einen Funken von Achtung fuͤr ſich ſelbſt hat, ſich gegenuͤber von der Wiſ¬ ſenſchaft ſelbſt ſo niedrig fuͤhlen, daß ſie fuͤr ihn nur als Abrichtung fuͤr empiriſche Zwecke Werth haͤtte. Die nothwendigen Folgen einer ſolchen Art zu ſtudieren, ſind dieſe. Erſtens iſt es unmoͤglich, ſich auch nur das Empfangene richtig anzueignen, nothwen¬ dig alſo, daß man es falſch anwende, da der Beſitz deſſelben nicht auf einem lebendigen Or¬ gan der Anſchauung, ſondern nur auf dem Ge¬ daͤchtniß beruht. Wie oft ſenden Univerſitaͤten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/77
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/77>, abgerufen am 24.11.2024.