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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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klar, wie man Manches aus der Ferne besser sieht als aus psc_159.002
allzu großer Nähe. Kleine Pausen der Sammlung lassen der psc_159.003
Phantasie Spielraum im Gegensatz zu dem einseitigen Willen; psc_159.004
durch consequentes Zwingen kann man öfters auf einen Holzweg psc_159.005
kommen. Aber groß ist der Vortheil für die Production, wenn psc_159.006
Eins Hauptsache ist und alles Andere im Hintergrunde steht. psc_159.007
Mir sind keine Schilderungen dieses Zustandes von Seiten der psc_159.008
Dichter als Selbstbekenntnisse bekannt, obgleich es dergleichen psc_159.009
geben mag. Nachfühlen kann mans auch vom Standpunct wissenschaftlicher psc_159.010
Production. Eins hat Wissenschaft und wissenschaftliche psc_159.011
Darstellung auch heute mit dichterischer gemein: psc_159.012
beide haben die Aufgabe, Personen, Charaktere, innere Zustände psc_159.013
zu errathen, soweit sie verborgen sind, und darzustellen. psc_159.014
Das Klarwerden, das Deutlichwerden der Personen psc_159.015
und Vorgänge ist für beide dasselbe: die Menschen bewegen psc_159.016
sich vor mir, reden, handeln -- innen -- und doch nicht psc_159.017
innen -- eher außer mir.

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Das Glück dieser concentrirten, am meisten productiven psc_159.019
Stimmung hat Goethe oft geschildert, so in "Hans Sachsens psc_159.020
poetischer Sendung" und unter "Kunst" in den Gedichten psc_159.021
von 1784, auch in "Künstlers Erdenwallen".

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5. Die schaffenden Seelenkräfte.
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Ob nun unterbrochenes oder concentrirtes Arbeiten -- psc_159.024
schon aus den Betrachtungen über den Ursprung der Poesie psc_159.025
ist es wahrscheinlich, daß das poetische Schaffen eine starke psc_159.026
innere Erregung voraussetzt. Mindestens wird dies normal psc_159.027
sein; freilich giebt es Zeiten, wie den Übergang vom 17. zum

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allzu großer Nähe. Kleine Pausen der Sammlung lassen der psc_159.003
Phantasie Spielraum im Gegensatz zu dem einseitigen Willen; psc_159.004
durch consequentes Zwingen kann man öfters auf einen Holzweg psc_159.005
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  Das Glück dieser concentrirten, am meisten productiven psc_159.019
Stimmung hat Goethe oft geschildert, so in „Hans Sachsens psc_159.020
poetischer Sendung“ und unter „Kunst“ in den Gedichten psc_159.021
von 1784, auch in „Künstlers Erdenwallen“.

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5. Die schaffenden Seelenkräfte.
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  Ob nun unterbrochenes oder concentrirtes Arbeiten — psc_159.024
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[159/0175] psc_159.001 klar, wie man Manches aus der Ferne besser sieht als aus psc_159.002 allzu großer Nähe. Kleine Pausen der Sammlung lassen der psc_159.003 Phantasie Spielraum im Gegensatz zu dem einseitigen Willen; psc_159.004 durch consequentes Zwingen kann man öfters auf einen Holzweg psc_159.005 kommen. Aber groß ist der Vortheil für die Production, wenn psc_159.006 Eins Hauptsache ist und alles Andere im Hintergrunde steht. psc_159.007 Mir sind keine Schilderungen dieses Zustandes von Seiten der psc_159.008 Dichter als Selbstbekenntnisse bekannt, obgleich es dergleichen psc_159.009 geben mag. Nachfühlen kann mans auch vom Standpunct wissenschaftlicher psc_159.010 Production. Eins hat Wissenschaft und wissenschaftliche psc_159.011 Darstellung auch heute mit dichterischer gemein: psc_159.012 beide haben die Aufgabe, Personen, Charaktere, innere Zustände psc_159.013 zu errathen, soweit sie verborgen sind, und darzustellen. psc_159.014 Das Klarwerden, das Deutlichwerden der Personen psc_159.015 und Vorgänge ist für beide dasselbe: die Menschen bewegen psc_159.016 sich vor mir, reden, handeln — innen — und doch nicht psc_159.017 innen — eher außer mir. psc_159.018   Das Glück dieser concentrirten, am meisten productiven psc_159.019 Stimmung hat Goethe oft geschildert, so in „Hans Sachsens psc_159.020 poetischer Sendung“ und unter „Kunst“ in den Gedichten psc_159.021 von 1784, auch in „Künstlers Erdenwallen“. psc_159.022 5. Die schaffenden Seelenkräfte. psc_159.023   Ob nun unterbrochenes oder concentrirtes Arbeiten — psc_159.024 schon aus den Betrachtungen über den Ursprung der Poesie psc_159.025 ist es wahrscheinlich, daß das poetische Schaffen eine starke psc_159.026 innere Erregung voraussetzt. Mindestens wird dies normal psc_159.027 sein; freilich giebt es Zeiten, wie den Übergang vom 17. zum

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/175>, abgerufen am 21.11.2024.