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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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Helena im "Faust". Am Jndividuum werden die psc_231.002
Züge hervorgehoben, welche der Einzelne gemein hat mit psc_231.003
solchen Leuten, die zu demselben Typus gehören, d. h., namentlich psc_231.004
bei Goethe, die in denselben bürgerlichen sittlichen psc_231.005
Familien-Verhältnissen stehn. Die bleibenden Verhältnisse der psc_231.006
Menschheit, das typische Gepräge in den sittlichen Dingen psc_231.007
-- das wird in der Charakteristik herausgearbeitet. Die psc_231.008
Menschen werden also dargestellt nicht bloß nach ihren psc_231.009
sittlichen Eigenschaften, sondern auch nach ihrer Stellung in psc_231.010
der Welt u. s. w. So der Herzog in der "Natürlichen psc_231.011
Tochter": betont ist seine Eigenschaft als Vater. "Hermann psc_231.012
und Dorothea" zeigt die Charaktergegensätze des Entwurzelten psc_231.013
und Beharrenden, des Festhaftens an der Scholle und des nomadischen psc_231.014
Zustandes; Verhältnisse der Gegenwart klingen an psc_231.015
die Wanderung der Jsraeliten durch die Wüste an, religiöse psc_231.016
und politische Verfolgung u. s. w. Die Beleuchtung hebt nun psc_231.017
diesen bleibenden Gegensatz voll hervor. Goethe nimmt also psc_231.018
Gestalten aus der Gegenwart heraus und nimmt doch Verhältnisse, psc_231.019
welche schon in den Uranfängen der Menschheit walteten. psc_231.020
Außerdem aber stehen volle Jndividuen vor uns, und es psc_231.021
könnten auch Portraits sein; aber das Jndividuum repräsentirt psc_231.022
zugleich einen Typus der Menschheit. -- Oder in den psc_231.023
"Wahlverwandtschaften": die Begehrlichen und die Entsagenden. psc_231.024
Das Entsagen ist verkörpert an der höchst eigenartigen Figur psc_231.025
der Ottilie, die als geistig Blinde (Motiv der körperlich psc_231.026
blinden heiligen Ottilie im Elsaß) begehrend auftritt, sehend psc_231.027
entsagt; Eduard nur begehrend, Charlotte und der Hauptmann psc_231.028
entsagend. -- So ist der Helenaact im "Faust" auf den

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Helena im „Faust“. Am Jndividuum werden die psc_231.002
Züge hervorgehoben, welche der Einzelne gemein hat mit psc_231.003
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Familien-Verhältnissen stehn. Die bleibenden Verhältnisse der psc_231.006
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Menschen werden also dargestellt nicht bloß nach ihren psc_231.009
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Tochter“: betont ist seine Eigenschaft als Vater. „Hermann psc_231.012
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[231/0247] psc_231.001 Helena im „Faust“. Am Jndividuum werden die psc_231.002 Züge hervorgehoben, welche der Einzelne gemein hat mit psc_231.003 solchen Leuten, die zu demselben Typus gehören, d. h., namentlich psc_231.004 bei Goethe, die in denselben bürgerlichen sittlichen psc_231.005 Familien-Verhältnissen stehn. Die bleibenden Verhältnisse der psc_231.006 Menschheit, das typische Gepräge in den sittlichen Dingen psc_231.007 — das wird in der Charakteristik herausgearbeitet. Die psc_231.008 Menschen werden also dargestellt nicht bloß nach ihren psc_231.009 sittlichen Eigenschaften, sondern auch nach ihrer Stellung in psc_231.010 der Welt u. s. w. So der Herzog in der „Natürlichen psc_231.011 Tochter“: betont ist seine Eigenschaft als Vater. „Hermann psc_231.012 und Dorothea“ zeigt die Charaktergegensätze des Entwurzelten psc_231.013 und Beharrenden, des Festhaftens an der Scholle und des nomadischen psc_231.014 Zustandes; Verhältnisse der Gegenwart klingen an psc_231.015 die Wanderung der Jsraeliten durch die Wüste an, religiöse psc_231.016 und politische Verfolgung u. s. w. Die Beleuchtung hebt nun psc_231.017 diesen bleibenden Gegensatz voll hervor. Goethe nimmt also psc_231.018 Gestalten aus der Gegenwart heraus und nimmt doch Verhältnisse, psc_231.019 welche schon in den Uranfängen der Menschheit walteten. psc_231.020 Außerdem aber stehen volle Jndividuen vor uns, und es psc_231.021 könnten auch Portraits sein; aber das Jndividuum repräsentirt psc_231.022 zugleich einen Typus der Menschheit. — Oder in den psc_231.023 „Wahlverwandtschaften“: die Begehrlichen und die Entsagenden. psc_231.024 Das Entsagen ist verkörpert an der höchst eigenartigen Figur psc_231.025 der Ottilie, die als geistig Blinde (Motiv der körperlich psc_231.026 blinden heiligen Ottilie im Elsaß) begehrend auftritt, sehend psc_231.027 entsagt; Eduard nur begehrend, Charlotte und der Hauptmann psc_231.028 entsagend. — So ist der Helenaact im „Faust“ auf den

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/247>, abgerufen am 23.11.2024.