Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_238.001 psc_238.004 B. Fictionen. psc_238.005 Die Poesie bedient sich zuweilen conventioneller Annahmen, psc_238.006 Es giebt einige Menschen, welche die Gewohnheit haben, psc_238.010 Unter den Menschen, die die Gewohnheit haben, mit psc_238.018 psc_238.001 psc_238.004 B. Fictionen. psc_238.005 Die Poesie bedient sich zuweilen conventioneller Annahmen, psc_238.006 Es giebt einige Menschen, welche die Gewohnheit haben, psc_238.010 Unter den Menschen, die die Gewohnheit haben, mit psc_238.018 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0254" n="238"/><lb n="psc_238.001"/> Untreue hervorgeht, in der vierten steht die treu Liebende <lb n="psc_238.002"/> auf der Warte... So kann aus einzelnen Worten indirect <lb n="psc_238.003"/> eine ganze Reihe von Handlungen herausgelesen werden.</p> </div> <div n="3"> <lb n="psc_238.004"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">B</hi>. <hi rendition="#g">Fictionen.</hi></hi> </head> <lb n="psc_238.005"/> <p> Die Poesie bedient sich zuweilen conventioneller Annahmen, <lb n="psc_238.006"/> daß etwas möglich sei (das in Poesie Vorgeführte als <lb n="psc_238.007"/> wirklich vorausgesetzt), was in Wirklichkeit überhaupt nicht <lb n="psc_238.008"/> oder doch nicht in dieser Form möglich ist.</p> <lb n="psc_238.009"/> <p> Es giebt einige Menschen, welche die Gewohnheit haben, <lb n="psc_238.010"/> laut mit sich selbst zu reden; die Poesie setzt im Drama <lb n="psc_238.011"/> voraus, daß alle Menschen diese Gewohnheit haben. Wenige <lb n="psc_238.012"/> Menschen haben die Gabe, sich selbst oder Andern gegenüber <lb n="psc_238.013"/> einen klaren Bericht über die Vorgänge in ihrer eigenen <lb n="psc_238.014"/> Brust zu geben; nur wenige wissen sich zusammenhängend <lb n="psc_238.015"/> über innere Zustände auszudrücken: die Poeten fingiren <lb n="psc_238.016"/> Beides.</p> <lb n="psc_238.017"/> <p> Unter den Menschen, die die Gewohnheit haben, mit <lb n="psc_238.018"/> sich selbst zu sprechen, wird wohl niemand im Selbstgespräch <lb n="psc_238.019"/> sich Dinge vorsagen, die er längst weiß, oder vollends sich <lb n="psc_238.020"/> sagen, wer er selbst sei. Aber eine dramatische Technik, <lb n="psc_238.021"/> allerdings früherer Zeit, gestattet Eingangsmonologe, in <lb n="psc_238.022"/> denen das geschieht, wo die Personen sich selbst vorstellen. Auch <lb n="psc_238.023"/> Tieck hat sich das noch erlaubt. Es ist kindlich, wenn Einer <lb n="psc_238.024"/> gar erzählt: „Jch bin der wackre Bonifacius“, obwohl es ja <lb n="psc_238.025"/> vorkommt, daß jemand sich sagt: Jch bin ein famoser Kerl. <lb n="psc_238.026"/> Die Personen reden also eigentlich zum Publicum, das aber <lb n="psc_238.027"/> doch nicht mitspielt. Alles Reden zum Publicum ist ein </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0254]
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Untreue hervorgeht, in der vierten steht die treu Liebende psc_238.002
auf der Warte... So kann aus einzelnen Worten indirect psc_238.003
eine ganze Reihe von Handlungen herausgelesen werden.
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B. Fictionen. psc_238.005
Die Poesie bedient sich zuweilen conventioneller Annahmen, psc_238.006
daß etwas möglich sei (das in Poesie Vorgeführte als psc_238.007
wirklich vorausgesetzt), was in Wirklichkeit überhaupt nicht psc_238.008
oder doch nicht in dieser Form möglich ist.
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Es giebt einige Menschen, welche die Gewohnheit haben, psc_238.010
laut mit sich selbst zu reden; die Poesie setzt im Drama psc_238.011
voraus, daß alle Menschen diese Gewohnheit haben. Wenige psc_238.012
Menschen haben die Gabe, sich selbst oder Andern gegenüber psc_238.013
einen klaren Bericht über die Vorgänge in ihrer eigenen psc_238.014
Brust zu geben; nur wenige wissen sich zusammenhängend psc_238.015
über innere Zustände auszudrücken: die Poeten fingiren psc_238.016
Beides.
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Unter den Menschen, die die Gewohnheit haben, mit psc_238.018
sich selbst zu sprechen, wird wohl niemand im Selbstgespräch psc_238.019
sich Dinge vorsagen, die er längst weiß, oder vollends sich psc_238.020
sagen, wer er selbst sei. Aber eine dramatische Technik, psc_238.021
allerdings früherer Zeit, gestattet Eingangsmonologe, in psc_238.022
denen das geschieht, wo die Personen sich selbst vorstellen. Auch psc_238.023
Tieck hat sich das noch erlaubt. Es ist kindlich, wenn Einer psc_238.024
gar erzählt: „Jch bin der wackre Bonifacius“, obwohl es ja psc_238.025
vorkommt, daß jemand sich sagt: Jch bin ein famoser Kerl. psc_238.026
Die Personen reden also eigentlich zum Publicum, das aber psc_238.027
doch nicht mitspielt. Alles Reden zum Publicum ist ein
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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