Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_254.001 Ein wichtiger Theil der Composition ist die Exposition, psc_254.002 Eine allgemeine Regel ist, daß Steigerung günstig psc_254.013 Jn der Lyrik ist es ein wesentlicher Unterschied, ob der psc_254.020 Hier schlägt die Betrachtung von Goethe zur Lehre von psc_254.027 psc_254.001 Ein wichtiger Theil der Composition ist die Exposition, psc_254.002 Eine allgemeine Regel ist, daß Steigerung günstig psc_254.013 Jn der Lyrik ist es ein wesentlicher Unterschied, ob der psc_254.020 Hier schlägt die Betrachtung von Goethe zur Lehre von psc_254.027 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0270" n="254"/> <lb n="psc_254.001"/> <p> Ein wichtiger Theil der Composition ist die Exposition, <lb n="psc_254.002"/> und sie spielt keineswegs bloß für das Drama, sondern fast <lb n="psc_254.003"/> in aller Poesie eine Rolle. Es müßte wenigstens besonders <lb n="psc_254.004"/> untersucht werden, in welchen Fällen Exposition nicht nöthig. <lb n="psc_254.005"/> Jm Gelegenheitsgedicht ist sie überflüssig: diese Gelegenheit <lb n="psc_254.006"/> ist jedermann gegenwärtig. Jn vielen Epigrammen kann <lb n="psc_254.007"/> die Exposition entbehrt werden, wenn sie wirklich auf dem <lb n="psc_254.008"/> Gegenstand stehen, dem sie gelten; aber wenn sie im Buch <lb n="psc_254.009"/> erscheinen, muß dies durch Überschrift hinzugefügt werden. Und <lb n="psc_254.010"/> so vertreten häufig die Überschriften, zuweilen schon die <lb n="psc_254.011"/> Büchertitel die Exposition.</p> <lb n="psc_254.012"/> <p> Eine allgemeine Regel ist, daß Steigerung günstig <lb n="psc_254.013"/> wirkt. Diese Empfehlung der Steigerung ergiebt sich aus <lb n="psc_254.014"/> der Lehre vom Publicum, speciell von der Aufmerksamkeit. <lb n="psc_254.015"/> Das Theaterpublicum ist im Anfang williger Thatsachen <lb n="psc_254.016"/> hinzunehmen, gegen Ende hin schwieriger zu fesseln: und <lb n="psc_254.017"/> gegen Ende hin herrscht auch mehr Ungeduld, fertig zu <lb n="psc_254.018"/> werden; deßhalb muß die Handlung rascher verlaufen.</p> <lb n="psc_254.019"/> <p> Jn der Lyrik ist es ein wesentlicher Unterschied, ob der <lb n="psc_254.020"/> Eingang ausgebildet wird, wie im deutschen Volkslied des <lb n="psc_254.021"/> 14. und 15. Jahrhunderts; oder ob eine Schlußpointe gesucht <lb n="psc_254.022"/> wird, wie in der galanten Lyrik des 17. Jahrhunderts. <lb n="psc_254.023"/> Dort ist die Meinung: vor allem gewinnen! hier ist Steigerung <lb n="psc_254.024"/> erwünscht, Spannung auf den Schluß; dort auf Melodie <lb n="psc_254.025"/> gerechnet, hier im allgemeinen eine Lesepoesie gemeint.</p> <lb n="psc_254.026"/> <p> Hier schlägt die Betrachtung von Goethe zur Lehre von <lb n="psc_254.027"/> der Composition im Aufsatz über epische und dramatische <lb n="psc_254.028"/> Dichtung (Hempel 29, 224) ein:</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [254/0270]
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Ein wichtiger Theil der Composition ist die Exposition, psc_254.002
und sie spielt keineswegs bloß für das Drama, sondern fast psc_254.003
in aller Poesie eine Rolle. Es müßte wenigstens besonders psc_254.004
untersucht werden, in welchen Fällen Exposition nicht nöthig. psc_254.005
Jm Gelegenheitsgedicht ist sie überflüssig: diese Gelegenheit psc_254.006
ist jedermann gegenwärtig. Jn vielen Epigrammen kann psc_254.007
die Exposition entbehrt werden, wenn sie wirklich auf dem psc_254.008
Gegenstand stehen, dem sie gelten; aber wenn sie im Buch psc_254.009
erscheinen, muß dies durch Überschrift hinzugefügt werden. Und psc_254.010
so vertreten häufig die Überschriften, zuweilen schon die psc_254.011
Büchertitel die Exposition.
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Eine allgemeine Regel ist, daß Steigerung günstig psc_254.013
wirkt. Diese Empfehlung der Steigerung ergiebt sich aus psc_254.014
der Lehre vom Publicum, speciell von der Aufmerksamkeit. psc_254.015
Das Theaterpublicum ist im Anfang williger Thatsachen psc_254.016
hinzunehmen, gegen Ende hin schwieriger zu fesseln: und psc_254.017
gegen Ende hin herrscht auch mehr Ungeduld, fertig zu psc_254.018
werden; deßhalb muß die Handlung rascher verlaufen.
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Jn der Lyrik ist es ein wesentlicher Unterschied, ob der psc_254.020
Eingang ausgebildet wird, wie im deutschen Volkslied des psc_254.021
14. und 15. Jahrhunderts; oder ob eine Schlußpointe gesucht psc_254.022
wird, wie in der galanten Lyrik des 17. Jahrhunderts. psc_254.023
Dort ist die Meinung: vor allem gewinnen! hier ist Steigerung psc_254.024
erwünscht, Spannung auf den Schluß; dort auf Melodie psc_254.025
gerechnet, hier im allgemeinen eine Lesepoesie gemeint.
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Hier schlägt die Betrachtung von Goethe zur Lehre von psc_254.027
der Composition im Aufsatz über epische und dramatische psc_254.028
Dichtung (Hempel 29, 224) ein:
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