Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_023.001 Wie zur Zeit des Epos die gebundene Poesie überwog, psc_023.007 Die ältesten griechischen Philosophen trugen ihre Lehre psc_023.018 Ebenso ist es bei allen übrigen Völkern: die Gesetze psc_023.023 psc_023.001 Wie zur Zeit des Epos die gebundene Poesie überwog, psc_023.007 Die ältesten griechischen Philosophen trugen ihre Lehre psc_023.018 Ebenso ist es bei allen übrigen Völkern: die Gesetze psc_023.023 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0039" n="23"/><lb n="psc_023.001"/> bethätigt. Doch ist die Zeit, in welcher die Prosa-Erzählung <lb n="psc_023.002"/> litterarisch wird, sonst erst eine verhältnißmäßig späte; die <lb n="psc_023.003"/> deutschen Verhältnisse sind hier nicht maßgebend, weil die <lb n="psc_023.004"/> Übertragung von Rom aus, die Übersetzungslitteratur eine <lb n="psc_023.005"/> raschere Gestaltung der Novelle bewirkt.</p> <lb n="psc_023.006"/> <p> Wie zur Zeit des Epos die gebundene Poesie überwog, <lb n="psc_023.007"/> so greift später die ungebundene Rede um sich. Die ungebundene <lb n="psc_023.008"/> Rede ist nach und nach fast auf alle Gebiete <lb n="psc_023.009"/> der gebundenen vorgedrungen. Der Moment, wo wir die <lb n="psc_023.010"/> Prosa umfassender auftreten sehen, ist für Deutschland <lb n="psc_023.011"/> das dreizehnte Jahrhundert, wenn wir eben von Übersetzungen <lb n="psc_023.012"/> absehen. So lange muß das Märchen ohne Aufzeichnung <lb n="psc_023.013"/> fortdauern. Aber noch im fünfzehnten, sechszehnten, <lb n="psc_023.014"/> ja achtzehnten Jahrhundert finden neue Schritte in <lb n="psc_023.015"/> dieser Richtung statt: Gattungen fallen der ungebundenen <lb n="psc_023.016"/> Rede zu, die vorher nur als Poesie verfaßt wurden.</p> <lb n="psc_023.017"/> <p> Die ältesten griechischen Philosophen trugen ihre Lehre <lb n="psc_023.018"/> in Versen vor. Das Lehrgedicht ist also älter als die wissenschaftliche <lb n="psc_023.019"/> Prosa. Die Prosarede übernimmt die Aufgabe, <lb n="psc_023.020"/> die Ansichten von der Welt und von Gott dem Volk zu <lb n="psc_023.021"/> übermitteln.</p> <lb n="psc_023.022"/> <p> Ebenso ist es bei allen übrigen Völkern: die Gesetze <lb n="psc_023.023"/> sind ursprünglich in Versen aufgeschrieben, dann werden sie <lb n="psc_023.024"/> prosaisch. Von den Jnschriften sind vermuthlich die in poetischer <lb n="psc_023.025"/> Form die älteren: daher die griechische Gattung des Epigramms. <lb n="psc_023.026"/> Das Epos ward durch die Geschichtschreibung <lb n="psc_023.027"/> abgelöst. Jn Deutschland gehen die Reimchroniken bis ins </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0039]
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bethätigt. Doch ist die Zeit, in welcher die Prosa-Erzählung psc_023.002
litterarisch wird, sonst erst eine verhältnißmäßig späte; die psc_023.003
deutschen Verhältnisse sind hier nicht maßgebend, weil die psc_023.004
Übertragung von Rom aus, die Übersetzungslitteratur eine psc_023.005
raschere Gestaltung der Novelle bewirkt.
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Wie zur Zeit des Epos die gebundene Poesie überwog, psc_023.007
so greift später die ungebundene Rede um sich. Die ungebundene psc_023.008
Rede ist nach und nach fast auf alle Gebiete psc_023.009
der gebundenen vorgedrungen. Der Moment, wo wir die psc_023.010
Prosa umfassender auftreten sehen, ist für Deutschland psc_023.011
das dreizehnte Jahrhundert, wenn wir eben von Übersetzungen psc_023.012
absehen. So lange muß das Märchen ohne Aufzeichnung psc_023.013
fortdauern. Aber noch im fünfzehnten, sechszehnten, psc_023.014
ja achtzehnten Jahrhundert finden neue Schritte in psc_023.015
dieser Richtung statt: Gattungen fallen der ungebundenen psc_023.016
Rede zu, die vorher nur als Poesie verfaßt wurden.
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Die ältesten griechischen Philosophen trugen ihre Lehre psc_023.018
in Versen vor. Das Lehrgedicht ist also älter als die wissenschaftliche psc_023.019
Prosa. Die Prosarede übernimmt die Aufgabe, psc_023.020
die Ansichten von der Welt und von Gott dem Volk zu psc_023.021
übermitteln.
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Ebenso ist es bei allen übrigen Völkern: die Gesetze psc_023.023
sind ursprünglich in Versen aufgeschrieben, dann werden sie psc_023.024
prosaisch. Von den Jnschriften sind vermuthlich die in poetischer psc_023.025
Form die älteren: daher die griechische Gattung des Epigramms. psc_023.026
Das Epos ward durch die Geschichtschreibung psc_023.027
abgelöst. Jn Deutschland gehen die Reimchroniken bis ins
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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