Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_027.001 Thümmels "Wilhelmine" ist ein recht gutes Beispiel für psc_027.005 So könnte man sich z. B. eine Geschichtschreibung psc_027.014 So gut man die dramatische, dialogische Form für geschichtliche psc_027.019 psc_027.001 Thümmels „Wilhelmine“ ist ein recht gutes Beispiel für psc_027.005 So könnte man sich z. B. eine Geschichtschreibung psc_027.014 So gut man die dramatische, dialogische Form für geschichtliche psc_027.019 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0043" n="27"/><lb n="psc_027.001"/> Prosa gäbe. Alle lyrischen Gattungen könnten auch in <lb n="psc_027.002"/> Prosa versucht werden ohne den Zwang von Metrum und <lb n="psc_027.003"/> Reim.</p> <lb n="psc_027.004"/> <p> Thümmels „Wilhelmine“ ist ein recht gutes Beispiel für <lb n="psc_027.005"/> mancherlei ähnlich denkbares. Derselbe Stoff konnte als <lb n="psc_027.006"/> Novelle behandelt werden, Thümmel hat ihn aber keineswegs <lb n="psc_027.007"/> so behandelt: vielmehr sieht jeder gleich, daß es ein prosaisches <lb n="psc_027.008"/> komisches Epos ist, d. h. in bestimmter Manier des Vortrags, <lb n="psc_027.009"/> wobei die technischen Mittel der Epopöe alle, nur in ungebundener <lb n="psc_027.010"/> Rede, auf kleinere Situationen angewandt werden. <lb n="psc_027.011"/> Thümmel hat aber keine Nachfolger gefunden; so steht dies <lb n="psc_027.012"/> Werk vereinzelt und zeigt wie viel ein Einzelner thun kann.</p> <lb n="psc_027.013"/> <p> So könnte man sich z. B. eine Geschichtschreibung <lb n="psc_027.014"/> denken im Stil der Epopöe, mit den Darstellungsmitteln der <lb n="psc_027.015"/> Epopöe, aber nicht in Versen. Wenn sich ein solches Werk <lb n="psc_027.016"/> treu an die Überlieferung hielte, wäre es doch kein historischer <lb n="psc_027.017"/> Roman.</p> <lb n="psc_027.018"/> <p> So gut man die dramatische, dialogische Form für geschichtliche <lb n="psc_027.019"/> Darstellung benutzt hat, also Lesedramen mit <lb n="psc_027.020"/> historiographischer Absicht, so gut sind auch hier und anderwärts <lb n="psc_027.021"/> noch manche Mischformen denkbar. So könnte z. B. <lb n="psc_027.022"/> auch das Lehrgedicht prosaisch behandelt werden und doch so, <lb n="psc_027.023"/> daß gar keiner in Versuchung käme es als wissenschaftliche <lb n="psc_027.024"/> Untersuchung zu denken; freilich der Ton der Untersuchung <lb n="psc_027.025"/> müßte bleiben und alle Resultate gegeben werden. So etwa die <lb n="psc_027.026"/> Geschichte der Entstehung der Welt nach Laplace und Kant, <lb n="psc_027.027"/> der Entstehung der Wesen nach Darwin. Wir können deswegen <lb n="psc_027.028"/> auch nicht behaupten, daß für irgend eine Gattung </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0043]
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Prosa gäbe. Alle lyrischen Gattungen könnten auch in psc_027.002
Prosa versucht werden ohne den Zwang von Metrum und psc_027.003
Reim.
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Thümmels „Wilhelmine“ ist ein recht gutes Beispiel für psc_027.005
mancherlei ähnlich denkbares. Derselbe Stoff konnte als psc_027.006
Novelle behandelt werden, Thümmel hat ihn aber keineswegs psc_027.007
so behandelt: vielmehr sieht jeder gleich, daß es ein prosaisches psc_027.008
komisches Epos ist, d. h. in bestimmter Manier des Vortrags, psc_027.009
wobei die technischen Mittel der Epopöe alle, nur in ungebundener psc_027.010
Rede, auf kleinere Situationen angewandt werden. psc_027.011
Thümmel hat aber keine Nachfolger gefunden; so steht dies psc_027.012
Werk vereinzelt und zeigt wie viel ein Einzelner thun kann.
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So könnte man sich z. B. eine Geschichtschreibung psc_027.014
denken im Stil der Epopöe, mit den Darstellungsmitteln der psc_027.015
Epopöe, aber nicht in Versen. Wenn sich ein solches Werk psc_027.016
treu an die Überlieferung hielte, wäre es doch kein historischer psc_027.017
Roman.
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So gut man die dramatische, dialogische Form für geschichtliche psc_027.019
Darstellung benutzt hat, also Lesedramen mit psc_027.020
historiographischer Absicht, so gut sind auch hier und anderwärts psc_027.021
noch manche Mischformen denkbar. So könnte z. B. psc_027.022
auch das Lehrgedicht prosaisch behandelt werden und doch so, psc_027.023
daß gar keiner in Versuchung käme es als wissenschaftliche psc_027.024
Untersuchung zu denken; freilich der Ton der Untersuchung psc_027.025
müßte bleiben und alle Resultate gegeben werden. So etwa die psc_027.026
Geschichte der Entstehung der Welt nach Laplace und Kant, psc_027.027
der Entstehung der Wesen nach Darwin. Wir können deswegen psc_027.028
auch nicht behaupten, daß für irgend eine Gattung
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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