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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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alles in Knittelversen abgehandelt: alle Fastnachtspiele, alle psc_026.002
Tragödien und eine Menge didaktischer Gattungen! Für das psc_026.003
Drama wurde schon am Schluß des 16. bez. im 17. Jahrhundert psc_026.004
die Prosa durch die englischen Komödianten eingeführt; psc_026.005
im 18. Jahrhundert tritt sie auch da ein, wo bis psc_026.006
dahin noch der Alexandriner geherrscht hatte: prosaische Tragödie.

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Ebenso auf andern Gebieten: gegenüber der gereimten psc_026.009
Fabel von Gellert u. A. erneuert Lessing die Prosafabel; er psc_026.010
hat auch sogenannte prosaische Oden verfaßt, eigentlich freilich psc_026.011
nur Gerippe von Oden. Bei Novalis finden wir prosaische psc_026.012
Hymnen, und diese sind trotz der prosaischen Form höchst psc_026.013
poetisch. Sehr merkwürdig ist die prosaische Auflösung der psc_026.014
komischen Epopöe in Thümmels "Wilhelmine".

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Noch etwas anderes: die Psalmen wirken auf uns als psc_026.016
Prosa, und so waren sie schon im Mittelalter das gelesenste psc_026.017
Buch; und doch sind sie voll hoher schöner lyrischer Poesie. psc_026.018
Dies wäre denn also prosaische Lyrik. Und die Psalmen psc_026.019
werden nun auch componirt, vollständig oder einzelne Verse: psc_026.020
das ist also gesungene Prosa! Überhaupt wurden Bibelstellen psc_026.021
componirt, während die recitativische Prosa schon älter ist, psc_026.022
ja in der Kirche uralt als Psalmodie, gregorianischer Gesang.

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Dies sind einige von den historischen Beispielen. Man psc_026.024
könnte sich aber noch mancherlei Gattungen construiren, psc_026.025
mancherlei denken was in Wirklichkeit bis jetzt nicht eingetreten, psc_026.026
oder wovon ich wenigstens nicht weiß daß es eingetreten. psc_026.027
Aber dergleichen könnte sehr wohl noch eintreten. psc_026.028
Namentlich ist es denkbar, daß es eine vollständige Lyrik in

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alles in Knittelversen abgehandelt: alle Fastnachtspiele, alle psc_026.002
Tragödien und eine Menge didaktischer Gattungen! Für das psc_026.003
Drama wurde schon am Schluß des 16. bez. im 17. Jahrhundert psc_026.004
die Prosa durch die englischen Komödianten eingeführt; psc_026.005
im 18. Jahrhundert tritt sie auch da ein, wo bis psc_026.006
dahin noch der Alexandriner geherrscht hatte: prosaische Tragödie.

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  Ebenso auf andern Gebieten: gegenüber der gereimten psc_026.009
Fabel von Gellert u. A. erneuert Lessing die Prosafabel; er psc_026.010
hat auch sogenannte prosaische Oden verfaßt, eigentlich freilich psc_026.011
nur Gerippe von Oden. Bei Novalis finden wir prosaische psc_026.012
Hymnen, und diese sind trotz der prosaischen Form höchst psc_026.013
poetisch. Sehr merkwürdig ist die prosaische Auflösung der psc_026.014
komischen Epopöe in Thümmels „Wilhelmine“.

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  Noch etwas anderes: die Psalmen wirken auf uns als psc_026.016
Prosa, und so waren sie schon im Mittelalter das gelesenste psc_026.017
Buch; und doch sind sie voll hoher schöner lyrischer Poesie. psc_026.018
Dies wäre denn also prosaische Lyrik. Und die Psalmen psc_026.019
werden nun auch componirt, vollständig oder einzelne Verse: psc_026.020
das ist also gesungene Prosa! Überhaupt wurden Bibelstellen psc_026.021
componirt, während die recitativische Prosa schon älter ist, psc_026.022
ja in der Kirche uralt als Psalmodie, gregorianischer Gesang.

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  Dies sind einige von den historischen Beispielen. Man psc_026.024
könnte sich aber noch mancherlei Gattungen construiren, psc_026.025
mancherlei denken was in Wirklichkeit bis jetzt nicht eingetreten, psc_026.026
oder wovon ich wenigstens nicht weiß daß es eingetreten. psc_026.027
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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/42>, abgerufen am 21.11.2024.