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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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gum von sich lasset/ welcher Fluß bald bey der Ziegelbrugg in die Linth
fliesset/ und also die Limmath/ oder Limagum außmachet. Auf disem
See wäyen gewisse Winde/ nach welchen sich die Schiffleuthe zu grossem
ihrem/ und der Reisenden Nutzen zurichten wissen. Morgens frühe vor/
und bey der Sonnen Aufgang fanget an gemächlich blasen der Ober- oder
Ostwind/
welcher auch sonsten der Heuwetter-wind heisset/ weilen des
Sommers die Anwohnere bey früher erzeigung dises Winds das Graß si-
cher abmäyen/ und zur tröknung außspreiten können/ diser Wind währet bis
ohngefahr um 10. uhr vormittag/ dienet also denen/ welche von Wallenstatt
abfahren wollen gegen Wesen. Zwischen 10. und 12. uhren ist eine Windstille.
Nachmittag fangt zeitlich an seine Herrschaft zuzeigen der West- oder
Abend-wind/
welcher dann regieret bis zu Abend/ und kommlich ist denen/ so
von Wesen reisen nach Wallenstatt. Nach der Sonnen Nidergang fan-
get gemeinlich bey schönem Wetter widerum an wäyen der Oberwind. Wie
aber nichts in der Natur beständig/ und gerad/ daß nicht zuweilen von der
Richtschnur abweiche/ und sich ändere/ also geschihet es auch etwann/ das di-
sen jezt beschriebenen ordenlichen Lauff der Winden unterbrichet der
Nordwind/ welchen sie in dieser refier nennen den Blättliser- und Kalch-
tharler-wind
von dem Berge Blättlis/ und dem Ohrt Kalchtharen/ über
welche diser Wind herblaset/ und den Schiffleuthen ein unbeliebiger Gast
ist/ weilen er ihren auf den ordenlichen Windlauff gegründeten Gewinn un-
sicher machet/ ja/ wann er unversehens sich erhebt/ die Seefahrenden in gefahr
setzet. Die natürliche Ursachen diser Begebenheiten sind auß folgendem un-
schwer zuersehen. Es ligt der Wallenstatter-See gegen Morgen und A-
bend ganz offen/ so daß die Sonne des Morgens bald aufstehet/ abends
spaht nidergehet. Aber gegen Mittag- und Mittnacht erheben sich hohe
Schrofen und Berge/ welche denen/ so auf dem See bey schönem Wetter
fahren/ ein angenehmes Schauspiel vorstellen/ aber auch bey entstehendem
Ungewitter grosse forcht einjagen/ weilen die brausenden Wellen an die
Steinwände mit gewalt anpütschen/ und von dannen mit entsetzlichem wü-
ten in sich selbs zurukprellen. Hierauß ist leicht zuschliessen/ daß die von auf-
stehender Sonn verdünnerte/ und in etwas außgedehnte/ folglich einen wei-
teren Raum erforderende Luft sich nicht könne auf alle seiten auß gleich auß-
breiten/ sondern zwischen denen hohen Glarner-Sarganser- und Gaster-
Bergen gleichsam gefangen allein sich bewegen könne gegen Abend. Es
währet aber diser Ostwind bis um 10. uhr vor mittag/ bis nammlich die Sonn

in

gum von ſich laſſet/ welcher Fluß bald bey der Ziegelbrugg in die Linth
flieſſet/ und alſo die Limmath/ oder Limagum außmachet. Auf diſem
See waͤyen gewiſſe Winde/ nach welchen ſich die Schiffleuthe zu groſſem
ihrem/ und der Reiſenden Nutzen zurichten wiſſen. Morgens fruͤhe vor/
und bey der Sonnen Aufgang fanget an gemaͤchlich blaſen der Ober- oder
Oſtwind/
welcher auch ſonſten der Heuwetter-wind heiſſet/ weilen des
Sommers die Anwohnere bey fruͤher erzeigung diſes Winds das Graß ſi-
cher abmaͤyen/ und zur troͤknung außſpreiten koͤnnen/ diſer Wind waͤhret bis
ohngefahr um 10. uhr vormittag/ dienet alſo denen/ welche von Wallenſtatt
abfahren wollen gegen Weſen. Zwiſchen 10. und 12. uhren iſt eine Windſtille.
Nachmittag fangt zeitlich an ſeine Herꝛſchaft zuzeigen der Weſt- oder
Abend-wind/
welcher dann regieret bis zu Abend/ und kom̃lich iſt denen/ ſo
von Weſen reiſen nach Wallenſtatt. Nach der Sonnen Nidergang fan-
get gemeinlich bey ſchoͤnem Wetter widerum an waͤyen der Oberwind. Wie
aber nichts in der Natur beſtaͤndig/ und gerad/ daß nicht zuweilen von der
Richtſchnur abweiche/ und ſich aͤndere/ alſo geſchihet es auch etwann/ das di-
ſen jezt beſchriebenen ordenlichen Lauff der Winden unterbrichet der
Nordwind/ welchen ſie in dieſer refier nennen den Blaͤttliſer- und Kalch-
tharler-wind
von dem Berge Blaͤttlis/ und dem Ohrt Kalchtharen/ uͤber
welche diſer Wind herblaſet/ und den Schiffleuthen ein unbeliebiger Gaſt
iſt/ weilen er ihren auf den ordenlichen Windlauff gegruͤndeten Gewinn un-
ſicher machet/ ja/ wann er unverſehens ſich erhebt/ die Seefahrenden in gefahr
ſetzet. Die natuͤrliche Urſachen diſer Begebenheiten ſind auß folgendem un-
ſchwer zuerſehen. Es ligt der Wallenſtatter-See gegen Morgen und A-
bend ganz offen/ ſo daß die Sonne des Morgens bald aufſtehet/ abends
ſpaht nidergehet. Aber gegen Mittag- und Mittnacht erheben ſich hohe
Schrofen und Berge/ welche denen/ ſo auf dem See bey ſchoͤnem Wetter
fahren/ ein angenehmes Schauſpiel vorſtellen/ aber auch bey entſtehendem
Ungewitter groſſe forcht einjagen/ weilen die brauſenden Wellen an die
Steinwaͤnde mit gewalt anpuͤtſchen/ und von dannen mit entſetzlichem wuͤ-
ten in ſich ſelbs zurukprellen. Hierauß iſt leicht zuſchlieſſen/ daß die von auf-
ſtehender Sonn verduͤnnerte/ und in etwas außgedehnte/ folglich einen wei-
teren Raum erforderende Luft ſich nicht koͤnne auf alle ſeiten auß gleich auß-
breiten/ ſondern zwiſchen denen hohen Glarner-Sarganſer- und Gaſter-
Bergen gleichſam gefangen allein ſich bewegen koͤnne gegen Abend. Es
waͤhret aber diſer Oſtwind bis um 10. uhr vor mittag/ bis nam̃lich die Soñ

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[27/0038] gum von ſich laſſet/ welcher Fluß bald bey der Ziegelbrugg in die Linth flieſſet/ und alſo die Limmath/ oder Limagum außmachet. Auf diſem See waͤyen gewiſſe Winde/ nach welchen ſich die Schiffleuthe zu groſſem ihrem/ und der Reiſenden Nutzen zurichten wiſſen. Morgens fruͤhe vor/ und bey der Sonnen Aufgang fanget an gemaͤchlich blaſen der Ober- oder Oſtwind/ welcher auch ſonſten der Heuwetter-wind heiſſet/ weilen des Sommers die Anwohnere bey fruͤher erzeigung diſes Winds das Graß ſi- cher abmaͤyen/ und zur troͤknung außſpreiten koͤnnen/ diſer Wind waͤhret bis ohngefahr um 10. uhr vormittag/ dienet alſo denen/ welche von Wallenſtatt abfahren wollen gegen Weſen. Zwiſchen 10. und 12. uhren iſt eine Windſtille. Nachmittag fangt zeitlich an ſeine Herꝛſchaft zuzeigen der Weſt- oder Abend-wind/ welcher dann regieret bis zu Abend/ und kom̃lich iſt denen/ ſo von Weſen reiſen nach Wallenſtatt. Nach der Sonnen Nidergang fan- get gemeinlich bey ſchoͤnem Wetter widerum an waͤyen der Oberwind. Wie aber nichts in der Natur beſtaͤndig/ und gerad/ daß nicht zuweilen von der Richtſchnur abweiche/ und ſich aͤndere/ alſo geſchihet es auch etwann/ das di- ſen jezt beſchriebenen ordenlichen Lauff der Winden unterbrichet der Nordwind/ welchen ſie in dieſer refier nennen den Blaͤttliſer- und Kalch- tharler-wind von dem Berge Blaͤttlis/ und dem Ohrt Kalchtharen/ uͤber welche diſer Wind herblaſet/ und den Schiffleuthen ein unbeliebiger Gaſt iſt/ weilen er ihren auf den ordenlichen Windlauff gegruͤndeten Gewinn un- ſicher machet/ ja/ wann er unverſehens ſich erhebt/ die Seefahrenden in gefahr ſetzet. Die natuͤrliche Urſachen diſer Begebenheiten ſind auß folgendem un- ſchwer zuerſehen. Es ligt der Wallenſtatter-See gegen Morgen und A- bend ganz offen/ ſo daß die Sonne des Morgens bald aufſtehet/ abends ſpaht nidergehet. Aber gegen Mittag- und Mittnacht erheben ſich hohe Schrofen und Berge/ welche denen/ ſo auf dem See bey ſchoͤnem Wetter fahren/ ein angenehmes Schauſpiel vorſtellen/ aber auch bey entſtehendem Ungewitter groſſe forcht einjagen/ weilen die brauſenden Wellen an die Steinwaͤnde mit gewalt anpuͤtſchen/ und von dannen mit entſetzlichem wuͤ- ten in ſich ſelbs zurukprellen. Hierauß iſt leicht zuſchlieſſen/ daß die von auf- ſtehender Sonn verduͤnnerte/ und in etwas außgedehnte/ folglich einen wei- teren Raum erforderende Luft ſich nicht koͤnne auf alle ſeiten auß gleich auß- breiten/ ſondern zwiſchen denen hohen Glarner-Sarganſer- und Gaſter- Bergen gleichſam gefangen allein ſich bewegen koͤnne gegen Abend. Es waͤhret aber diſer Oſtwind bis um 10. uhr vor mittag/ bis nam̃lich die Soñ in

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/38>, abgerufen am 29.04.2024.