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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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leuchtender Himmel gewahret/ und aber alsobald darauf ein starker Erdbi-
dem in der Statt und Landschaft Zürich gespürt worden. Anderer Geschich-
ten/ welche A. 1602. den 10. Jun. 1621. den 24. Jan. und 1623. den 20. Mart.
gesehen worden/ zugeschweigen.

Wir find nun begirrig zu wissen nicht nur/ das und wann sich solche
Luftgtschichten zugetragen/ sondern auch/ wie/ und wo sie geschehen/ ins be-
sonder aber/ was es vor eine bewandtnuß und Bedeutung habe mit derjeni-
gen/ welche jüngstens gewahret worden. Die Natur forscher sagen kurz/ daß
dergleichen Geschichten entstehen auß Schwefelichten/ in der Luft entzünde-
ten Dünsten/ sehen hiermit vor den Zeugungs-ohrt an die ob der Erden ste-
hende Luft. Jch meines Ohrts/ wann ich betrachte die lange Währung/
und andere Umstände/ unterscheide den Ohrt der Zeugung von dem Ohrt
der Erscheinung/ und mache hierüber folgende Gedanken; es werden bemeld-
te Dünste angezündet in denen Unter-irrdischen Klüften und Gängen/ bre-
chen aber durch die Erden Rinde an einem/ oder vilen Ohrten/ auf einmal/
oder allgemach auß/ und beleuchten die Obere/ von uns sichtbare Luft/ bis
sie verschwinden/ oder außlöschen. Jst die angezündete Materi nicht son-
derlich häuffig/ sondern gering/ und die Erdenlöchlein offen/ so gibt es einen
geschwinden glanz/ gleich einem Blitz: Jst sie aber häuffig/ und doch nicht
mit vilen Salpetrischen Theilen begleitet/ so daß sie auf einmal nicht durch
die äussere Erden tringen mag/ sondern allgemächlich passieren muß/ so wäh-
ret diser helle Schein eine vierthel stund/ wie der vorhabende/ oder eine gan-
ze/ oder mehr stunden. Sind die schwefelichte Dünste untermenget mit vi-
len Salpetrischen so geschihet der Durchbruch gewaltsamlich/ und wird be-
gleitet mit einem Erdbidem/ wie A. 1560. und 1704. gewahret worden.
Eben disere zwey Historien/ nebst dem umstand der zeit machen mich glau-
ben/ was ich schreibe. Niemand wird ja sich einbilden/ daß der helle Schein/ so
unmittelbar dem Erdbeben A. 1704. vorgegangen/ ein gemeines Wetter-
leuchten gewesen/ und nicht mit der Erd erschüttung selbs eine genaue Ge-
meinschaft gehabt habe: und gehet schwer her zu fassen/ wie bey kalter Win-
terszeit die schwefelichte Dünste in der Luft können entzündet werden? Weß-
nahen die meisten Winter-Blitze von jez erzehlter art zuseyn mir vorbilde/
anderen gleichwol ihr freyes urtheil auch überlasse: denen aber zubetrachten
vorlege die natürliche/ bey allen heutigen Naturforschern beliebte/ verglei-
chung der Erdbidmen mit denen so genanten Minen/ wie nammlich die Erd-
beben entstehen von entzündeten schwefelichten/ Salpetrischen/ und andern

Unter-

leuchtender Himmel gewahret/ und aber alſobald darauf ein ſtarker Erdbi-
dem in der Statt und Landſchaft Zuͤrich geſpuͤrt worden. Anderer Geſchich-
ten/ welche A. 1602. den 10. Jun. 1621. den 24. Jan. und 1623. den 20. Mart.
geſehen worden/ zugeſchweigen.

Wir find nun begirꝛig zu wiſſen nicht nur/ das und wann ſich ſolche
Luftgtſchichten zugetragen/ ſondern auch/ wie/ und wo ſie geſchehen/ ins be-
ſonder aber/ was es vor eine bewandtnuß und Bedeutung habe mit derjeni-
gen/ welche juͤngſtens gewahret worden. Die Natur forſcher ſagen kurz/ daß
dergleichen Geſchichten entſtehen auß Schwefelichten/ in der Luft entzuͤnde-
ten Duͤnſten/ ſehen hiermit vor den Zeugungs-ohrt an die ob der Erden ſte-
hende Luft. Jch meines Ohrts/ wann ich betrachte die lange Waͤhrung/
und andere Umſtaͤnde/ unterſcheide den Ohrt der Zeugung von dem Ohrt
der Erſcheinung/ und mache hieruͤber folgende Gedanken; es werden bemeld-
te Duͤnſte angezuͤndet in denen Unter-irꝛdiſchen Kluͤften und Gaͤngen/ bre-
chen aber durch die Erden Rinde an einem/ oder vilen Ohrten/ auf einmal/
oder allgemach auß/ und beleuchten die Obere/ von uns ſichtbare Luft/ bis
ſie verſchwinden/ oder außloͤſchen. Jſt die angezuͤndete Materi nicht ſon-
derlich haͤuffig/ ſondern gering/ und die Erdenloͤchlein offen/ ſo gibt es einen
geſchwinden glanz/ gleich einem Blitz: Jſt ſie aber haͤuffig/ und doch nicht
mit vilen Salpetriſchen Theilen begleitet/ ſo daß ſie auf einmal nicht durch
die aͤuſſere Erden tringen mag/ ſondern allgemaͤchlich paſſieren muß/ ſo waͤh-
ret diſer helle Schein eine vierthel ſtund/ wie der vorhabende/ oder eine gan-
ze/ oder mehr ſtunden. Sind die ſchwefelichte Duͤnſte untermenget mit vi-
len Salpetriſchen ſo geſchihet der Durchbruch gewaltſamlich/ und wird be-
gleitet mit einem Erdbidem/ wie A. 1560. und 1704. gewahret worden.
Eben diſere zwey Hiſtorien/ nebſt dem umſtand der zeit machen mich glau-
ben/ was ich ſchreibe. Niemand wird ja ſich einbilden/ daß der helle Schein/ ſo
unmittelbar dem Erdbeben A. 1704. vorgegangen/ ein gemeines Wetter-
leuchten geweſen/ und nicht mit der Erd erſchuͤttung ſelbs eine genaue Ge-
meinſchaft gehabt habe: und gehet ſchwer her zu faſſen/ wie bey kalter Win-
terszeit die ſchwefelichte Duͤnſte in der Luft koͤnnen entzuͤndet werden? Weß-
nahen die meiſten Winter-Blitze von jez erzehlter art zuſeyn mir vorbilde/
anderen gleichwol ihr freyes urtheil auch uͤberlaſſe: denen aber zubetrachten
vorlege die natuͤrliche/ bey allen heutigen Naturforſchern beliebte/ verglei-
chung der Erdbidmen mit denen ſo genanten Minen/ wie nam̃lich die Erd-
beben entſtehen von entzuͤndeten ſchwefelichten/ Salpetriſchen/ und andern

Unter-
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[47/0062] leuchtender Himmel gewahret/ und aber alſobald darauf ein ſtarker Erdbi- dem in der Statt und Landſchaft Zuͤrich geſpuͤrt worden. Anderer Geſchich- ten/ welche A. 1602. den 10. Jun. 1621. den 24. Jan. und 1623. den 20. Mart. geſehen worden/ zugeſchweigen. Wir find nun begirꝛig zu wiſſen nicht nur/ das und wann ſich ſolche Luftgtſchichten zugetragen/ ſondern auch/ wie/ und wo ſie geſchehen/ ins be- ſonder aber/ was es vor eine bewandtnuß und Bedeutung habe mit derjeni- gen/ welche juͤngſtens gewahret worden. Die Natur forſcher ſagen kurz/ daß dergleichen Geſchichten entſtehen auß Schwefelichten/ in der Luft entzuͤnde- ten Duͤnſten/ ſehen hiermit vor den Zeugungs-ohrt an die ob der Erden ſte- hende Luft. Jch meines Ohrts/ wann ich betrachte die lange Waͤhrung/ und andere Umſtaͤnde/ unterſcheide den Ohrt der Zeugung von dem Ohrt der Erſcheinung/ und mache hieruͤber folgende Gedanken; es werden bemeld- te Duͤnſte angezuͤndet in denen Unter-irꝛdiſchen Kluͤften und Gaͤngen/ bre- chen aber durch die Erden Rinde an einem/ oder vilen Ohrten/ auf einmal/ oder allgemach auß/ und beleuchten die Obere/ von uns ſichtbare Luft/ bis ſie verſchwinden/ oder außloͤſchen. Jſt die angezuͤndete Materi nicht ſon- derlich haͤuffig/ ſondern gering/ und die Erdenloͤchlein offen/ ſo gibt es einen geſchwinden glanz/ gleich einem Blitz: Jſt ſie aber haͤuffig/ und doch nicht mit vilen Salpetriſchen Theilen begleitet/ ſo daß ſie auf einmal nicht durch die aͤuſſere Erden tringen mag/ ſondern allgemaͤchlich paſſieren muß/ ſo waͤh- ret diſer helle Schein eine vierthel ſtund/ wie der vorhabende/ oder eine gan- ze/ oder mehr ſtunden. Sind die ſchwefelichte Duͤnſte untermenget mit vi- len Salpetriſchen ſo geſchihet der Durchbruch gewaltſamlich/ und wird be- gleitet mit einem Erdbidem/ wie A. 1560. und 1704. gewahret worden. Eben diſere zwey Hiſtorien/ nebſt dem umſtand der zeit machen mich glau- ben/ was ich ſchreibe. Niemand wird ja ſich einbilden/ daß der helle Schein/ ſo unmittelbar dem Erdbeben A. 1704. vorgegangen/ ein gemeines Wetter- leuchten geweſen/ und nicht mit der Erd erſchuͤttung ſelbs eine genaue Ge- meinſchaft gehabt habe: und gehet ſchwer her zu faſſen/ wie bey kalter Win- terszeit die ſchwefelichte Duͤnſte in der Luft koͤnnen entzuͤndet werden? Weß- nahen die meiſten Winter-Blitze von jez erzehlter art zuſeyn mir vorbilde/ anderen gleichwol ihr freyes urtheil auch uͤberlaſſe: denen aber zubetrachten vorlege die natuͤrliche/ bey allen heutigen Naturforſchern beliebte/ verglei- chung der Erdbidmen mit denen ſo genanten Minen/ wie nam̃lich die Erd- beben entſtehen von entzuͤndeten ſchwefelichten/ Salpetriſchen/ und andern Unter-

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/62>, abgerufen am 24.11.2024.