Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.Ruh wolten/ und begaben sich wirklich in ihre Nester/ oder/ wo sie den Weg Ruh wolten/ und begaben ſich wirklich in ihre Neſter/ oder/ wo ſie den Weg <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0111" n="100"/> Ruh wolten/ und begaben ſich wirklich in ihre Neſter/ oder/ wo ſie den Weg<lb/> verfehlet/ pütſchten hin und wider an den Haͤuſeren an. Die Fledermaͤuſe<lb/> hingegen lieſſen ſich hervor/ und flogen umher. Das vierfuͤſſige Vieh auf<lb/> den Weyden ſtelte ſich zuſamen/ und ruͤſtete ſich auch zum Heimweg. Die<lb/> Pferde/ ſo auf der Straß waren/ ſtuhnden ſtill/ oder waren anderſt nicht/ als<lb/> mit Gewalt fort utreiben. Der Fiſchen halb gewahrete man in unſerem<lb/> Zuͤrich-See/ daß ſie ſich oben auf gelaſſen/ und in groſſer Menge auf der obe-<lb/> ren Flaͤche des Waſſers einhergeſchwummen/ etliche auch auſſer das Waſſer<lb/> in die Hoͤhe geſprungen/ ſo daß man ſie gleichſam mit Haͤnden h<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/>tte fangen<lb/> koͤnnen. Diſere Begegniſſen ſehen die Schul-Lehrer an als vernuͤnftige<lb/> Bewunderungen uber ein ſo ſeltſame Natur-Geſchicht; wir laſſen ſie auch<lb/> in ihrem und ſolcher Thieren Gehirn wirkliche und ſolche Vernunftſchluͤſſe/<lb/> von entgehung der Gefahr/ außweichung der Nachtſchrecken ꝛc. machen/ an<lb/> welche kaum auch die kluͤgſten unter uns Menſchen gedaͤchten/ und ſehen die<lb/> ganze Natur an als eine von dem Allweiſen und Allmaͤchtigen Schoͤpfer<lb/> verfertigte Kunſtuhr/ in welcher alles ſich richtet und beweget nach denen von<lb/> ihme vorgeſchriebenen Geſaͤtzen/ aber ohne Verſtand/ in welchen auch ſelbs<lb/> unſere vorhabende Thiere anzuſehen ſein/ als ſo vil Kunſt-Raͤdlein/ die ſich<lb/> bewegen nach dem G<supplied>e</supplied>walt der Feder/ oder angehenkten Gewichten. Die jeni-<lb/> gen Voͤgel/ welche des Tags umher fliegen/ haben eine hierzu bequeme Ge-<lb/> ſtaltung aller ihrer Theilen. Die zarte Geſtalt ihrer Augen iſt alſo kunſtlich<lb/> eingerichtet daß des Tages Liecht ihnen ein nicht zu ſtarke und auch nicht zu<lb/> ſchwache eindrukung machet/ und ſie darbey ihrer Nahrung nachgehen/ und<lb/> andere ihnen noͤhtige Verꝛichtungen außuͤben koͤnnen. So auch werden<lb/> ihre Geiſter mit dem Gebluͤt durch der Sonnen Liecht/ und außgetheilte<lb/> Waͤrme in eine ihren Verꝛichtungen angemeſſene Bewegung gebracht/<lb/> daß alles an ihnen lebt/ und ſchwebt. Wann nun an dem hellen Mittag diſe<lb/> Urquell ihrer Waͤrme/ und Bewegung/ die von der Sonnen auf ſie geleitet<lb/> wird/ einsmahls gehemmet wird an ihrem Außfluß/ ſo ſtehet die Waſſer-<lb/> Blut- und Geiſter-Muͤhle/ oder Haut-Fleiſch- und Bein-Uhr ſtill: in ihre<lb/> Augen kommet eine ſo ſtarke einsmahlige Duͤnkle/ welche ihnen die Nacht<lb/> vorſtellet/ und <hi rendition="#fr">bey welcher ſie zu anderen Zeiten ſich zur Ruhe be-<lb/> geben/</hi> da dann diſere <hi rendition="#aq">retirade</hi> der Voͤglen meines erachtens ganz anderſt<lb/> anzuſehen iſt/ als der Menſchen vernünftige Berahtſchlagung/ in der duͤnkle<lb/> naher Hauß ſich zu begeben/ oder vor dem Regen unter das Tach zu kommen.<lb/> Die Nachtvoͤgel hergegen haben eine ſo zarte Geſtalt ihrer Augentheilen/ daß<lb/> ſie das helle Liecht der Sonnen/ und des Tags nicht vertragen koͤnnen/ ſon-<lb/> dern zu ihren Verꝛichtungen genug haben an dem ihrem Geſicht angemeſſe-<lb/> nen Nachtſchein/ bey deme ſie dann ſich auß ihren Neſteren/ und Hoͤlinen her-<lb/> vor machen. ꝛc. <hi rendition="#et">Das Kupfer koſtet 2. ß.</hi></p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [100/0111]
Ruh wolten/ und begaben ſich wirklich in ihre Neſter/ oder/ wo ſie den Weg
verfehlet/ pütſchten hin und wider an den Haͤuſeren an. Die Fledermaͤuſe
hingegen lieſſen ſich hervor/ und flogen umher. Das vierfuͤſſige Vieh auf
den Weyden ſtelte ſich zuſamen/ und ruͤſtete ſich auch zum Heimweg. Die
Pferde/ ſo auf der Straß waren/ ſtuhnden ſtill/ oder waren anderſt nicht/ als
mit Gewalt fort utreiben. Der Fiſchen halb gewahrete man in unſerem
Zuͤrich-See/ daß ſie ſich oben auf gelaſſen/ und in groſſer Menge auf der obe-
ren Flaͤche des Waſſers einhergeſchwummen/ etliche auch auſſer das Waſſer
in die Hoͤhe geſprungen/ ſo daß man ſie gleichſam mit Haͤnden h_tte fangen
koͤnnen. Diſere Begegniſſen ſehen die Schul-Lehrer an als vernuͤnftige
Bewunderungen uber ein ſo ſeltſame Natur-Geſchicht; wir laſſen ſie auch
in ihrem und ſolcher Thieren Gehirn wirkliche und ſolche Vernunftſchluͤſſe/
von entgehung der Gefahr/ außweichung der Nachtſchrecken ꝛc. machen/ an
welche kaum auch die kluͤgſten unter uns Menſchen gedaͤchten/ und ſehen die
ganze Natur an als eine von dem Allweiſen und Allmaͤchtigen Schoͤpfer
verfertigte Kunſtuhr/ in welcher alles ſich richtet und beweget nach denen von
ihme vorgeſchriebenen Geſaͤtzen/ aber ohne Verſtand/ in welchen auch ſelbs
unſere vorhabende Thiere anzuſehen ſein/ als ſo vil Kunſt-Raͤdlein/ die ſich
bewegen nach dem Gewalt der Feder/ oder angehenkten Gewichten. Die jeni-
gen Voͤgel/ welche des Tags umher fliegen/ haben eine hierzu bequeme Ge-
ſtaltung aller ihrer Theilen. Die zarte Geſtalt ihrer Augen iſt alſo kunſtlich
eingerichtet daß des Tages Liecht ihnen ein nicht zu ſtarke und auch nicht zu
ſchwache eindrukung machet/ und ſie darbey ihrer Nahrung nachgehen/ und
andere ihnen noͤhtige Verꝛichtungen außuͤben koͤnnen. So auch werden
ihre Geiſter mit dem Gebluͤt durch der Sonnen Liecht/ und außgetheilte
Waͤrme in eine ihren Verꝛichtungen angemeſſene Bewegung gebracht/
daß alles an ihnen lebt/ und ſchwebt. Wann nun an dem hellen Mittag diſe
Urquell ihrer Waͤrme/ und Bewegung/ die von der Sonnen auf ſie geleitet
wird/ einsmahls gehemmet wird an ihrem Außfluß/ ſo ſtehet die Waſſer-
Blut- und Geiſter-Muͤhle/ oder Haut-Fleiſch- und Bein-Uhr ſtill: in ihre
Augen kommet eine ſo ſtarke einsmahlige Duͤnkle/ welche ihnen die Nacht
vorſtellet/ und bey welcher ſie zu anderen Zeiten ſich zur Ruhe be-
geben/ da dann diſere retirade der Voͤglen meines erachtens ganz anderſt
anzuſehen iſt/ als der Menſchen vernünftige Berahtſchlagung/ in der duͤnkle
naher Hauß ſich zu begeben/ oder vor dem Regen unter das Tach zu kommen.
Die Nachtvoͤgel hergegen haben eine ſo zarte Geſtalt ihrer Augentheilen/ daß
ſie das helle Liecht der Sonnen/ und des Tags nicht vertragen koͤnnen/ ſon-
dern zu ihren Verꝛichtungen genug haben an dem ihrem Geſicht angemeſſe-
nen Nachtſchein/ bey deme ſie dann ſich auß ihren Neſteren/ und Hoͤlinen her-
vor machen. ꝛc. Das Kupfer koſtet 2. ß.
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