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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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Hierauß ist ohnschwer zuersehen/ warum dergleichen Meybrünnen bald
früher kommen/ und auch desto früher fich verlieren/ bald später anfliessen/
und gegen dem Winter annoch/ oder gar über den Winter lauffen? Wa-
rum das könftige Jahr meistens fruchtbar seye/ wann in gegenwertigem die
Meybrünnen lang fliessen? welches bey dem Siedemansbach in der Frey-
herrschaft Spietz sol angemerket werden; und nohtwendig anzeiget einen
überfluß von vilen wässerigen Theilen in der oberen Erdenrinde/ und hiemit
eine mehrere Nahrung vor die Pflanzen. Zum Beschluß überlasse dem ver-
ständigen Leser zu urtheilen von deren Meynung/ welche ein Geheimniß da-
rinn suchen/ daß dergleichen Brünnen fliessen von einem H. Kreuztag zu
dem anderen/ namlich von Kreuzerfindung bis zur Kreuzerhöhung/ da nicht
zu laugnen/ daß etwann von ohngefahr ein Meybrunn kan anfangen fliessen
an dem Tag des ersten/ und aufhören an dem letsten Fest; oder von des
Paracelsi Einbildung/ daß disere Wasser im Herbst/ wann andere Kräuter
verwelken/ auch verschwinden; oder von Thomae Aquinatis traumung/ daß
die himmlischen Einflüsse solche Quellen im Winter nicht auß der Tieffe in
die Höhe heben können: oder von denen/ welche wollen/ daß die Wasser-
gänge bey anfangendem Winter durch das Eiß verstopft den durchfliessen-
den Wasseren den Weg abspannen; oder endlich von denen/ welche aussa-
gen/ daß Erdreich habe zu Winterszeiten die Kraft nicht/ die Wasser auß dem
Meerwasser anzuzeuhen.

Von denen
Steinkohlen des Schweizerlands.

Verwunderlich groß ist die Vorsehung Gottes in außtheilung der von
ihme erschaffenen Naturgaben. Jn Bergichten Landen/ wie unser Schwei-
zerland ist/ ist eine reiche Menge allerhand Wald- und Baumholz/ nicht nur
zu unserem Gebrauch/ sondern auch anderen benachbarten Völkeren zu
Nutz. Jn anderen Länderen/ da die Wälder/ und Berge/ manglen/ vertrit-
tet die Erde selbs die Stell des Holzes/ wie wir sehen bey dem Exempel
des Torffs/ und Steinkohlen/ in denen Vereinigten/ und Spanischen Ni-
derlanden/ welche auß der Erden hervorzugraben die Einwohnere diser Lan-
den genöhtiget worden durch die Nohtdurft. Jn unseren Helvetischen
Landen hat man bis dahin so wol das Torff/ als die Steinkohlen wegen ge-
nugsamer Holz-Zufuhr in der Erden ruhen lassen. etc.

Hierauß iſt ohnſchwer zuerſehen/ warum dergleichen Meybrünnen bald
fruͤher kommen/ und auch deſto fruͤher fich verlieren/ bald ſpaͤter anflieſſen/
und gegen dem Winter annoch/ oder gar uͤber den Winter lauffen? Wa-
rum das koͤnftige Jahr meiſtens fruchtbar ſeye/ wann in gegenwertigem die
Meybrünnen lang flieſſen? welches bey dem Siedemansbach in der Frey-
herꝛſchaft Spietz ſol angemerket werden; und nohtwendig anzeiget einen
uͤberfluß von vilen waͤſſerigen Theilen in der oberen Erdenrinde/ und hiemit
eine mehrere Nahrung vor die Pflanzen. Zum Beſchluß uͤberlaſſe dem ver-
ſtaͤndigen Leſer zu urtheilen von deren Meynung/ welche ein Geheimniß da-
rinn ſuchen/ daß dergleichen Brünnen flieſſen von einem H. Kreuztag zu
dem anderen/ namlich von Kreuzerfindung bis zur Kreuzerhoͤhung/ da nicht
zu laugnen/ daß etwann von ohngefahr ein Meybrunn kan anfangen flieſſen
an dem Tag des erſten/ und aufhoͤren an dem letſten Feſt; oder von des
Paracelſi Einbildung/ daß diſere Waſſer im Herbſt/ wann andere Kraͤuter
verwelken/ auch verſchwinden; oder von Thomæ Aquinatis traumung/ daß
die himmliſchen Einflüſſe ſolche Quellen im Winter nicht auß der Tieffe in
die Hoͤhe heben koͤnnen: oder von denen/ welche wollen/ daß die Waſſer-
gaͤnge bey anfangendem Winter durch das Eiß verſtopft den durchflieſſen-
den Waſſeren den Weg abſpannen; oder endlich von denen/ welche auſſa-
gen/ daß Erdreich habe zu Winterszeiten die Kraft nicht/ die Waſſer auß dem
Meerwaſſer anzuzeuhen.

Von denen
Steinkohlen des Schweizerlands.

Verwunderlich groß iſt die Vorſehung Gottes in außtheilung der von
ihme erſchaffenen Naturgaben. Jn Bergichten Landen/ wie unſer Schwei-
zerland iſt/ iſt eine reiche Menge allerhand Wald- und Baumholz/ nicht nur
zu unſerem Gebrauch/ ſondern auch anderen benachbarten Voͤlkeren zu
Nutz. Jn anderen Laͤnderen/ da die Waͤlder/ und Berge/ manglen/ vertrit-
tet die Erde ſelbs die Stell des Holzes/ wie wir ſehen bey dem Exempel
des Torffs/ und Steinkohlen/ in denen Vereinigten/ und Spaniſchen Ni-
derlanden/ welche auß der Erden hervorzugraben die Einwohnere diſer Lan-
den genoͤhtiget worden durch die Nohtdurft. Jn unſeren Helvetiſchen
Landen hat man bis dahin ſo wol das Torff/ als die Steinkohlen wegen ge-
nugſamer Holz-Zufuhr in der Erden ruhen laſſen. ꝛc.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/119>, abgerufen am 21.11.2024.