Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

Bild:
<< vorherige Seite

Nicht nur graben sie die Erden um die Bäume/ Weinräben/ und auf den
Aekeren um/ damit die Luft in die Schöllen desto leichter eintringe/ und das
Erdrich murbe mache/ sondern sie legen etwann den aufgegrabenen Grund
auf Dörne/ die sie in die Erde um die Wurtzen begraben/ damit sie nicht so
leicht widerum sich fest setze. Einiche befinden sich wol darbey/ wann sie ihre
Aeker zu Jahren um kreuzweise pflugen/ damit durch so thane weise alle Er-
denschollen wol zerschnitten werden. Man gewahret auch/ daß die aufge-
akerte/ oder in den Räben aufgeschorrete Erde fruchtbarer/ wann etwas
Zeits hernach schön Wetter anstehet/ daß die Sonn/ nach unserer Baurs-
leuhten Redens art/ die Erde kan bauen/ dann wann es bald darauf reg-
net/ so sitzet die Erde desto geschwinder auf einander/ und zeuhet sich darüber
gleichsam eine Haut/ welche dem Regen den Eingang schwer machet. Dise
mit Vernunftschlüssen untermischte Bauren-Practic habe um so vil eher
hieher setzen wollen/ damit man theils sehe den herrlichen Nutzen/ welchen ein
in der Naturwissenschaft erfahrner/ und geschikter Landtmann/ oder Eigen-
herr kan bey außfindung allerhand Manieren sich zuzeuhen/ theils aber desto
besser erkennen lehrne die Beschaffenheit unsers Erdrichs/ und darauf acht
haben.

Das Bern-Gebiet ist in ansehung seiner Weite/ Gestaltsame/ und
Fruchtbarkeit das kostlichste Kleinoht der ganzen Schweiz. Das platte
Land gibet einen überfluß von Korn/ und anderen Feldfrüchten/ auch Obs
in grosser Menge. Jn denen Bergen finden sich die kostlichsten Alpen/ wel-
che widerum mit Milch/ Käß/ Butter/ versehen nicht nur das ganze Land
reichlich/ sonder bereicheren auch die Einwohner mit solcher Milchspeisen und
des Viehs Gewerbschaft/ die sie in frömde angränzende Länder treiben. Et-
wann ligen die zwischen den Bergen ligende Thäler so kommlich/ daß man
auch Frucht ansäyen/ und nach verfliessung 10. Wochen/ oder 3. Monaten/
wie im Grindelwald/ einernden kan. Jns besonder ist die ganze Wadt/
alle an dem Bieler-Murter-Neuburger- und Genffer-See ligende Teutsch-
und Weltsch Bernerische Länder ein rechtes Paradeis/ da nicht nur die herr-
lichste Frucht wachset von allerhand Art/ sondern auch ein treffenlicher Wein/
dene in mehrerem anzurühmen anderstwo Anlas nemmen werde.

Lucern/ Uri/ Schweiz/ Underwalden/ Zug und Glarus/
behelffen sich meistens ihrer Bergen/ und deren darauf sich befindenden Al-
pungen/ welche eine unbeschreibliche Anzahl Viehs nehren/ und der Einwoh-
neren Bergwerk/ und reiche Handlung seyn. Lucern hat darneben in ihrer
Landschaft einen zimlichen Vorraht von Geträid/ damit sie auch denen fol-
genden drey Ohrten Vorsehung tuhn kan. Jhre Viehzucht haben sie son-
derlich in der Landschaft Entlibuch/ an dem Pilatusberg/ und der Rigi.

Uri

Nicht nur graben ſie die Erden um die Baͤume/ Weinraͤben/ und auf den
Aekeren um/ damit die Luft in die Schoͤllen deſto leichter eintringe/ und das
Erdrich murbe mache/ ſondern ſie legen etwann den aufgegrabenen Grund
auf Doͤrne/ die ſie in die Erde um die Wurtzen begraben/ damit ſie nicht ſo
leicht widerum ſich feſt ſetze. Einiche befinden ſich wol darbey/ wann ſie ihre
Aeker zu Jahren um kreuzweiſe pflugen/ damit durch ſo thane weiſe alle Er-
denſchollen wol zerſchnitten werden. Man gewahret auch/ daß die aufge-
akerte/ oder in den Raͤben aufgeſchorꝛete Erde fruchtbarer/ wann etwas
Zeits hernach ſchoͤn Wetter anſtehet/ daß die Sonn/ nach unſerer Baurs-
leuhten Redens art/ die Erde kan bauen/ dann wann es bald darauf reg-
net/ ſo ſitzet die Erde deſto geſchwinder auf einander/ und zeuhet ſich daruͤber
gleichſam eine Haut/ welche dem Regen den Eingang ſchwer machet. Diſe
mit Vernunftſchlüſſen untermiſchte Bauren-Practic habe um ſo vil eher
hieher ſetzen wollen/ damit man theils ſehe den herꝛlichen Nutzen/ welchen ein
in der Naturwiſſenſchaft erfahrner/ und geſchikter Landtmann/ oder Eigen-
herꝛ kan bey außfindung allerhand Manieren ſich zuzeuhen/ theils aber deſto
beſſer erkennen lehrne die Beſchaffenheit unſers Erdrichs/ und darauf acht
haben.

Das Bern-Gebiet iſt in anſehung ſeiner Weite/ Geſtaltſame/ und
Fruchtbarkeit das koſtlichſte Kleinoht der ganzen Schweiz. Das platte
Land gibet einen uͤberfluß von Korn/ und anderen Feldfruͤchten/ auch Obs
in groſſer Menge. Jn denen Bergen finden ſich die koſtlichſten Alpen/ wel-
che widerum mit Milch/ Kaͤß/ Butter/ verſehen nicht nur das ganze Land
reichlich/ ſonder bereicheren auch die Einwohner mit ſolcher Milchſpeiſen und
des Viehs Gewerbſchaft/ die ſie in froͤmde angraͤnzende Laͤnder treiben. Et-
wann ligen die zwiſchen den Bergen ligende Thaͤler ſo kommlich/ daß man
auch Frucht anſaͤyen/ und nach verflieſſung 10. Wochen/ oder 3. Monaten/
wie im Grindelwald/ einernden kan. Jns beſonder iſt die ganze Wadt/
alle an dem Bieler-Murter-Neuburger- und Genffer-See ligende Teutſch-
und Weltſch Berneriſche Laͤnder ein rechtes Paradeis/ da nicht nur die herꝛ-
lichſte Frucht wachſet von allerhand Art/ ſondern auch ein treffenlicher Wein/
dene in mehrerem anzuruͤhmen anderſtwo Anlas nemmen werde.

Lucern/ Uri/ Schweiz/ Underwalden/ Zug und Glarus/
behelffen ſich meiſtens ihrer Bergen/ und deren darauf ſich befindenden Al-
pungen/ welche eine unbeſchreibliche Anzahl Viehs nehren/ und der Einwoh-
neren Bergwerk/ und reiche Handlung ſeyn. Lucern hat darneben in ihrer
Landſchaft einen zimlichen Vorꝛaht von Getraͤid/ damit ſie auch denen fol-
genden drey Ohrten Vorſehung tuhn kan. Jhre Viehzucht haben ſie ſon-
derlich in der Landſchaft Entlibuch/ an dem Pilatusberg/ und der Rigi.

Uri
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0176" n="163"/>
Nicht nur graben &#x017F;ie die Erden um die Ba&#x0364;ume/ Weinra&#x0364;ben/ und auf den<lb/>
Aekeren um/ damit die Luft in die Scho&#x0364;llen de&#x017F;to leichter eintringe/ und das<lb/>
Erdrich murbe mache/ &#x017F;ondern &#x017F;ie legen etwann den aufgegrabenen Grund<lb/>
auf Do&#x0364;rne/ die &#x017F;ie in die Erde um die Wurtzen begraben/ damit &#x017F;ie nicht &#x017F;o<lb/>
leicht widerum &#x017F;ich fe&#x017F;t &#x017F;etze. Einiche befinden &#x017F;ich wol darbey/ wann &#x017F;ie ihre<lb/>
Aeker zu Jahren um kreuzwei&#x017F;e pflugen/ damit durch &#x017F;o thane wei&#x017F;e alle Er-<lb/>
den&#x017F;chollen wol zer&#x017F;chnitten werden. Man gewahret auch/ daß die aufge-<lb/>
akerte/ oder in den Ra&#x0364;ben aufge&#x017F;chor&#xA75B;ete Erde fruchtbarer/ wann etwas<lb/>
Zeits hernach &#x017F;cho&#x0364;n Wetter an&#x017F;tehet/ daß die <hi rendition="#fr">Sonn/</hi> nach un&#x017F;erer Baurs-<lb/>
leuhten Redens art/ <hi rendition="#fr">die Erde kan bauen/</hi> dann wann es bald darauf reg-<lb/>
net/ &#x017F;o &#x017F;itzet die Erde de&#x017F;to ge&#x017F;chwinder auf einander/ und zeuhet &#x017F;ich daru&#x0364;ber<lb/>
gleich&#x017F;am eine Haut/ welche dem Regen den Eingang &#x017F;chwer machet. Di&#x017F;e<lb/>
mit Vernunft&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en untermi&#x017F;chte Bauren-Practic habe um &#x017F;o vil eher<lb/>
hieher &#x017F;etzen wollen/ damit man theils &#x017F;ehe den her&#xA75B;lichen Nutzen/ welchen ein<lb/>
in der Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft erfahrner/ und ge&#x017F;chikter Landtmann/ oder Eigen-<lb/>
her&#xA75B; kan bey außfindung allerhand Manieren &#x017F;ich zuzeuhen/ theils aber de&#x017F;to<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er erkennen lehrne die Be&#x017F;chaffenheit un&#x017F;ers Erdrichs/ und darauf acht<lb/>
haben.</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#fr">Bern-Gebiet</hi> i&#x017F;t in an&#x017F;ehung &#x017F;einer Weite/ Ge&#x017F;talt&#x017F;ame/ und<lb/>
Fruchtbarkeit das ko&#x017F;tlich&#x017F;te Kleinoht der ganzen Schweiz. Das platte<lb/>
Land gibet einen u&#x0364;berfluß von Korn/ und anderen Feldfru&#x0364;chten/ auch Obs<lb/>
in gro&#x017F;&#x017F;er Menge. Jn denen Bergen finden &#x017F;ich die ko&#x017F;tlich&#x017F;ten Alpen/ wel-<lb/>
che widerum mit Milch/ Ka&#x0364;ß/ Butter/ ver&#x017F;ehen nicht nur das ganze Land<lb/>
reichlich/ &#x017F;onder bereicheren auch die Einwohner mit &#x017F;olcher Milch&#x017F;pei&#x017F;en und<lb/>
des Viehs Gewerb&#x017F;chaft/ die &#x017F;ie in fro&#x0364;mde angra&#x0364;nzende La&#x0364;nder treiben. Et-<lb/>
wann ligen die zwi&#x017F;chen den Bergen ligende Tha&#x0364;ler &#x017F;o kommlich/ daß man<lb/>
auch Frucht an&#x017F;a&#x0364;yen/ und nach verflie&#x017F;&#x017F;ung 10. Wochen/ oder 3. Monaten/<lb/>
wie im <hi rendition="#fr">Grindelwald/</hi> einernden kan. Jns be&#x017F;onder i&#x017F;t die ganze <hi rendition="#fr">Wadt/</hi><lb/>
alle an dem Bieler-Murter-Neuburger- und Genffer-See ligende Teut&#x017F;ch-<lb/>
und Welt&#x017F;ch Berneri&#x017F;che La&#x0364;nder ein rechtes Paradeis/ da nicht nur die her&#xA75B;-<lb/>
lich&#x017F;te Frucht wach&#x017F;et von allerhand Art/ &#x017F;ondern auch ein treffenlicher Wein/<lb/>
dene in mehrerem anzuru&#x0364;hmen ander&#x017F;two Anlas nemmen werde.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lucern/ Uri/ Schweiz/ Underwalden/ Zug und Glarus/</hi><lb/>
behelffen &#x017F;ich mei&#x017F;tens ihrer Bergen/ und deren darauf &#x017F;ich befindenden Al-<lb/>
pungen/ welche eine unbe&#x017F;chreibliche Anzahl Viehs nehren/ und der Einwoh-<lb/>
neren Bergwerk/ und reiche Handlung &#x017F;eyn. <hi rendition="#fr">Lucern</hi> hat darneben in ihrer<lb/>
Land&#x017F;chaft einen zimlichen Vor&#xA75B;aht von Getra&#x0364;id/ damit &#x017F;ie auch denen fol-<lb/>
genden drey Ohrten Vor&#x017F;ehung tuhn kan. Jhre Viehzucht haben &#x017F;ie &#x017F;on-<lb/>
derlich in der Land&#x017F;chaft Entlibuch/ an dem Pilatusberg/ und der Rigi.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Uri</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0176] Nicht nur graben ſie die Erden um die Baͤume/ Weinraͤben/ und auf den Aekeren um/ damit die Luft in die Schoͤllen deſto leichter eintringe/ und das Erdrich murbe mache/ ſondern ſie legen etwann den aufgegrabenen Grund auf Doͤrne/ die ſie in die Erde um die Wurtzen begraben/ damit ſie nicht ſo leicht widerum ſich feſt ſetze. Einiche befinden ſich wol darbey/ wann ſie ihre Aeker zu Jahren um kreuzweiſe pflugen/ damit durch ſo thane weiſe alle Er- denſchollen wol zerſchnitten werden. Man gewahret auch/ daß die aufge- akerte/ oder in den Raͤben aufgeſchorꝛete Erde fruchtbarer/ wann etwas Zeits hernach ſchoͤn Wetter anſtehet/ daß die Sonn/ nach unſerer Baurs- leuhten Redens art/ die Erde kan bauen/ dann wann es bald darauf reg- net/ ſo ſitzet die Erde deſto geſchwinder auf einander/ und zeuhet ſich daruͤber gleichſam eine Haut/ welche dem Regen den Eingang ſchwer machet. Diſe mit Vernunftſchlüſſen untermiſchte Bauren-Practic habe um ſo vil eher hieher ſetzen wollen/ damit man theils ſehe den herꝛlichen Nutzen/ welchen ein in der Naturwiſſenſchaft erfahrner/ und geſchikter Landtmann/ oder Eigen- herꝛ kan bey außfindung allerhand Manieren ſich zuzeuhen/ theils aber deſto beſſer erkennen lehrne die Beſchaffenheit unſers Erdrichs/ und darauf acht haben. Das Bern-Gebiet iſt in anſehung ſeiner Weite/ Geſtaltſame/ und Fruchtbarkeit das koſtlichſte Kleinoht der ganzen Schweiz. Das platte Land gibet einen uͤberfluß von Korn/ und anderen Feldfruͤchten/ auch Obs in groſſer Menge. Jn denen Bergen finden ſich die koſtlichſten Alpen/ wel- che widerum mit Milch/ Kaͤß/ Butter/ verſehen nicht nur das ganze Land reichlich/ ſonder bereicheren auch die Einwohner mit ſolcher Milchſpeiſen und des Viehs Gewerbſchaft/ die ſie in froͤmde angraͤnzende Laͤnder treiben. Et- wann ligen die zwiſchen den Bergen ligende Thaͤler ſo kommlich/ daß man auch Frucht anſaͤyen/ und nach verflieſſung 10. Wochen/ oder 3. Monaten/ wie im Grindelwald/ einernden kan. Jns beſonder iſt die ganze Wadt/ alle an dem Bieler-Murter-Neuburger- und Genffer-See ligende Teutſch- und Weltſch Berneriſche Laͤnder ein rechtes Paradeis/ da nicht nur die herꝛ- lichſte Frucht wachſet von allerhand Art/ ſondern auch ein treffenlicher Wein/ dene in mehrerem anzuruͤhmen anderſtwo Anlas nemmen werde. Lucern/ Uri/ Schweiz/ Underwalden/ Zug und Glarus/ behelffen ſich meiſtens ihrer Bergen/ und deren darauf ſich befindenden Al- pungen/ welche eine unbeſchreibliche Anzahl Viehs nehren/ und der Einwoh- neren Bergwerk/ und reiche Handlung ſeyn. Lucern hat darneben in ihrer Landſchaft einen zimlichen Vorꝛaht von Getraͤid/ damit ſie auch denen fol- genden drey Ohrten Vorſehung tuhn kan. Jhre Viehzucht haben ſie ſon- derlich in der Landſchaft Entlibuch/ an dem Pilatusberg/ und der Rigi. Uri

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/176
Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/176>, abgerufen am 21.11.2024.