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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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auß welcher vil herrliche Männer Geist- und Weltlichen Stands entsprun-
gen. Es hat auch der grosse Erasmus zu seiner Zeit von der Schweizerischen
Nation so gute Gedanken gehabt/ daß dise in allerhand Theilen der Gelehrt-
heit wol könte sich berühmt machen/ wann sie nur von ihrer kriegerischen
Art wurde ablassen. Helvetios in literis & in coeteris honestis studiis egre-
grie valituros, si relictis bellis huc animum appellerent. Adag. Chiliad I.
Centur. VI. Adag.
14. Der Altvatter Hippocrates hat in seinem vortreff-
lichen Büchlein de Aere Aquis, & Locis, Text. 58. von der Beschaffenheit
Bergichter Landen ein gelehrtes Urtheil/ welches sich nicht ohnfein schicket
auf unser Schweizerland/ und deßwegen wolverdienet/ hieher gesetzet zu wer-
den. Ubi regio est nuda, natura munita, & aspera; quaeque & a frigore
hyberno prematur, & a Sole aestivo exuratur, ibi duros & robustos, & ar-
ticulis probe disjunctis, vegetosque & hirsutos reperias homines, & in
quibus a Natura laboris tolerantia, vigilantiaque insit, quique mores ha-
beant pertinaces, ad iram proclives, & contumaces, magisque feritate par-
ticipantes, quam mansuetudine: insuper ad Artes etiam acutiores, & plus
Solertes, & ad res bellicas gerendas aptiores. Quia & omnia, quae e Terra
proveniunt, Terrae ipsius naturam refipiunt, & sequuntur.
Disen Urtheil-
spruch Hippocratis lege mit untermischung etwelcher nöhtiger Anmerkun-
gen also auß. Wo das Land offen/ gegen allen Winden/ oder Weltgegen-
den/ bloß liget/ und von Natur mit Bergen wol umgeben/ oder verwahret;
über das eine grosse Winterkälte/ und heftige Sommerhitz außstehet/ wel-
ches auch in gewissem Verstand gesagt werden kan von unserem Schwei-
zerland/ sonderlich aber denen Thäleren/ welche von Abend gegen Morgen
ligen/ wie Wallis/ Veltlein/ etc. Da in dem Sommer die von allen Seiten
der Bergen in das Thal zurukprellende/ oder häuffig einfallende/ Sonnen-
stralen eine empfindliche Hitz verursachen/ Winterszeits aber grimmige Kälte
außstehen müssen. Jn so thanen Landen sein die Einwohnere von hartem
Leib/ gleichsam gestächlet/ stark/ wolgereimter Gestalt/ frisch/ gesund/ rauh-
härig: arbeitsam/ gedultig/ nicht alsobald ob der Arbeit verdrüssig/
sondern beständig/ wachtbar/ in ihrem Vornemmen und Tuhn härtnäckig/
Zornmühtig/ mehr Wild/ als Zahm: welche letstere Eigenschaften zum
Theil auch unserer Nation zukommen/ mehr aber denen Bergbewohneren
in warmen/ mittägigen Landen/ da die Geister von Natur erhizter/ und zu
zornigen Gemühtsbewegungen geneigter seyn/ dann wir Schweizer eher
gutmühtig/ als wild/ und unbarmherzig in Ansehung unsers temperaments
seyn. Vornemlich aber schicket sich auf uns/ was der grosse Hippocrates wei-
ters von Bergichten Völkeren schreibt/ daß sie zu ersinn- und außübung al-
lerhand Künsten und Wissenschaften sehr geschikt/ und zum Krieg/ wie wir

bald

auß welcher vil herꝛliche Maͤnner Geiſt- und Weltlichen Stands entſprun-
gen. Es hat auch der groſſe Eraſmus zu ſeiner Zeit von der Schweizeriſchen
Nation ſo gute Gedanken gehabt/ daß diſe in allerhand Theilen der Gelehrt-
heit wol koͤnte ſich beruͤhmt machen/ wann ſie nur von ihrer kriegeriſchen
Art wurde ablaſſen. Helvetios in literis & in cœteris honeſtis ſtudiis egre-
grie valituros, ſi relictis bellis huc animum appellerent. Adag. Chiliad I.
Centur. VI. Adag.
14. Der Altvatter Hippocrates hat in ſeinem vortreff-
lichen Buͤchlein de Aere Aquis, & Locis, Text. 58. von der Beſchaffenheit
Bergichter Landen ein gelehrtes Urtheil/ welches ſich nicht ohnfein ſchicket
auf unſer Schweizerland/ und deßwegen wolverdienet/ hieher geſetzet zu wer-
den. Ubi regio eſt nuda, naturâ munita, & aſpera; quæque & à frigore
hyberno prematur, & à Sole æſtivo exuratur, ibi duros & robuſtos, & ar-
ticulis probè diſjunctis, vegetosq́ue & hirſutos reperias homines, & in
quibus à Natura laboris tolerantia, vigilantiaq́ue inſit, quiq́ue mores ha-
beant pertinaces, ad iram proclives, & contumaces, magisq́ue feritate par-
ticipantes, quàm manſuetudine: inſuper ad Artes etiam acutiores, & plus
Solertes, & ad res bellicas gerendas aptiores. Quia & omnia, quæ e Terra
proveniunt, Terræ ipſius naturam refipiunt, & ſequuntur.
Diſen Urtheil-
ſpruch Hippocratis lege mit untermiſchung etwelcher noͤhtiger Anmerkun-
gen alſo auß. Wo das Land offen/ gegen allen Winden/ oder Weltgegen-
den/ bloß liget/ und von Natur mit Bergen wol umgeben/ oder verwahret;
über das eine groſſe Winterkaͤlte/ und heftige Sommerhitz außſtehet/ wel-
ches auch in gewiſſem Verſtand geſagt werden kan von unſerem Schwei-
zerland/ ſonderlich aber denen Thaͤleren/ welche von Abend gegen Morgen
ligen/ wie Wallis/ Veltlein/ ꝛc. Da in dem Sommer die von allen Seiten
der Bergen in das Thal zurukprellende/ oder haͤuffig einfallende/ Sonnen-
ſtralen eine empfindliche Hitz verurſachen/ Winterszeits aber grimmige Kaͤlte
außſtehen muͤſſen. Jn ſo thanen Landen ſein die Einwohnere von hartem
Leib/ gleichſam geſtaͤchlet/ ſtark/ wolgereimter Geſtalt/ friſch/ geſund/ rauh-
haͤrig: arbeitſam/ gedultig/ nicht alſobald ob der Arbeit verdrüſſig/
ſondern beſtaͤndig/ wachtbar/ in ihrem Vornemmen und Tuhn haͤrtnaͤckig/
Zornmuͤhtig/ mehr Wild/ als Zahm: welche letſtere Eigenſchaften zum
Theil auch unſerer Nation zukommen/ mehr aber denen Bergbewohneren
in warmen/ mittaͤgigen Landen/ da die Geiſter von Natur erhizter/ und zu
zornigen Gemuͤhtsbewegungen geneigter ſeyn/ dann wir Schweizer eher
gutmuͤhtig/ als wild/ und unbarmherzig in Anſehung unſers temperaments
ſeyn. Vornemlich aber ſchicket ſich auf uns/ was der groſſe Hippocrates wei-
ters von Bergichten Voͤlkeren ſchreibt/ daß ſie zu erſinn- und außuͤbung al-
lerhand Künſten und Wiſſenſchaften ſehr geſchikt/ und zum Krieg/ wie wir

bald
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[199/0212] auß welcher vil herꝛliche Maͤnner Geiſt- und Weltlichen Stands entſprun- gen. Es hat auch der groſſe Eraſmus zu ſeiner Zeit von der Schweizeriſchen Nation ſo gute Gedanken gehabt/ daß diſe in allerhand Theilen der Gelehrt- heit wol koͤnte ſich beruͤhmt machen/ wann ſie nur von ihrer kriegeriſchen Art wurde ablaſſen. Helvetios in literis & in cœteris honeſtis ſtudiis egre- grie valituros, ſi relictis bellis huc animum appellerent. Adag. Chiliad I. Centur. VI. Adag. 14. Der Altvatter Hippocrates hat in ſeinem vortreff- lichen Buͤchlein de Aere Aquis, & Locis, Text. 58. von der Beſchaffenheit Bergichter Landen ein gelehrtes Urtheil/ welches ſich nicht ohnfein ſchicket auf unſer Schweizerland/ und deßwegen wolverdienet/ hieher geſetzet zu wer- den. Ubi regio eſt nuda, naturâ munita, & aſpera; quæque & à frigore hyberno prematur, & à Sole æſtivo exuratur, ibi duros & robuſtos, & ar- ticulis probè diſjunctis, vegetosq́ue & hirſutos reperias homines, & in quibus à Natura laboris tolerantia, vigilantiaq́ue inſit, quiq́ue mores ha- beant pertinaces, ad iram proclives, & contumaces, magisq́ue feritate par- ticipantes, quàm manſuetudine: inſuper ad Artes etiam acutiores, & plus Solertes, & ad res bellicas gerendas aptiores. Quia & omnia, quæ e Terra proveniunt, Terræ ipſius naturam refipiunt, & ſequuntur. Diſen Urtheil- ſpruch Hippocratis lege mit untermiſchung etwelcher noͤhtiger Anmerkun- gen alſo auß. Wo das Land offen/ gegen allen Winden/ oder Weltgegen- den/ bloß liget/ und von Natur mit Bergen wol umgeben/ oder verwahret; über das eine groſſe Winterkaͤlte/ und heftige Sommerhitz außſtehet/ wel- ches auch in gewiſſem Verſtand geſagt werden kan von unſerem Schwei- zerland/ ſonderlich aber denen Thaͤleren/ welche von Abend gegen Morgen ligen/ wie Wallis/ Veltlein/ ꝛc. Da in dem Sommer die von allen Seiten der Bergen in das Thal zurukprellende/ oder haͤuffig einfallende/ Sonnen- ſtralen eine empfindliche Hitz verurſachen/ Winterszeits aber grimmige Kaͤlte außſtehen muͤſſen. Jn ſo thanen Landen ſein die Einwohnere von hartem Leib/ gleichſam geſtaͤchlet/ ſtark/ wolgereimter Geſtalt/ friſch/ geſund/ rauh- haͤrig: arbeitſam/ gedultig/ nicht alſobald ob der Arbeit verdrüſſig/ ſondern beſtaͤndig/ wachtbar/ in ihrem Vornemmen und Tuhn haͤrtnaͤckig/ Zornmuͤhtig/ mehr Wild/ als Zahm: welche letſtere Eigenſchaften zum Theil auch unſerer Nation zukommen/ mehr aber denen Bergbewohneren in warmen/ mittaͤgigen Landen/ da die Geiſter von Natur erhizter/ und zu zornigen Gemuͤhtsbewegungen geneigter ſeyn/ dann wir Schweizer eher gutmuͤhtig/ als wild/ und unbarmherzig in Anſehung unſers temperaments ſeyn. Vornemlich aber ſchicket ſich auf uns/ was der groſſe Hippocrates wei- ters von Bergichten Voͤlkeren ſchreibt/ daß ſie zu erſinn- und außuͤbung al- lerhand Künſten und Wiſſenſchaften ſehr geſchikt/ und zum Krieg/ wie wir bald

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/212>, abgerufen am 21.11.2024.