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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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Gemäur befinden/ darein genistet/ die sich bey der Nacht/ und etwann auch
Untertags hören lassen mit einem Geschrey/ als wann ein sterbender Mensch
auf dem Todbeth läge. Donnerstags den 10. 20. Jun. 1652. haben der
Nord- und Sudwind den ganzen Tag über heftig mit einanderen gestritten/
und das neblecht trübe Gewülck/ daß etliche Tag vorher/ und sonderbar
selbigen Morgen um die Berg her geschwebt/ ob der Statt zusamen getrie-
ben/ daß es Abends über der Statt anzusehen war/ wie ein schrofachter
Berg. Auß disem Gewölke haben sich bald nach 5. Uhren angefangen er-
giessen starke Platz-Regen/ mit Wetterleuchten/ und Donner. Um 6. Uhren
geschahe der erste Stralstreich in Wolffsthurn/ traffe noch etwas Pulffer-
staub darinnen an/ und zerrisse das Dach/ doch ohne fehrneren Schaden.
Der ander Schlag/ so Augenblicklich auf den ersten folgete/ gieng in den
Geißthurn/ der hardurch entzündet/ ehe als in einem Augenblick auß dem
Grund umgekehrt worden. Die Rinkmauren zu beyden seiten sein in die
200. Schritt lang darnider geworffen worden/ als wann ein Feind mit vilem
und starkem Geschütz bereits etliche Wochen lang hette eine Sturmlucke/
oder Breche, geschossen. Alle Häuser in der Neuen Statt/ auf Dorff/ zu
Stadelhoffen/ und an der Kirchgaß sein worden zu einem elenden Anblick.
Es ist bald kein Hauß in der ganzen Statt/ und um dieselbe/ unbeschädiget
geblieben/ und vermeinte ein jeder/ die Stral habe in sein eigen Hauß geschla-
gen. Der Gewalt des Pulvers/ dessen 423. Centner gewesen/ hat die Stein
durch die ganze Statt/ und gar über See gen Wollishoffen getragen. Da
der Thurn allbereit gelegen/ hat man noch drey verschiedene Streich gezehlt/
die auch auf das Fundament gangen. Um 8. Uhren schoffe die Stral in den
Carlithurn zum Grossen Münster/ der anfangs ein wenig gebrunnen/ aber
durch den starken Regen wider gelöschet worden. Man hat auch einen
Streich gewahret an einer Linden auf dem Hof. Ein anderer ist gangen in
M. Anthoni Frigenthals/ des Pastetenbecken Hauß/ und widerum einer in
Hr. Amtman Füßlins Hauß am Rennweg. Man sagt/ es habe so oft ge-
schlagen/ so oft es geblitzet. Jn währendem disem Jamer sein getödet worden
7. Personen/ verletzet zwey und dreyssig. Gleichwol hat Gott auch erzeiget
seine vilfaltige Güte/ besonderbar in erhaltung kleiner Kinderen/ wel-
che mitten in dem Steinhagel ohnbeschädiget geblieben. Man hat Bey-
spiel/ daß eine Wiege zermürset worden/ und dem darinn ligenden Kind
kein Leid widerfahren; Das zwey Kinder in einem Bad bey einanderen ge-
sessen/ mit grossen Steinen gleichsam umbmauret worden/ ihnen ohne Scha-
den: Daß vier Kinder auf einem Tisch gesessen/ denen die Pfosten von zer-
brochenen Fensteren um die Häuptlein geflogen/ und doch nichts ge-
schadet. etc.

Gemaͤur befinden/ darein geniſtet/ die ſich bey der Nacht/ und etwann auch
Untertags hoͤren laſſen mit einem Geſchrey/ als wann ein ſterbender Menſch
auf dem Todbeth laͤge. Donnerſtags den 10. 20. Jun. 1652. haben der
Nord- und Sudwind den ganzen Tag uͤber heftig mit einanderen geſtritten/
und das neblecht truͤbe Gewülck/ daß etliche Tag vorher/ und ſonderbar
ſelbigen Morgen um die Berg her geſchwebt/ ob der Statt zuſamen getrie-
ben/ daß es Abends uͤber der Statt anzuſehen war/ wie ein ſchrofachter
Berg. Auß diſem Gewoͤlke haben ſich bald nach 5. Uhren angefangen er-
gieſſen ſtarke Platz-Regen/ mit Wetterleuchten/ und Donner. Um 6. Uhren
geſchahe der erſte Stralſtreich in Wolffsthurn/ traffe noch etwas Pulffer-
ſtaub darinnen an/ und zerꝛiſſe das Dach/ doch ohne fehrneren Schaden.
Der ander Schlag/ ſo Augenblicklich auf den erſten folgete/ gieng in den
Geißthurn/ der hardurch entzündet/ ehe als in einem Augenblick auß dem
Grund umgekehrt worden. Die Rinkmauren zu beyden ſeiten ſein in die
200. Schritt lang darnider geworffen worden/ als wann ein Feind mit vilem
und ſtarkem Geſchütz bereits etliche Wochen lang hette eine Sturmlucke/
oder Breche, geſchoſſen. Alle Haͤuſer in der Neuen Statt/ auf Dorff/ zu
Stadelhoffen/ und an der Kirchgaß ſein worden zu einem elenden Anblick.
Es iſt bald kein Hauß in der ganzen Statt/ und um dieſelbe/ unbeſchaͤdiget
geblieben/ und vermeinte ein jeder/ die Stral habe in ſein eigen Hauß geſchla-
gen. Der Gewalt des Pulvers/ deſſen 423. Centner geweſen/ hat die Stein
durch die ganze Statt/ und gar uͤber See gen Wollishoffen getragen. Da
der Thurn allbereit gelegen/ hat man noch drey verſchiedene Streich gezehlt/
die auch auf das Fundament gangen. Um 8. Uhren ſchoffe die Stral in den
Carlithurn zum Groſſen Münſter/ der anfangs ein wenig gebrunnen/ aber
durch den ſtarken Regen wider geloͤſchet worden. Man hat auch einen
Streich gewahret an einer Linden auf dem Hof. Ein anderer iſt gangen in
M. Anthoni Frigenthals/ des Paſtetenbecken Hauß/ und widerum einer in
Hr. Amtman Fuͤßlins Hauß am Rennweg. Man ſagt/ es habe ſo oft ge-
ſchlagen/ ſo oft es geblitzet. Jn waͤhrendem diſem Jamer ſein getoͤdet worden
7. Perſonen/ verletzet zwey und dreyſſig. Gleichwol hat Gott auch erzeiget
ſeine vilfaltige Guͤte/ beſonderbar in erhaltung kleiner Kinderen/ wel-
che mitten in dem Steinhagel ohnbeſchaͤdiget geblieben. Man hat Bey-
ſpiel/ daß eine Wiege zermürſet worden/ und dem darinn ligenden Kind
kein Leid widerfahren; Das zwey Kinder in einem Bad bey einanderen ge-
ſeſſen/ mit groſſen Steinen gleichſam umbmauret worden/ ihnen ohne Scha-
den: Daß vier Kinder auf einem Tiſch geſeſſen/ denen die Pfoſten von zer-
brochenen Fenſteren um die Haͤuptlein geflogen/ und doch nichts ge-
ſchadet. ꝛc.

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[68/0077] Gemaͤur befinden/ darein geniſtet/ die ſich bey der Nacht/ und etwann auch Untertags hoͤren laſſen mit einem Geſchrey/ als wann ein ſterbender Menſch auf dem Todbeth laͤge. Donnerſtags den 10. 20. Jun. 1652. haben der Nord- und Sudwind den ganzen Tag uͤber heftig mit einanderen geſtritten/ und das neblecht truͤbe Gewülck/ daß etliche Tag vorher/ und ſonderbar ſelbigen Morgen um die Berg her geſchwebt/ ob der Statt zuſamen getrie- ben/ daß es Abends uͤber der Statt anzuſehen war/ wie ein ſchrofachter Berg. Auß diſem Gewoͤlke haben ſich bald nach 5. Uhren angefangen er- gieſſen ſtarke Platz-Regen/ mit Wetterleuchten/ und Donner. Um 6. Uhren geſchahe der erſte Stralſtreich in Wolffsthurn/ traffe noch etwas Pulffer- ſtaub darinnen an/ und zerꝛiſſe das Dach/ doch ohne fehrneren Schaden. Der ander Schlag/ ſo Augenblicklich auf den erſten folgete/ gieng in den Geißthurn/ der hardurch entzündet/ ehe als in einem Augenblick auß dem Grund umgekehrt worden. Die Rinkmauren zu beyden ſeiten ſein in die 200. Schritt lang darnider geworffen worden/ als wann ein Feind mit vilem und ſtarkem Geſchütz bereits etliche Wochen lang hette eine Sturmlucke/ oder Breche, geſchoſſen. Alle Haͤuſer in der Neuen Statt/ auf Dorff/ zu Stadelhoffen/ und an der Kirchgaß ſein worden zu einem elenden Anblick. Es iſt bald kein Hauß in der ganzen Statt/ und um dieſelbe/ unbeſchaͤdiget geblieben/ und vermeinte ein jeder/ die Stral habe in ſein eigen Hauß geſchla- gen. Der Gewalt des Pulvers/ deſſen 423. Centner geweſen/ hat die Stein durch die ganze Statt/ und gar uͤber See gen Wollishoffen getragen. Da der Thurn allbereit gelegen/ hat man noch drey verſchiedene Streich gezehlt/ die auch auf das Fundament gangen. Um 8. Uhren ſchoffe die Stral in den Carlithurn zum Groſſen Münſter/ der anfangs ein wenig gebrunnen/ aber durch den ſtarken Regen wider geloͤſchet worden. Man hat auch einen Streich gewahret an einer Linden auf dem Hof. Ein anderer iſt gangen in M. Anthoni Frigenthals/ des Paſtetenbecken Hauß/ und widerum einer in Hr. Amtman Fuͤßlins Hauß am Rennweg. Man ſagt/ es habe ſo oft ge- ſchlagen/ ſo oft es geblitzet. Jn waͤhrendem diſem Jamer ſein getoͤdet worden 7. Perſonen/ verletzet zwey und dreyſſig. Gleichwol hat Gott auch erzeiget ſeine vilfaltige Guͤte/ beſonderbar in erhaltung kleiner Kinderen/ wel- che mitten in dem Steinhagel ohnbeſchaͤdiget geblieben. Man hat Bey- ſpiel/ daß eine Wiege zermürſet worden/ und dem darinn ligenden Kind kein Leid widerfahren; Das zwey Kinder in einem Bad bey einanderen ge- ſeſſen/ mit groſſen Steinen gleichſam umbmauret worden/ ihnen ohne Scha- den: Daß vier Kinder auf einem Tiſch geſeſſen/ denen die Pfoſten von zer- brochenen Fenſteren um die Haͤuptlein geflogen/ und doch nichts ge- ſchadet. ꝛc.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/77>, abgerufen am 24.11.2024.