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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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in der Gruben aber funden sie gar nichts. Da sie sich aber weiters umsahen/
um zusehen/ was noch anzutreffen seye/ da funden sie an dem Reinlein dises
Ackers etwann 8. Schritt von der Grube einen schwarzen Stein, deßglei-
chen kein anderer nicht zusehen ware; worüberhin sie vestiglich glaubten/
daß derselbe auß dem Luft heruntergefallen sey: welchen Stein sie dem Pre-
dicanten des Ohrts/ Herren Jacob Dünki/ so nun Pfarrer ist zu Münsin-
gen/ überbracht/ welcher ihne hernach auf die Bibliothec zu Bern nebst bis-
her erzehlten attestat verehrt.

Es ist eine grosse Streitfrag der Stralsteinen halb/ ob es derglei-
chen in der Luft mit der Stral gezeugete Steine gebe/ und wie sie so ge-
schwind in der Luft können gestaltet werden? Fraget man den gemeinen
Mann/ so bekommet man ohne Aufschub ein Jawort. Jn bald allen Natu-
ralien-
und Kunstkammeren sihet man Stralsteine von verschiedener Art und
Form ligen/ und in dem Mineralischen Reich einen eigenen Titul außma-
chen. Ja/ weilen gemeinlich nach geschossener Stral die Steine unsichtbar
werden/ so haben die Gelehrten/ und ungelehrten/ allerhand andere Steine
zu Stralsteinen gemachet/ deren Gestalt namlich ihnen also vorkommen/
daß sie könten die Stelle eines solchen Luft steins vertretten. Da komt einer
her/ der einen Pyritam, Schwefelkieß/ darbietet vor einen Stralstein. Ein
anderer bringt Crystallen/ welche auch gemeinlich Stralen heissen. Ein
dritter pranget mit dem so genanten Belemnite, Lapide Lyncis, oder Luchs-
stein/
dessen zugespizte Pfeilförmige Figur den Anlas zur Fabel gegeben.
Ein vierter ziehet auf mit denen Ombriis, oder Echinitis, Krötten- oder
Seeapfelsteinen/ und weiset sonderlich als ein stralendes Merkzeichen
auf derselben 5. auß einem Mittelpunct außgehenden Streimen/ oder
Striche. Ein fünfter bringet wahre Kieselsteine/ absonderlich solche/ welche
eine Beihel- oder Axtförmige Gestalt haben/ dergleichen man hin und wider
findet in den Grabstätten der alten Cimbrieren/ und Gothen. Dise alle aber
bestehen auf so schlechtem Fundament/ daß man sie heutigs Tags/ da die
Mineralien mit grösserem Fleiß/ als jemahlen/ undersucht werden/ kaum wür-
diget einer grundtlichen Widerlegung. Die wahrscheinlichsten Stralsteine
sein schwarz angelofsen/ uneben/ und gleichsam geschmolzen/ geben beneben
einen Schwefelgeruch von sich/ wann sie gerieben werden. Ein solcher wiget
auf der Waagschale der Vernunft mehr/ als hundert Centner obangezo-
gener Crystallen/ Schwefelkießen/ Luchs-Krotten- und Kieselsteinen/ in-
sonderheit/ wann darzu kommen dergleichen glaubwirdige Umstände/ die wir
in vorhabender Geschicht gelesen. etc.

in der Gruben aber funden ſie gar nichts. Da ſie ſich aber weiters umſahen/
um zuſehen/ was noch anzutreffen ſeye/ da funden ſie an dem Reinlein diſes
Ackers etwann 8. Schritt von der Grube einen ſchwarzen Stein, deßglei-
chen kein anderer nicht zuſehen ware; woruͤberhin ſie veſtiglich glaubten/
daß derſelbe auß dem Luft heruntergefallen ſey: welchen Stein ſie dem Pre-
dicanten des Ohrts/ Herꝛen Jacob Dünki/ ſo nun Pfarꝛer iſt zu Münſin-
gen/ uͤberbracht/ welcher ihne hernach auf die Bibliothec zu Bern nebſt bis-
her erzehlten atteſtat verehrt.

Es iſt eine groſſe Streitfrag der Stralſteinen halb/ ob es derglei-
chen in der Luft mit der Stral gezeugete Steine gebe/ und wie ſie ſo ge-
ſchwind in der Luft koͤnnen geſtaltet werden? Fraget man den gemeinen
Mann/ ſo bekommet man ohne Aufſchub ein Jawort. Jn bald allen Natu-
ralien-
und Kunſtkammeren ſihet man Stralſteine von verſchiedener Art und
Form ligen/ und in dem Mineraliſchen Reich einen eigenen Titul außma-
chen. Ja/ weilen gemeinlich nach geſchoſſener Stral die Steine unſichtbar
werden/ ſo haben die Gelehrten/ und ungelehrten/ allerhand andere Steine
zu Stralſteinen gemachet/ deren Geſtalt namlich ihnen alſo vorkommen/
daß ſie koͤnten die Stelle eines ſolchen Luft ſteins vertretten. Da komt einer
her/ der einen Pyritam, Schwefelkieß/ darbietet vor einen Stralſtein. Ein
anderer bringt Cryſtallen/ welche auch gemeinlich Stralen heiſſen. Ein
dritter pranget mit dem ſo genanten Belemnite, Lapide Lyncis, oder Luchs-
ſtein/
deſſen zugeſpizte Pfeilfoͤrmige Figur den Anlas zur Fabel gegeben.
Ein vierter ziehet auf mit denen Ombriis, oder Echinitis, Kroͤtten- oder
Seeapfelſteinen/ und weiſet ſonderlich als ein ſtralendes Merkzeichen
auf derſelben 5. auß einem Mittelpunct außgehenden Streimen/ oder
Striche. Ein fuͤnfter bringet wahre Kieſelſteine/ abſonderlich ſolche/ welche
eine Beihel- oder Axtfoͤrmige Geſtalt haben/ dergleichen man hin und wider
findet in den Grabſtaͤtten der alten Cimbrieren/ und Gothen. Diſe alle aber
beſtehen auf ſo ſchlechtem Fundament/ daß man ſie heutigs Tags/ da die
Mineralien mit groͤſſerem Fleiß/ als jemahlen/ underſucht werden/ kaum wuͤr-
diget einer grundtlichen Widerlegung. Die wahrſcheinlichſten Stralſteine
ſein ſchwarz angelofſen/ uneben/ und gleichſam geſchmolzen/ geben beneben
einen Schwefelgeruch von ſich/ wann ſie gerieben werden. Ein ſolcher wiget
auf der Waagſchale der Vernunft mehr/ als hundert Centner obangezo-
gener Cryſtallen/ Schwefelkießen/ Luchs-Krotten- und Kieſelſteinen/ in-
ſonderheit/ wann darzu kommen dergleichen glaubwirdige Umſtaͤnde/ die wir
in vorhabender Geſchicht geleſen. ꝛc.

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[76/0085] in der Gruben aber funden ſie gar nichts. Da ſie ſich aber weiters umſahen/ um zuſehen/ was noch anzutreffen ſeye/ da funden ſie an dem Reinlein diſes Ackers etwann 8. Schritt von der Grube einen ſchwarzen Stein, deßglei- chen kein anderer nicht zuſehen ware; woruͤberhin ſie veſtiglich glaubten/ daß derſelbe auß dem Luft heruntergefallen ſey: welchen Stein ſie dem Pre- dicanten des Ohrts/ Herꝛen Jacob Dünki/ ſo nun Pfarꝛer iſt zu Münſin- gen/ uͤberbracht/ welcher ihne hernach auf die Bibliothec zu Bern nebſt bis- her erzehlten atteſtat verehrt. Es iſt eine groſſe Streitfrag der Stralſteinen halb/ ob es derglei- chen in der Luft mit der Stral gezeugete Steine gebe/ und wie ſie ſo ge- ſchwind in der Luft koͤnnen geſtaltet werden? Fraget man den gemeinen Mann/ ſo bekommet man ohne Aufſchub ein Jawort. Jn bald allen Natu- ralien- und Kunſtkammeren ſihet man Stralſteine von verſchiedener Art und Form ligen/ und in dem Mineraliſchen Reich einen eigenen Titul außma- chen. Ja/ weilen gemeinlich nach geſchoſſener Stral die Steine unſichtbar werden/ ſo haben die Gelehrten/ und ungelehrten/ allerhand andere Steine zu Stralſteinen gemachet/ deren Geſtalt namlich ihnen alſo vorkommen/ daß ſie koͤnten die Stelle eines ſolchen Luft ſteins vertretten. Da komt einer her/ der einen Pyritam, Schwefelkieß/ darbietet vor einen Stralſtein. Ein anderer bringt Cryſtallen/ welche auch gemeinlich Stralen heiſſen. Ein dritter pranget mit dem ſo genanten Belemnite, Lapide Lyncis, oder Luchs- ſtein/ deſſen zugeſpizte Pfeilfoͤrmige Figur den Anlas zur Fabel gegeben. Ein vierter ziehet auf mit denen Ombriis, oder Echinitis, Kroͤtten- oder Seeapfelſteinen/ und weiſet ſonderlich als ein ſtralendes Merkzeichen auf derſelben 5. auß einem Mittelpunct außgehenden Streimen/ oder Striche. Ein fuͤnfter bringet wahre Kieſelſteine/ abſonderlich ſolche/ welche eine Beihel- oder Axtfoͤrmige Geſtalt haben/ dergleichen man hin und wider findet in den Grabſtaͤtten der alten Cimbrieren/ und Gothen. Diſe alle aber beſtehen auf ſo ſchlechtem Fundament/ daß man ſie heutigs Tags/ da die Mineralien mit groͤſſerem Fleiß/ als jemahlen/ underſucht werden/ kaum wuͤr- diget einer grundtlichen Widerlegung. Die wahrſcheinlichſten Stralſteine ſein ſchwarz angelofſen/ uneben/ und gleichſam geſchmolzen/ geben beneben einen Schwefelgeruch von ſich/ wann ſie gerieben werden. Ein ſolcher wiget auf der Waagſchale der Vernunft mehr/ als hundert Centner obangezo- gener Cryſtallen/ Schwefelkießen/ Luchs-Krotten- und Kieſelſteinen/ in- ſonderheit/ wann darzu kommen dergleichen glaubwirdige Umſtaͤnde/ die wir in vorhabender Geſchicht geleſen. ꝛc.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/85>, abgerufen am 21.11.2024.