Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.Jch bemerke bey disem Anlas nicht nur/ daß die Pündtnerische Sprach Jn dem Sessiter Thal/ Valle Sessia, ist eine Gemeind/ Presmello, Es vermeint Tschudius in seiner Helvetia Antiq. und auß ihme Stum- Wir reisen fort/ und kommen über die Tavetscher Gebirge/ so ein Arm sein
Jch bemerke bey diſem Anlas nicht nur/ daß die Puͤndtneriſche Sprach Jn dem Seſſiter Thal/ Valle Seſſia, iſt eine Gemeind/ Presmello, Es vermeint Tſchudius in ſeiner Helvetia Antiq. und auß ihme Stum- Wir reiſen fort/ und kommen uͤber die Tavetſcher Gebirge/ ſo ein Arm ſein
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Jch bemerke bey diſem Anlas nicht nur/ daß die Puͤndtneriſche Sprach
ihre ſo verſchiedene Gattungen/ oder Dialectes hat/ daß ſie unter einanderen
ſich nicht verſtehen koͤnnen/ ſondern diſes ins beſonder/ welches kaum in eini-
chem Weltbezirk anzutreffen/ daß in diſen hohen Gebirgichten Landen/ oft in
einem Begriff von wenig Stunden/ ganz verſchiedene Sprachen/ bald die
Teutſche/ bald eine von Puͤndtneriſchen/ uͤblich ſein/ welches nicht wenig bey-
tragen kan zur Trennung der Nachbarlichen Gemuͤhteren ſelbs.
Jn dem Seſſiter Thal/ Valle Seſſia, iſt eine Gemeind/ Presmello,
welche Teutſch redet/ da ſonſten im ganzen Thal eine andere Sprach regie-
ret. Jn dem Val d’ Oscela, Oscelana Valle, redet man auch Teutſch/ zu
Bonmatt/ in uͤbrigen Doͤrfferen aber ein verderbt Jtalieniſche Sprach.
Jn dem Meynthal/ Madia Valle, iſt auch eine mit Jtalieniſchen Gemein-
den umzingelte Teutſche Pfarꝛey. Jn dem Schamſer Thal/ Sexam-
nina Valle, ſo liget zwiſchen Spluͤgen/ und Domleſchg/ iſt uͤblich die Puͤndt-
ner Sprach/ da hingegen man bey dem Urſprung des hinderen Rheins ſelbs/
und im Domleſchg/ Teutſch redet. Bey dem Urſprung des Rhodans/ und
der Reuß gegen dem Urſeren Thal redet man Teutſch/ in dem uͤbrigen
Walliß aber andere Sprachen/ welche bald der Jtalieniſchen naͤher zu kom-
men/ bald der Franzoͤſiſchen.
Es vermeint Tſchudius in ſeiner Helvetia Antiq. und auß ihme Stum-
phius Lib. IX. cap. 2. es ſeyen diſe Teutſchen/ wahre alte Lepontiſche Voͤlker/
von denen Weltherꝛſchenden Roͤmeren auß ihren Gebirgen nicht vertriben/
noch auch ihrer Sprach halben beunruhiget worden/ theils/ damit ſie nicht/
wann ſie hart gehalten wurden/ ſich des Roͤmiſchen Jochs mit leichter Muͤ-
he wegen Vortheils der hohen Bergen/ und engen Paͤſſen entladeten/ theils/
damit ſie/ die Roͤmer/ ihre Paͤſſe offen behielten uͤber die Gebirge/ worzu frem-
de/ anderſtwoher gefuͤhrte/ Colonien nicht ſo tauglich geweſen/ als die alten
Einwohnere ſelbs/ als welche des rauhen Berglebens gewohnt/ und deßwe-
gen nicht koͤnten mit hartem Joch beleget werden; Da hingegen andere zah-
mere/ in tieffen ebenen Tbaͤleren gelegene Voͤlker nicht nur ſich voͤllig muͤß-
ten dem Roͤmiſchen Gewalt unterwerffen/ ſondern auch die Weltherꝛſchen-
de Sprach annehmen. Diſen gelehrten Muhtmaſſungen Tſchudy kan
meines erachtens nachgeſezt werden eine andere in der Klugheit der Roͤmi-
ſchen Policey begruͤndete Staats-Maxime, nach welcher villeicht die Roͤmer
gut befunden/ in diſe Bergichte Lande einzufuͤhren verſchiedene Sprachen/
als ein bequemes Mittel zur Zertheilung der Gemuͤhteren ſelbs/ worzu ſelbs
dienen koͤnnen das ungleiche Tractament/ darmit ſie ſein angeſehen/ und in
Eiferſucht gegen/ und widereinanderen/ verleitet worden.
Wir reiſen fort/ und kommen uͤber die Tavetſcher Gebirge/ ſo ein Arm
ſein
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