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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Theresiade

"Uns aber eins: gesehn, gekommen und gesiegt,
"Weil eine kurze Frist so viel für uns gefügt,
"Daß diese Feindes-Macht schon in die Flucht geschlagen,
340"Eh wir noch selbst gewußt, ob wir es wollen wagen.

"Hätt man die Lauffenden bey so verwirrter Flucht
"Durch Feuer, Mord und Schwert zu züchtigen gesucht,
"So wär ein Adler Schwarm nicht schnell genug gewesen;
"So färtig konnten sie sich der Gefahr erlösen.

345
"Niemahls erhörte Flucht! so schnell als wunderlich!
"Es blieben Waffen, Wehr, Geschüz und Muth im Stich.
"Die Furcht bewog sie so, daß Schaar auf Schaaren rennte,
"Und aller Orten sich von ihrer Ordnung trennte;
"Ob gleich ihr Führer uns nicht, als von weiten nur
350"Jn seine Nachbarschaft gerückt zu seyn, erfuhr:

"Und sie durch ihre Furcht den Untergang erreichten,
"Da sie für Angst und Last, und Mattigkeit erbleichten.
"Da lernt' ich, daß man leicht mit jenem Feinde sicht,
"Der nur mit Worten droht, nichts in der That verricht.
355"Wie pochte dieser Schwarm? wie mußte man nicht zittern?

"Befahl er nicht so gar auch selber den Gebiethern?
"Jedoch von uns entfernt; eh er mein Heer gespührt,
"Sagt! hat er in dem Sinn nicht Wunder ausgeführt?
"Kaum aber zeigten wir desselben Stolz die Spize,
360"So riß er aus, und wies: was Dunst und Hochmut nüze.
"So

Thereſiade

„Uns aber eins: geſehn, gekommen und geſiegt,
„Weil eine kurze Friſt ſo viel fuͤr uns gefuͤgt,
„Daß dieſe Feindes-Macht ſchon in die Flucht geſchlagen,
340„Eh wir noch ſelbſt gewußt, ob wir es wollen wagen.

„Haͤtt man die Lauffenden bey ſo verwirꝛter Flucht
„Durch Feuer, Mord und Schwert zu zuͤchtigen geſucht,
„So waͤr ein Adler Schwarm nicht ſchnell genug geweſen;
„So faͤrtig konnten ſie ſich der Gefahr erloͤſen.

345
„Niemahls erhoͤrte Flucht! ſo ſchnell als wunderlich!
„Es blieben Waffen, Wehr, Geſchuͤz und Muth im Stich.
„Die Furcht bewog ſie ſo, daß Schaar auf Schaaren rennte,
„Und aller Orten ſich von ihrer Ordnung trennte;
„Ob gleich ihr Fuͤhrer uns nicht, als von weiten nur
350„Jn ſeine Nachbarſchaft geruͤckt zu ſeyn, erfuhr:

„Und ſie durch ihre Furcht den Untergang erreichten,
„Da ſie fuͤr Angſt und Laſt, und Mattigkeit erbleichten.
„Da lernt’ ich, daß man leicht mit jenem Feinde ſicht,
„Der nur mit Worten droht, nichts in der That verricht.
355„Wie pochte dieſer Schwarm? wie mußte man nicht zittern?

„Befahl er nicht ſo gar auch ſelber den Gebiethern?
„Jedoch von uns entfernt; eh er mein Heer geſpuͤhrt,
„Sagt! hat er in dem Sinn nicht Wunder ausgefuͤhrt?
„Kaum aber zeigten wir deſſelben Stolz die Spize,
360„So riß er aus, und wies: was Dunſt und Hochmut nuͤze.
„So
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[0131] Thereſiade „Uns aber eins: geſehn, gekommen und geſiegt, „Weil eine kurze Friſt ſo viel fuͤr uns gefuͤgt, „Daß dieſe Feindes-Macht ſchon in die Flucht geſchlagen, „Eh wir noch ſelbſt gewußt, ob wir es wollen wagen. „Haͤtt man die Lauffenden bey ſo verwirꝛter Flucht „Durch Feuer, Mord und Schwert zu zuͤchtigen geſucht, „So waͤr ein Adler Schwarm nicht ſchnell genug geweſen; „So faͤrtig konnten ſie ſich der Gefahr erloͤſen. „Niemahls erhoͤrte Flucht! ſo ſchnell als wunderlich! „Es blieben Waffen, Wehr, Geſchuͤz und Muth im Stich. „Die Furcht bewog ſie ſo, daß Schaar auf Schaaren rennte, „Und aller Orten ſich von ihrer Ordnung trennte; „Ob gleich ihr Fuͤhrer uns nicht, als von weiten nur „Jn ſeine Nachbarſchaft geruͤckt zu ſeyn, erfuhr: „Und ſie durch ihre Furcht den Untergang erreichten, „Da ſie fuͤr Angſt und Laſt, und Mattigkeit erbleichten. „Da lernt’ ich, daß man leicht mit jenem Feinde ſicht, „Der nur mit Worten droht, nichts in der That verricht. „Wie pochte dieſer Schwarm? wie mußte man nicht zittern? „Befahl er nicht ſo gar auch ſelber den Gebiethern? „Jedoch von uns entfernt; eh er mein Heer geſpuͤhrt, „Sagt! hat er in dem Sinn nicht Wunder ausgefuͤhrt? „Kaum aber zeigten wir deſſelben Stolz die Spize, „So riß er aus, und wies: was Dunſt und Hochmut nuͤze. „So

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/131>, abgerufen am 21.11.2024.