Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Theresiade

"Die Gänge wimmeln schon von der bedeckten Schaar,
"Man schleicht auf Schlangen Art, verachtet die Gefahr;
155"Man eilet still und schnell: man fängt sich an zu theilen

"Auf dem bestimmten Plaz dem Siege nachzueilen.
"Sanft, still gibt man Befehl; des Feindes Haupt-Geschäfft
"Jst, daß sein Wiz, den Feind zu höhnen, ligt und schläft.
"Der Angriff rasselt schon, man sucht an allen Seiten
160"Um Freyheit, oder Tod, auf Löwen Art zu streiten;

"Man sticht, man haut, man wirfft, die Wachten seynd schon hin:
"Man höret Streich auf Streich, und sieht schon Zelter glühn.
"Ein jeder muntert sich und folgt dem Muth der Brüder,
"Bricht, schlachtet, reißt und dringt durch Gassen, Reih und Glieder
165"Mit Picken, Schild und Schwert, mit Pech-ernährtem Brand;

"Der angeflammte Zorn bewehret Brust und Hand.
"Was je zum Morden taugt; Stein, Hacken, Spieß und Hamer
"Rauscht aller Orten durch, erwecket Flucht und Jammer.
"Das ganze Lager bebt für Eisen, Grimm und Gluth,
170"Die Luft bedeckt der Dampf, den Boden Tod und Bluth.

"Würg, stürz und seng und brenn, zerschmettre, brich und biege,
"Nimmt alle Winckel ein; man kennt schon fast wer siege.
"Durch den verwirrten Kampf, durch das erboßte Schwert,
"Wird der Verzweiflenden Rachgierigkeit vermehrt.
175"Sie sehn schon allgemach den Baum der Hoffnung blühen,

"Der nicht im Schlaf erbleicht, muß Waffen-bloß entfliehen.

"Ein

Thereſiade

„Die Gaͤnge wimmeln ſchon von der bedeckten Schaar,
„Man ſchleicht auf Schlangen Art, verachtet die Gefahr;
155„Man eilet ſtill und ſchnell: man faͤngt ſich an zu theilen

„Auf dem beſtimmten Plaz dem Siege nachzueilen.
„Sanft, ſtill gibt man Befehl; des Feindes Haupt-Geſchaͤfft
„Jſt, daß ſein Wiz, den Feind zu hoͤhnen, ligt und ſchlaͤft.
„Der Angriff raſſelt ſchon, man ſucht an allen Seiten
160„Um Freyheit, oder Tod, auf Loͤwen Art zu ſtreiten;

„Man ſticht, man haut, man wirfft, die Wachten ſeynd ſchon hin:
„Man hoͤret Streich auf Streich, und ſieht ſchon Zelter gluͤhn.
„Ein jeder muntert ſich und folgt dem Muth der Bruͤder,
„Bricht, ſchlachtet, reißt und dringt durch Gaſſen, Reih und Glieder
165„Mit Picken, Schild und Schwert, mit Pech-ernaͤhrtem Brand;

„Der angeflammte Zorn bewehret Bruſt und Hand.
„Was je zum Morden taugt; Stein, Hacken, Spieß und Hamer
„Rauſcht aller Orten durch, erwecket Flucht und Jammer.
„Das ganze Lager bebt fuͤr Eiſen, Grimm und Gluth,
170„Die Luft bedeckt der Dampf, den Boden Tod und Bluth.

„Wuͤrg, ſtuͤrz und ſeng und brenn, zerſchmettre, brich und biege,
„Nimmt alle Winckel ein; man kennt ſchon faſt wer ſiege.
„Durch den verwirꝛten Kampf, durch das erboßte Schwert,
„Wird der Verzweiflenden Rachgierigkeit vermehrt.
175„Sie ſehn ſchon allgemach den Baum der Hoffnung bluͤhen,

„Der nicht im Schlaf erbleicht, muß Waffen-bloß entfliehen.

„Ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg>
              <l>
                <pb facs="#f0183"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>&#x201E;Die Ga&#x0364;nge wimmeln &#x017F;chon von der bedeckten Schaar,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Man &#x017F;chleicht auf Schlangen Art, verachtet die Gefahr;<lb/><note place="left">155</note>&#x201E;Man eilet &#x017F;till und &#x017F;chnell: man fa&#x0364;ngt &#x017F;ich an zu theilen</l><lb/>
              <l>&#x201E;Auf dem be&#x017F;timmten Plaz dem Siege nachzueilen.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Sanft, &#x017F;till gibt man Befehl; des Feindes Haupt-Ge&#x017F;cha&#x0364;fft</l><lb/>
              <l>&#x201E;J&#x017F;t, daß &#x017F;ein Wiz, den Feind zu ho&#x0364;hnen, ligt und &#x017F;chla&#x0364;ft.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der Angriff ra&#x017F;&#x017F;elt &#x017F;chon, man &#x017F;ucht an allen Seiten<lb/><note place="left">160</note>&#x201E;Um Freyheit, oder Tod, auf Lo&#x0364;wen Art zu &#x017F;treiten;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Man &#x017F;ticht, man haut, man wirfft, die Wachten &#x017F;eynd &#x017F;chon hin:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Man ho&#x0364;ret Streich auf Streich, und &#x017F;ieht &#x017F;chon Zelter glu&#x0364;hn.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ein jeder muntert &#x017F;ich und folgt dem Muth der Bru&#x0364;der,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Bricht, &#x017F;chlachtet, reißt und dringt durch Ga&#x017F;&#x017F;en, Reih und Glieder<lb/><note place="left">165</note>&#x201E;Mit Picken, Schild und Schwert, mit Pech-erna&#x0364;hrtem Brand;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der angeflammte Zorn bewehret Bru&#x017F;t und Hand.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Was je zum Morden taugt; Stein, Hacken, Spieß und Hamer</l><lb/>
              <l>&#x201E;Rau&#x017F;cht aller Orten durch, erwecket Flucht und Jammer.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das ganze Lager bebt fu&#x0364;r Ei&#x017F;en, Grimm und Gluth,<lb/><note place="left">170</note>&#x201E;Die Luft bedeckt der Dampf, den Boden Tod und Bluth.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wu&#x0364;rg, &#x017F;tu&#x0364;rz und &#x017F;eng und brenn, zer&#x017F;chmettre, brich und biege,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Nimmt alle Winckel ein; man kennt &#x017F;chon fa&#x017F;t wer &#x017F;iege.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Durch den verwir&#xA75B;ten Kampf, durch das erboßte Schwert,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wird der Verzweiflenden Rachgierigkeit vermehrt.<lb/><note place="left">175</note>&#x201E;Sie &#x017F;ehn &#x017F;chon allgemach den Baum der Hoffnung blu&#x0364;hen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der nicht im Schlaf erbleicht, muß Waffen-bloß entfliehen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Ein</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0183] Thereſiade „Die Gaͤnge wimmeln ſchon von der bedeckten Schaar, „Man ſchleicht auf Schlangen Art, verachtet die Gefahr; „Man eilet ſtill und ſchnell: man faͤngt ſich an zu theilen „Auf dem beſtimmten Plaz dem Siege nachzueilen. „Sanft, ſtill gibt man Befehl; des Feindes Haupt-Geſchaͤfft „Jſt, daß ſein Wiz, den Feind zu hoͤhnen, ligt und ſchlaͤft. „Der Angriff raſſelt ſchon, man ſucht an allen Seiten „Um Freyheit, oder Tod, auf Loͤwen Art zu ſtreiten; „Man ſticht, man haut, man wirfft, die Wachten ſeynd ſchon hin: „Man hoͤret Streich auf Streich, und ſieht ſchon Zelter gluͤhn. „Ein jeder muntert ſich und folgt dem Muth der Bruͤder, „Bricht, ſchlachtet, reißt und dringt durch Gaſſen, Reih und Glieder „Mit Picken, Schild und Schwert, mit Pech-ernaͤhrtem Brand; „Der angeflammte Zorn bewehret Bruſt und Hand. „Was je zum Morden taugt; Stein, Hacken, Spieß und Hamer „Rauſcht aller Orten durch, erwecket Flucht und Jammer. „Das ganze Lager bebt fuͤr Eiſen, Grimm und Gluth, „Die Luft bedeckt der Dampf, den Boden Tod und Bluth. „Wuͤrg, ſtuͤrz und ſeng und brenn, zerſchmettre, brich und biege, „Nimmt alle Winckel ein; man kennt ſchon faſt wer ſiege. „Durch den verwirꝛten Kampf, durch das erboßte Schwert, „Wird der Verzweiflenden Rachgierigkeit vermehrt. „Sie ſehn ſchon allgemach den Baum der Hoffnung bluͤhen, „Der nicht im Schlaf erbleicht, muß Waffen-bloß entfliehen. „Ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/183
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/183>, abgerufen am 09.11.2024.