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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Sechstes Buch.

Der Unbesonnene ward in dem Volck vermengt,
Von dorten aber gleich biß zu der Thür gedrängt;
Die Frechheit machte Plaz, mit der er so geeilet,
560Als hätt ihm eine Faust schon den Bescheid ertheilet.

Der Thor war unbekannt. Das Kleid, die Leibs Gestallt
Schien wilder Jugend Art, gekünstelt und bemahlt.
Der Hut war hoch umarmt, geschmückt und weiß bemaschet;
Das Haar verwirrt gerollt, der Schuh zur Pracht belaschet.
565Jch hab auf seiner Brust ein Kröten-Nest erblickt,

Das Eitelkeit und Stolz in seinen Rock gestickt.

Thalia zürnte: "Sieh!", sprach sie, die freche Stirne,
"Man ließt darauf: Hier ist mehr Bosheit als Gehirne.
Er wies fürwahr im Aug, im Gehen, im Betrag,
570Daß was Vermessenes ihm in den Sinnen lag;

Man ließ ihn gern hinaus. Dann wer ihn nur erblickte,
Bestrebte sich, daß er ihm von der Seite rückte.
Hierauf ward alles still; doch sahn ihm viele nach,
Jndem die Treu das Wort, so sie vorhero sprach,
375Erhohlt' und sagte: "Wann? wann hat sie Treu gebrochen?

"Sag an Verwegener, der du mich suchst zu pochen!
"Es scheint, du habest mich und meinen Saz verlacht,
"Und diese Spottungs-Art zum Wiederspruch gebracht!
"Ein so verächtliches und ungemessnes Höhnen
580"Jst nicht der Ehre werth, von mir es abzulehnen.
"Je-
A a

Sechſtes Buch.

Der Unbeſonnene ward in dem Volck vermengt,
Von dorten aber gleich biß zu der Thuͤr gedraͤngt;
Die Frechheit machte Plaz, mit der er ſo geeilet,
560Als haͤtt ihm eine Fauſt ſchon den Beſcheid ertheilet.

Der Thor war unbekannt. Das Kleid, die Leibs Geſtallt
Schien wilder Jugend Art, gekuͤnſtelt und bemahlt.
Der Hut war hoch umarmt, geſchmuͤckt und weiß bemaſchet;
Das Haar verwirꝛt gerollt, der Schuh zur Pracht belaſchet.
565Jch hab auf ſeiner Bruſt ein Kroͤten-Neſt erblickt,

Das Eitelkeit und Stolz in ſeinen Rock geſtickt.

Thalia zuͤrnte: „Sieh!„, ſprach ſie, die freche Stirne,
„Man ließt darauf: Hier iſt mehr Bosheit als Gehirne.
Er wies fuͤrwahr im Aug, im Gehen, im Betrag,
570Daß was Vermeſſenes ihm in den Sinnen lag;

Man ließ ihn gern hinaus. Dann wer ihn nur erblickte,
Beſtrebte ſich, daß er ihm von der Seite ruͤckte.
Hierauf ward alles ſtill; doch ſahn ihm viele nach,
Jndem die Treu das Wort, ſo ſie vorhero ſprach,
375Erhohlt’ und ſagte: „Wann? wann hat ſie Treu gebrochen?

„Sag an Verwegener, der du mich ſuchſt zu pochen!
„Es ſcheint, du habeſt mich und meinen Saz verlacht,
„Und dieſe Spottungs-Art zum Wiederſpruch gebracht!
„Ein ſo veraͤchtliches und ungemeſſnes Hoͤhnen
580„Jſt nicht der Ehre werth, von mir es abzulehnen.
„Je-
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[0200] Sechſtes Buch. Der Unbeſonnene ward in dem Volck vermengt, Von dorten aber gleich biß zu der Thuͤr gedraͤngt; Die Frechheit machte Plaz, mit der er ſo geeilet, Als haͤtt ihm eine Fauſt ſchon den Beſcheid ertheilet. Der Thor war unbekannt. Das Kleid, die Leibs Geſtallt Schien wilder Jugend Art, gekuͤnſtelt und bemahlt. Der Hut war hoch umarmt, geſchmuͤckt und weiß bemaſchet; Das Haar verwirꝛt gerollt, der Schuh zur Pracht belaſchet. Jch hab auf ſeiner Bruſt ein Kroͤten-Neſt erblickt, Das Eitelkeit und Stolz in ſeinen Rock geſtickt. Thalia zuͤrnte: „Sieh!„, ſprach ſie, die freche Stirne, „Man ließt darauf: Hier iſt mehr Bosheit als Gehirne. Er wies fuͤrwahr im Aug, im Gehen, im Betrag, Daß was Vermeſſenes ihm in den Sinnen lag; Man ließ ihn gern hinaus. Dann wer ihn nur erblickte, Beſtrebte ſich, daß er ihm von der Seite ruͤckte. Hierauf ward alles ſtill; doch ſahn ihm viele nach, Jndem die Treu das Wort, ſo ſie vorhero ſprach, Erhohlt’ und ſagte: „Wann? wann hat ſie Treu gebrochen? „Sag an Verwegener, der du mich ſuchſt zu pochen! „Es ſcheint, du habeſt mich und meinen Saz verlacht, „Und dieſe Spottungs-Art zum Wiederſpruch gebracht! „Ein ſo veraͤchtliches und ungemeſſnes Hoͤhnen „Jſt nicht der Ehre werth, von mir es abzulehnen. „Je- A a

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/200>, abgerufen am 22.11.2024.