Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Theresiade
"Hätt sich Theresia von meiner Lehr entfernt;
"Hätt sie niemahls die Treu geübt, ja nicht gelernt;
535"Was hätten sich um uns vor Häupter angenommen?

"Das Feuer unsrer Macht wär endlich ausgeglommen.
"Sie sagten: ihr Gemüth ist im Versprechen fest,
"Es hat in keinem Fall sich von der Treu entblößt.
"Und billig. Dann wer weiß, wann sie ein Wort gebrochen?
540
Kaum hatte sie den Saz, dieß lezte Wort gesprochen,
So stellte sich im Saal ein solcher Zufall dar,
Der theils zur Aergernuß, theils zur Verachtung war;
Jndem ein freches Maul sich in die Reden legte,
Daß sich der ganze Kreiß, der ganze Saal erregte:
545Es brach in Lachen aus. Welch' unverschämte That!

Man wußt nicht, was es sey, Spott, oder gar Verrath,
Weil der erst stille Saal von dessen Klang erthönte,
Wie wann man das Gespräch, das lezte Wort verhöhnte.
Kein Blick war unverwandt; es schoß ein jeder hin,
550Wo der Vermeßne war, wo der Scham-lose Sinn

Wer weiß, was vor ein Maul zum Lachen aufgehezet;
Jmmittelst schien die Treu fast ausser sich gesezet.
Der Tollheits-volle Geist erweckte Rach und Graus,
Man zog und fürchtete mehr Ungebühr daraus.
555Ein murmelndes Geräusch, ein Eifer-volles Brummen

Warff den Leichtfärtigen in strafbares Verstummen.
Der
Thereſiade
„Haͤtt ſich Thereſia von meiner Lehr entfernt;
„Haͤtt ſie niemahls die Treu geuͤbt, ja nicht gelernt;
535„Was haͤtten ſich um uns vor Haͤupter angenommen?

„Das Feuer unſrer Macht waͤr endlich ausgeglommen.
„Sie ſagten: ihr Gemuͤth iſt im Verſprechen feſt,
„Es hat in keinem Fall ſich von der Treu entbloͤßt.
„Und billig. Dann wer weiß, wann ſie ein Wort gebrochen?
540
Kaum hatte ſie den Saz, dieß lezte Wort geſprochen,
So ſtellte ſich im Saal ein ſolcher Zufall dar,
Der theils zur Aergernuß, theils zur Verachtung war;
Jndem ein freches Maul ſich in die Reden legte,
Daß ſich der ganze Kreiß, der ganze Saal erregte:
545Es brach in Lachen aus. Welch’ unverſchaͤmte That!

Man wußt nicht, was es ſey, Spott, oder gar Verrath,
Weil der erſt ſtille Saal von deſſen Klang erthoͤnte,
Wie wann man das Geſpraͤch, das lezte Wort verhoͤhnte.
Kein Blick war unverwandt; es ſchoß ein jeder hin,
550Wo der Vermeßne war, wo der Scham-loſe Sinn

Wer weiß, was vor ein Maul zum Lachen aufgehezet;
Jmmittelſt ſchien die Treu faſt auſſer ſich geſezet.
Der Tollheits-volle Geiſt erweckte Rach und Graus,
Man zog und fuͤrchtete mehr Ungebuͤhr daraus.
555Ein murmelndes Geraͤuſch, ein Eifer-volles Brummen

Warff den Leichtfaͤrtigen in ſtrafbares Verſtummen.
Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0199"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Ha&#x0364;tt &#x017F;ich <hi rendition="#fr">There&#x017F;ia</hi> von meiner Lehr entfernt;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ha&#x0364;tt &#x017F;ie niemahls die Treu geu&#x0364;bt, ja nicht gelernt;<lb/><note place="left">535</note>&#x201E;Was ha&#x0364;tten &#x017F;ich um uns vor Ha&#x0364;upter angenommen?</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das Feuer un&#x017F;rer Macht wa&#x0364;r endlich ausgeglommen.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Sie &#x017F;agten: ihr Gemu&#x0364;th i&#x017F;t im Ver&#x017F;prechen fe&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Es hat in keinem Fall &#x017F;ich von der Treu entblo&#x0364;ßt.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und billig. Dann wer weiß, wann &#x017F;ie ein Wort gebrochen?</l>
            </lg><lb/>
            <note place="left">540</note>
            <lg>
              <l>Kaum hatte &#x017F;ie den Saz, dieß lezte Wort ge&#x017F;prochen,</l><lb/>
              <l>So &#x017F;tellte &#x017F;ich im Saal ein &#x017F;olcher Zufall dar,</l><lb/>
              <l>Der theils zur Aergernuß, theils zur Verachtung war;</l><lb/>
              <l>Jndem ein freches Maul &#x017F;ich in die Reden legte,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ich der ganze Kreiß, der ganze Saal erregte:<lb/><note place="left">545</note>Es brach in Lachen aus. Welch&#x2019; unver&#x017F;cha&#x0364;mte That!</l><lb/>
              <l>Man wußt nicht, was es &#x017F;ey, Spott, oder gar Verrath,</l><lb/>
              <l>Weil der er&#x017F;t &#x017F;tille Saal von de&#x017F;&#x017F;en Klang ertho&#x0364;nte,</l><lb/>
              <l>Wie wann man das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch, das lezte Wort verho&#x0364;hnte.</l><lb/>
              <l>Kein Blick war unverwandt; es &#x017F;choß ein jeder hin,<lb/><note place="left">550</note>Wo der Vermeßne war, wo der Scham-lo&#x017F;e Sinn</l><lb/>
              <l>Wer weiß, was vor ein Maul zum Lachen aufgehezet;</l><lb/>
              <l>Jmmittel&#x017F;t &#x017F;chien die Treu fa&#x017F;t au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich ge&#x017F;ezet.</l><lb/>
              <l>Der Tollheits-volle Gei&#x017F;t erweckte Rach und Graus,</l><lb/>
              <l>Man zog und fu&#x0364;rchtete mehr Ungebu&#x0364;hr daraus.<lb/><note place="left">555</note>Ein murmelndes Gera&#x0364;u&#x017F;ch, ein Eifer-volles Brummen</l><lb/>
              <l>Warff den Leichtfa&#x0364;rtigen in &#x017F;trafbares Ver&#x017F;tummen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0199] Thereſiade „Haͤtt ſich Thereſia von meiner Lehr entfernt; „Haͤtt ſie niemahls die Treu geuͤbt, ja nicht gelernt; „Was haͤtten ſich um uns vor Haͤupter angenommen? „Das Feuer unſrer Macht waͤr endlich ausgeglommen. „Sie ſagten: ihr Gemuͤth iſt im Verſprechen feſt, „Es hat in keinem Fall ſich von der Treu entbloͤßt. „Und billig. Dann wer weiß, wann ſie ein Wort gebrochen? Kaum hatte ſie den Saz, dieß lezte Wort geſprochen, So ſtellte ſich im Saal ein ſolcher Zufall dar, Der theils zur Aergernuß, theils zur Verachtung war; Jndem ein freches Maul ſich in die Reden legte, Daß ſich der ganze Kreiß, der ganze Saal erregte: Es brach in Lachen aus. Welch’ unverſchaͤmte That! Man wußt nicht, was es ſey, Spott, oder gar Verrath, Weil der erſt ſtille Saal von deſſen Klang erthoͤnte, Wie wann man das Geſpraͤch, das lezte Wort verhoͤhnte. Kein Blick war unverwandt; es ſchoß ein jeder hin, Wo der Vermeßne war, wo der Scham-loſe Sinn Wer weiß, was vor ein Maul zum Lachen aufgehezet; Jmmittelſt ſchien die Treu faſt auſſer ſich geſezet. Der Tollheits-volle Geiſt erweckte Rach und Graus, Man zog und fuͤrchtete mehr Ungebuͤhr daraus. Ein murmelndes Geraͤuſch, ein Eifer-volles Brummen Warff den Leichtfaͤrtigen in ſtrafbares Verſtummen. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/199
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/199>, abgerufen am 22.11.2024.