Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.Erstes Buch. "Auf auf dann! zittre nicht! der Flug wird uns gelingen;"Wir werden ihn beglückt, nicht ohne Lust, vollbringen. Die Stimme, dieser Flug, der Luft verborgne Macht War, was mich fast in Angst und in Verstummung bracht. 35"Fort", wiederhohlte sie, Thalia wird dich leiten! Der Nahme machte mich mit Furcht und Hoffnung streiten. Die beyde nebst der Lust bemeisterten mein Hertz; Was, dacht' ich, ist es Ernst, Verblendung, oder Schertz? O spränge sie mir bey! O könnt' ich sie schon sehen! 40So hätt ich die Gewalt vielleicht nicht auszustehen. Die Sonne ziehet zwar den Morgen-Thau zu sich: Mir aber war der Zug zu fremd und wunderlich. Ob mich der Grund verließ, ob ich ihn selbst vertriebe, Das unterschied' ich nicht, nicht was den Zwang verübe. 45Sie rieff mir wiederum: "Was nützt dich Witz und Geist, "Wann er nicht aus dem Kreiß zaghafter Sinnen reißt? Mein Thun und Lassen war nur Flattern, Zittern, Beben: So wußt' ich diesem Ruf nicht viel Gehör zu geben. Jch wandte mich: sieh da! sie kam mir zu Gesicht; 50O Muse, dacht' ich gleich, wie reitzend bist du nicht? Weil sie sich voller Geist und Feur mir zugesellte, Und sich durch ihr Gespräch als meine Freundinn stellte; "Hörst du mich nicht"? sprach sie, ich bin zu deiner Hut! So war ich theils erstaunt, theils furchtsam; auch voll Muth; Und C 2
Erſtes Buch. „Auf auf dann! zittre nicht! der Flug wird uns gelingen;„Wir werden ihn begluͤckt, nicht ohne Luſt, vollbringen. Die Stimme, dieſer Flug, der Luft verborgne Macht War, was mich faſt in Angſt und in Verſtummung bracht. 35„Fort„, wiederhohlte ſie, Thalia wird dich leiten! Der Nahme machte mich mit Furcht und Hoffnung ſtreiten. Die beyde nebſt der Luſt bemeiſterten mein Hertz; Was, dacht’ ich, iſt es Ernſt, Verblendung, oder Schertz? O ſpraͤnge ſie mir bey! O koͤnnt’ ich ſie ſchon ſehen! 40So haͤtt ich die Gewalt vielleicht nicht auszuſtehen. Die Sonne ziehet zwar den Morgen-Thau zu ſich: Mir aber war der Zug zu fremd und wunderlich. Ob mich der Grund verließ, ob ich ihn ſelbſt vertriebe, Das unterſchied’ ich nicht, nicht was den Zwang veruͤbe. 45Sie rieff mir wiederum: „Was nuͤtzt dich Witz und Geiſt, „Wann er nicht aus dem Kreiß zaghafter Sinnen reißt? Mein Thun und Laſſen war nur Flattern, Zittern, Beben: So wußt’ ich dieſem Ruf nicht viel Gehoͤr zu geben. Jch wandte mich: ſieh da! ſie kam mir zu Geſicht; 50O Muſe, dacht’ ich gleich, wie reitzend biſt du nicht? Weil ſie ſich voller Geiſt und Feur mir zugeſellte, Und ſich durch ihr Geſpraͤch als meine Freundinn ſtellte; „Hoͤrſt du mich nicht„? ſprach ſie, ich bin zu deiner Hut! So war ich theils erſtaunt, theils furchtſam; auch voll Muth; Und C 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg> <pb facs="#f0026"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Erſtes Buch.</hi> </fw><lb/> <l>„Auf auf dann! zittre nicht! der Flug wird uns gelingen;</l><lb/> <l>„Wir werden ihn begluͤckt, nicht ohne Luſt, vollbringen.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Die Stimme, dieſer Flug, der Luft verborgne Macht</l><lb/> <l>War, was mich faſt in Angſt und in Verſtummung bracht.</l><lb/> <l><note place="left">35</note>„Fort„, wiederhohlte ſie, <hi rendition="#fr">Thalia</hi> wird dich leiten!</l><lb/> <l>Der Nahme machte mich mit Furcht und Hoffnung ſtreiten.</l><lb/> <l>Die beyde nebſt der Luſt bemeiſterten mein Hertz;</l><lb/> <l>Was, dacht’ ich, iſt es Ernſt, Verblendung, oder Schertz?</l><lb/> <l>O ſpraͤnge ſie mir bey! O koͤnnt’ ich ſie ſchon ſehen!</l><lb/> <l><note place="left">40</note>So haͤtt ich die Gewalt vielleicht nicht auszuſtehen.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Die Sonne ziehet zwar den Morgen-Thau zu ſich:</l><lb/> <l>Mir aber war der Zug zu fremd und wunderlich.</l><lb/> <l>Ob mich der Grund verließ, ob ich ihn ſelbſt vertriebe,</l><lb/> <l>Das unterſchied’ ich nicht, nicht was den Zwang veruͤbe.</l><lb/> <l><note place="left">45</note>Sie rieff mir wiederum: „Was nuͤtzt dich Witz und Geiſt,</l><lb/> <l>„Wann er nicht aus dem Kreiß zaghafter Sinnen reißt?</l><lb/> <l>Mein Thun und Laſſen war nur Flattern, Zittern, Beben:</l><lb/> <l>So wußt’ ich dieſem Ruf nicht viel Gehoͤr zu geben.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Jch wandte mich: ſieh da! ſie kam mir zu Geſicht;</l><lb/> <l><note place="left">50</note>O Muſe, dacht’ ich gleich, wie reitzend biſt du nicht?</l><lb/> <l>Weil ſie ſich voller Geiſt und Feur mir zugeſellte,</l><lb/> <l>Und ſich durch ihr Geſpraͤch als meine Freundinn ſtellte;</l><lb/> <l>„Hoͤrſt du mich nicht„? ſprach ſie, ich bin zu deiner Hut!</l><lb/> <l>So war ich theils erſtaunt, theils furchtſam; auch voll Muth;</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Erſtes Buch.
„Auf auf dann! zittre nicht! der Flug wird uns gelingen;
„Wir werden ihn begluͤckt, nicht ohne Luſt, vollbringen.
Die Stimme, dieſer Flug, der Luft verborgne Macht
War, was mich faſt in Angſt und in Verſtummung bracht.
„Fort„, wiederhohlte ſie, Thalia wird dich leiten!
Der Nahme machte mich mit Furcht und Hoffnung ſtreiten.
Die beyde nebſt der Luſt bemeiſterten mein Hertz;
Was, dacht’ ich, iſt es Ernſt, Verblendung, oder Schertz?
O ſpraͤnge ſie mir bey! O koͤnnt’ ich ſie ſchon ſehen!
So haͤtt ich die Gewalt vielleicht nicht auszuſtehen.
Die Sonne ziehet zwar den Morgen-Thau zu ſich:
Mir aber war der Zug zu fremd und wunderlich.
Ob mich der Grund verließ, ob ich ihn ſelbſt vertriebe,
Das unterſchied’ ich nicht, nicht was den Zwang veruͤbe.
Sie rieff mir wiederum: „Was nuͤtzt dich Witz und Geiſt,
„Wann er nicht aus dem Kreiß zaghafter Sinnen reißt?
Mein Thun und Laſſen war nur Flattern, Zittern, Beben:
So wußt’ ich dieſem Ruf nicht viel Gehoͤr zu geben.
Jch wandte mich: ſieh da! ſie kam mir zu Geſicht;
O Muſe, dacht’ ich gleich, wie reitzend biſt du nicht?
Weil ſie ſich voller Geiſt und Feur mir zugeſellte,
Und ſich durch ihr Geſpraͤch als meine Freundinn ſtellte;
„Hoͤrſt du mich nicht„? ſprach ſie, ich bin zu deiner Hut!
So war ich theils erſtaunt, theils furchtſam; auch voll Muth;
Und
C 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |