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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Erstes Buch.
215Wir hörten mit Begier fast jede Stimm erschallen;
Und fühlten selber auch das Hertz in Freuden wallen;
Mithin erfrischten wir den Pfeil-geschwinden Flug,
Und folgten des Gemüths von Lust erweckten Zug:
Jedoch sieh da, was uns gerad entgegen eilte,
220Und uns mehr Unterricht von dieser Stadt ertheilte!
Ein weiß-beflügelt Weib flog wie der Wind daher;
Der Antrieb ihres Schwungs ward immer mächtiger:
Jhr aufgeblasner Mund erscholl durch zwey Posaunen,
Daß uns die Seltsamkeit in Wunder und Erstaunen
225Auch in den Vorwitz bracht, zu wissen, wer sie sey:
So gar der Wiederhall stimmt' ihrem Zuruff bey;
Er ward oft so verstärckt, als sprächen tausend Zungen,
Von denen immerfort Trost-volle Worte klungen.

"Jhr Oesterreicher auf", das nahm ich öfters wahr,
230"Die Nacht stellt wiederum, was ihr verlangtet, dar!
"Jhr Völcker freuet euch! ihr Staaten und Provintzen,
"Wienn du absonderlich! ihr habt den zweyten Printzen!
Das bracht uns unverhoft, ich weiß nicht, was vor Lust:
Mein Hertz erquickte sich: Geist, Neigung, Blut und Brust
235Empfanden sich erweckt. Thalia wies Gebärden,
Als neigte sie den Schwung hinunter nach der Erden.
Jch folgte meisterlich, als wär ich neu belebt;
So mehr als uns das Weib beständig vorgeschwebt.
Sie
D 2

Erſtes Buch.
215Wir hoͤrten mit Begier faſt jede Stimm erſchallen;
Und fuͤhlten ſelber auch das Hertz in Freuden wallen;
Mithin erfriſchten wir den Pfeil-geſchwinden Flug,
Und folgten des Gemuͤths von Luſt erweckten Zug:
Jedoch ſieh da, was uns gerad entgegen eilte,
220Und uns mehr Unterricht von dieſer Stadt ertheilte!
Ein weiß-befluͤgelt Weib flog wie der Wind daher;
Der Antrieb ihres Schwungs ward immer maͤchtiger:
Jhr aufgeblaſner Mund erſcholl durch zwey Poſaunen,
Daß uns die Seltſamkeit in Wunder und Erſtaunen
225Auch in den Vorwitz bracht, zu wiſſen, wer ſie ſey:
So gar der Wiederhall ſtimmt’ ihrem Zuruff bey;
Er ward oft ſo verſtaͤrckt, als ſpraͤchen tauſend Zungen,
Von denen immerfort Troſt-volle Worte klungen.

„Jhr Oeſterreicher auf„, das nahm ich oͤfters wahr,
230„Die Nacht ſtellt wiederum, was ihr verlangtet, dar!
„Jhr Voͤlcker freuet euch! ihr Staaten und Provintzen,
Wienn du abſonderlich! ihr habt den zweyten Printzen!
Das bracht uns unverhoft, ich weiß nicht, was vor Luſt:
Mein Hertz erquickte ſich: Geiſt, Neigung, Blut und Bruſt
235Empfanden ſich erweckt. Thalia wies Gebaͤrden,
Als neigte ſie den Schwung hinunter nach der Erden.
Jch folgte meiſterlich, als waͤr ich neu belebt;
So mehr als uns das Weib beſtaͤndig vorgeſchwebt.
Sie
D 2
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[0034] Erſtes Buch. Wir hoͤrten mit Begier faſt jede Stimm erſchallen; Und fuͤhlten ſelber auch das Hertz in Freuden wallen; Mithin erfriſchten wir den Pfeil-geſchwinden Flug, Und folgten des Gemuͤths von Luſt erweckten Zug: Jedoch ſieh da, was uns gerad entgegen eilte, Und uns mehr Unterricht von dieſer Stadt ertheilte! Ein weiß-befluͤgelt Weib flog wie der Wind daher; Der Antrieb ihres Schwungs ward immer maͤchtiger: Jhr aufgeblaſner Mund erſcholl durch zwey Poſaunen, Daß uns die Seltſamkeit in Wunder und Erſtaunen Auch in den Vorwitz bracht, zu wiſſen, wer ſie ſey: So gar der Wiederhall ſtimmt’ ihrem Zuruff bey; Er ward oft ſo verſtaͤrckt, als ſpraͤchen tauſend Zungen, Von denen immerfort Troſt-volle Worte klungen. „Jhr Oeſterreicher auf„, das nahm ich oͤfters wahr, „Die Nacht ſtellt wiederum, was ihr verlangtet, dar! „Jhr Voͤlcker freuet euch! ihr Staaten und Provintzen, „Wienn du abſonderlich! ihr habt den zweyten Printzen! Das bracht uns unverhoft, ich weiß nicht, was vor Luſt: Mein Hertz erquickte ſich: Geiſt, Neigung, Blut und Bruſt Empfanden ſich erweckt. Thalia wies Gebaͤrden, Als neigte ſie den Schwung hinunter nach der Erden. Jch folgte meiſterlich, als waͤr ich neu belebt; So mehr als uns das Weib beſtaͤndig vorgeſchwebt. Sie D 2

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/34>, abgerufen am 09.11.2024.