Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.Theresiade "So wir mit unsrer Kunst Vermögen nicht beschmücket;"Es ist nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket. Durch diese Worte ward uns allgemach bewust, Es sey zu dieser Nacht Beleuchtung, Pracht und Lust, Was da gebaut, geschnitzt, gemahlen und erdichtet, Durch ihren Geist und Witz, durch ihren Fleiß errichtet. So werden sie dacht' ich, mit Recht zum Zorn empört, 390Da man den Schlaf, wodurch sie sich erhohlen, stört. Bald hoben sie sich auf, bald legten sie sich nieder, Die rieb die Augen aus, die wand sich hin und wieder. Jnzwischen redten wir die Bau-Kunst freundlich an. 405Und fragten, wie sie sich hauptsächlich vorgethan? 395Jn Antwort folgte dieß: "Jch baute diese Wochen So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen. Hier fiel die Dicht-Kunst ein: "Jch war der Meister-Stab, Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab. Die Dritte: "Gehet hin, betrachtet meine Saülen; 400"Jhr werdet mir den Rang der grösten Kunst ertheilen: "Jhr seht ein steinern Volck. Die Vierte schien mir stumm, Sie warf den scharfen Blick in dem Gemach herum: Doch endlich sagte sie: "Zählt, wann ihrs zählen könnet, "Was sich von meiner Hand, von meinem Pinsel nennet! Warum dann auf dem Stroh! welch unerhörte Sach! Die Meisterinnen seynd in solchem Ruh-Gemach Sagt'
Thereſiade „So wir mit unſrer Kunſt Vermoͤgen nicht beſchmuͤcket;„Es iſt nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket. Durch dieſe Worte ward uns allgemach bewuſt, Es ſey zu dieſer Nacht Beleuchtung, Pracht und Luſt, Was da gebaut, geſchnitzt, gemahlen und erdichtet, Durch ihren Geiſt und Witz, durch ihren Fleiß errichtet. So werden ſie dacht’ ich, mit Recht zum Zorn empoͤrt, 390Da man den Schlaf, wodurch ſie ſich erhohlen, ſtoͤrt. Bald hoben ſie ſich auf, bald legten ſie ſich nieder, Die rieb die Augen aus, die wand ſich hin und wieder. Jnzwiſchen redten wir die Bau-Kunſt freundlich an. 405Und fragten, wie ſie ſich hauptſaͤchlich vorgethan? 395Jn Antwort folgte dieß: „Jch baute dieſe Wochen So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen. Hier fiel die Dicht-Kunſt ein: „Jch war der Meiſter-Stab, Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab. Die Dritte: „Gehet hin, betrachtet meine Sauͤlen; 400„Jhr werdet mir den Rang der groͤſten Kunſt ertheilen: „Jhr ſeht ein ſteinern Volck. Die Vierte ſchien mir ſtumm, Sie warf den ſcharfen Blick in dem Gemach herum: Doch endlich ſagte ſie: „Zaͤhlt, wann ihrs zaͤhlen koͤnnet, „Was ſich von meiner Hand, von meinem Pinſel nennet! Warum dann auf dem Stroh! welch unerhoͤrte Sach! Die Meiſterinnen ſeynd in ſolchem Ruh-Gemach Sagt’
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg> <pb facs="#f0041"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Thereſiade</hi> </fw><lb/> <l>„So wir mit unſrer Kunſt Vermoͤgen nicht beſchmuͤcket;</l><lb/> <l>„Es iſt nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket.</l> </lg><lb/> <note place="left">385</note> <lg> <l>Durch dieſe Worte ward uns allgemach bewuſt,</l><lb/> <l>Es ſey zu dieſer Nacht Beleuchtung, Pracht und Luſt,</l><lb/> <l>Was da gebaut, geſchnitzt, gemahlen und erdichtet,</l><lb/> <l>Durch ihren Geiſt und Witz, durch ihren Fleiß errichtet.</l><lb/> <l>So werden ſie dacht’ ich, mit Recht zum Zorn empoͤrt,</l><lb/> <l><note place="left">390</note>Da man den Schlaf, wodurch ſie ſich erhohlen, ſtoͤrt.</l><lb/> <l>Bald hoben ſie ſich auf, bald legten ſie ſich nieder,</l><lb/> <l>Die rieb die Augen aus, die wand ſich hin und wieder.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Jnzwiſchen redten wir die <hi rendition="#fr">Bau-Kunſt</hi> freundlich an.</l><lb/> <l>Und fragten, wie ſie ſich hauptſaͤchlich vorgethan?</l><lb/> <l><note place="left">395</note>Jn Antwort folgte dieß: „Jch baute dieſe Wochen</l><lb/> <l>So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen.</l><lb/> <l>Hier fiel die <hi rendition="#fr">Dicht-Kunſt</hi> ein: „Jch war der Meiſter-Stab,</l><lb/> <l>Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab.</l><lb/> <l>Die Dritte: „Gehet hin, betrachtet meine Sauͤlen;</l><lb/> <l><note place="left">400</note>„Jhr werdet mir den Rang der groͤſten Kunſt ertheilen:</l><lb/> <l>„Jhr ſeht ein ſteinern Volck. Die Vierte ſchien mir ſtumm,</l><lb/> <l>Sie warf den ſcharfen Blick in dem Gemach herum:</l><lb/> <l>Doch endlich ſagte ſie: „Zaͤhlt, wann ihrs zaͤhlen koͤnnet,</l><lb/> <l>„Was ſich von meiner Hand, von meinem Pinſel nennet!</l> </lg><lb/> <note place="left">405</note> <lg> <l>Warum dann auf dem Stroh! welch unerhoͤrte Sach!</l><lb/> <l>Die Meiſterinnen ſeynd in ſolchem Ruh-Gemach</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sagt’</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
Thereſiade
„So wir mit unſrer Kunſt Vermoͤgen nicht beſchmuͤcket;
„Es iſt nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket.
Durch dieſe Worte ward uns allgemach bewuſt,
Es ſey zu dieſer Nacht Beleuchtung, Pracht und Luſt,
Was da gebaut, geſchnitzt, gemahlen und erdichtet,
Durch ihren Geiſt und Witz, durch ihren Fleiß errichtet.
So werden ſie dacht’ ich, mit Recht zum Zorn empoͤrt,
Da man den Schlaf, wodurch ſie ſich erhohlen, ſtoͤrt.
Bald hoben ſie ſich auf, bald legten ſie ſich nieder,
Die rieb die Augen aus, die wand ſich hin und wieder.
Jnzwiſchen redten wir die Bau-Kunſt freundlich an.
Und fragten, wie ſie ſich hauptſaͤchlich vorgethan?
Jn Antwort folgte dieß: „Jch baute dieſe Wochen
So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen.
Hier fiel die Dicht-Kunſt ein: „Jch war der Meiſter-Stab,
Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab.
Die Dritte: „Gehet hin, betrachtet meine Sauͤlen;
„Jhr werdet mir den Rang der groͤſten Kunſt ertheilen:
„Jhr ſeht ein ſteinern Volck. Die Vierte ſchien mir ſtumm,
Sie warf den ſcharfen Blick in dem Gemach herum:
Doch endlich ſagte ſie: „Zaͤhlt, wann ihrs zaͤhlen koͤnnet,
„Was ſich von meiner Hand, von meinem Pinſel nennet!
Warum dann auf dem Stroh! welch unerhoͤrte Sach!
Die Meiſterinnen ſeynd in ſolchem Ruh-Gemach
Sagt’
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |