Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Erster Akt. auf des Pallastes mittlerer Tribuneund sah dem Kampfe zu. Auf einmal rief's: "Der König blutet!" -- Man rennt durch einander, ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr Der Königinn; "Der Prinz?" ruft sie und will, und will sich von dem obersten Geländer herunterwerfen. -- "Nein! Der König selbst." gibt man zur Antwort -- "So laßt Ärzte hohlen!" erwiedert sie indem sie Athem schöpfte. Nach einigem Stillschweigen. Sie stehen in Gedanken? Karlos. Ich bewundre des Königs lust'gen Beichtiger, der so bewandert ist in witzigen Geschichten. Doch ernsthaft und finster. hab' ich immer sagen hören, daß Geberdenspäher und Geschichtenträger des Übels mehr auf dieser Welt gethan, als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten. Die Mühe Herr war zu ersparen. Wenn Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König. Erſter Akt. auf des Pallaſtes mittlerer Tribuneund ſah dem Kampfe zu. Auf einmal rief’s: „Der König blutet!“ — Man rennt durch einander, ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr Der Königinn; „Der Prinz?“ ruft ſie und will, und will ſich von dem oberſten Geländer herunterwerfen. — „Nein! Der König ſelbſt.“ gibt man zur Antwort — „So laßt Ärzte hohlen!“ erwiedert ſie indem ſie Athem ſchöpfte. Nach einigem Stillſchweigen. Sie ſtehen in Gedanken? Karlos. Ich bewundre des Königs luſt’gen Beichtiger, der ſo bewandert iſt in witzigen Geſchichten. Doch ernſthaft und finſter. hab’ ich immer ſagen hören, daß Geberdenſpäher und Geſchichtenträger des Übels mehr auf dieſer Welt gethan, als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten. Die Mühe Herr war zu erſparen. Wenn Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#DOMI"> <p><pb facs="#f0017" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſter Akt</hi>.</fw><lb/> auf des Pallaſtes mittlerer Tribune<lb/> und ſah dem Kampfe zu. Auf einmal rief’s:<lb/> „Der König blutet!“ — Man rennt durch<lb/> einander,<lb/> ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr<lb/> Der Königinn; „Der Prinz?“ ruft ſie und will,<lb/> und will ſich von dem oberſten Geländer<lb/> herunterwerfen. — „Nein! Der König ſelbſt.“<lb/> gibt man zur Antwort — „So laßt Ärzte<lb/> hohlen!“<lb/> erwiedert ſie indem ſie Athem ſchöpfte.</p><lb/> <stage>Nach einigem Stillſchweigen.</stage><lb/> <p>Sie ſtehen in Gedanken?</p> </sp><lb/> <sp who="#KAR"> <speaker><hi rendition="#g">Karlos</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Ich bewundre</hi><lb/> des Königs luſt’gen Beichtiger, der ſo<lb/> bewandert iſt in witzigen Geſchichten.</p><lb/> <p>Doch <stage>ernſthaft und finſter.</stage><lb/><hi rendition="#et">hab’ ich immer ſagen hören, daß</hi><lb/> Geberdenſpäher und Geſchichtenträger<lb/> des Übels mehr auf dieſer Welt gethan,<lb/> als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht<lb/> konnten.<lb/> Die Mühe Herr war zu erſparen. Wenn<lb/> Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0017]
Erſter Akt.
auf des Pallaſtes mittlerer Tribune
und ſah dem Kampfe zu. Auf einmal rief’s:
„Der König blutet!“ — Man rennt durch
einander,
ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr
Der Königinn; „Der Prinz?“ ruft ſie und will,
und will ſich von dem oberſten Geländer
herunterwerfen. — „Nein! Der König ſelbſt.“
gibt man zur Antwort — „So laßt Ärzte
hohlen!“
erwiedert ſie indem ſie Athem ſchöpfte.
Nach einigem Stillſchweigen.
Sie ſtehen in Gedanken?
Karlos.
Ich bewundre
des Königs luſt’gen Beichtiger, der ſo
bewandert iſt in witzigen Geſchichten.
Doch ernſthaft und finſter.
hab’ ich immer ſagen hören, daß
Geberdenſpäher und Geſchichtenträger
des Übels mehr auf dieſer Welt gethan,
als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht
konnten.
Die Mühe Herr war zu erſparen. Wenn
Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König.
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