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Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.

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Dom Karlos.
Karlos.
Sie stürzt dahin. Nur Thränen kann ich geben,
und Thränen brauch' ich für mich selbst. Verließ
der Himmel mich -- was liegt an Nationen.
Marquis.
Hier kenn' ich meinen Karl nicht mehr. So
spricht
der große Mensch -- vielleicht der einz'ge, den
die Geisterseuche seiner Zeit verschonte?
der bei Europa's algemeinem Taumel
noch aufrecht stand, den gift'gen Schierlings-
trank
des Pfaffenthums, von welchem schon das zweite
Jahrtausend sich im Schwindel dreht, beherzt
vom Munde stieß -- der gegen Priesterblitze
und eines Königs schlaue Heiligkeit
und eines Volks andächt'gen Rausch die Rechte
der hingestürzten Menschheit gelten machte --
Karlos.
Sprichst Du von mir? Du irrst Dich, guter
Mensch.
Auch mir hat einst von einem Karl geträumt,
dem's feurig durch die Wangen lief, wenn man
von Freiheit sprach -- doch der ist lang be-
graben.
Dom Karlos.
Karlos.
Sie ſtürzt dahin. Nur Thränen kann ich geben,
und Thränen brauch’ ich für mich ſelbſt. Verließ
der Himmel mich — was liegt an Nationen.
Marquis.
Hier kenn’ ich meinen Karl nicht mehr. So
ſpricht
der große Menſch — vielleicht der einz’ge, den
die Geiſterſeuche ſeiner Zeit verſchonte?
der bei Europa’s algemeinem Taumel
noch aufrecht ſtand, den gift’gen Schierlings-
trank
des Pfaffenthums, von welchem ſchon das zweite
Jahrtauſend ſich im Schwindel dreht, beherzt
vom Munde ſtieß — der gegen Prieſterblitze
und eines Königs ſchlaue Heiligkeit
und eines Volks andächt’gen Rauſch die Rechte
der hingeſtürzten Menſchheit gelten machte —
Karlos.
Sprichſt Du von mir? Du irrſt Dich, guter
Menſch.
Auch mir hat einſt von einem Karl geträumt,
dem’s feurig durch die Wangen lief, wenn man
von Freiheit ſprach — doch der iſt lang be-
graben.
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[14/0024] Dom Karlos. Karlos. Sie ſtürzt dahin. Nur Thränen kann ich geben, und Thränen brauch’ ich für mich ſelbſt. Verließ der Himmel mich — was liegt an Nationen. Marquis. Hier kenn’ ich meinen Karl nicht mehr. So ſpricht der große Menſch — vielleicht der einz’ge, den die Geiſterſeuche ſeiner Zeit verſchonte? der bei Europa’s algemeinem Taumel noch aufrecht ſtand, den gift’gen Schierlings- trank des Pfaffenthums, von welchem ſchon das zweite Jahrtauſend ſich im Schwindel dreht, beherzt vom Munde ſtieß — der gegen Prieſterblitze und eines Königs ſchlaue Heiligkeit und eines Volks andächt’gen Rauſch die Rechte der hingeſtürzten Menſchheit gelten machte — Karlos. Sprichſt Du von mir? Du irrſt Dich, guter Menſch. Auch mir hat einſt von einem Karl geträumt, dem’s feurig durch die Wangen lief, wenn man von Freiheit ſprach — doch der iſt lang be- graben.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/24>, abgerufen am 23.11.2024.