Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Erster Akt.
als Du und ich, zween Knaben wilder Art,
so brüderlich zusammen aufgewachsen,
kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiste
so sehr verdunkelt mich zu sehn -- ich endlich
mich kühn entschloß, Dich gränzenlos zu lieben,
weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu sein.
Da fing ich an mit tausend Zärtlichkeiten
und warmer Bruderliebe Dich zu quälen;
Du stolzes Herz gabst sie mir kalt zurück.
Oft stand ich da, und -- doch das sahst Du nie!
und heiße, schwere Thränentropfen hingen
in meinem Aug', wenn Du, mich überhüpfend,
Vasallenkinder in die Arme drücktest.
Warum nur diese? rief ich trauernd aus:
Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut? -- Du
aber,
Du knietest kalt und ernsthaft vor mir nieder:
Das, sagtest du, gebührt dem Königssohn.
Marquis.
O stille, Prinz, von diesen kindischen
Geschichten, die mich jetzt noch schamroth machen.
Karlos.
Ich hatt' es nicht um Dich verdient. Ver-
schmähen,
B
Erſter Akt.
als Du und ich, zween Knaben wilder Art,
ſo brüderlich zuſammen aufgewachſen,
kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiſte
ſo ſehr verdunkelt mich zu ſehn — ich endlich
mich kühn entſchloß, Dich gränzenlos zu lieben,
weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu ſein.
Da fing ich an mit tauſend Zärtlichkeiten
und warmer Bruderliebe Dich zu quälen;
Du ſtolzes Herz gabſt ſie mir kalt zurück.
Oft ſtand ich da, und — doch das ſahſt Du nie!
und heiße, ſchwere Thränentropfen hingen
in meinem Aug’, wenn Du, mich überhüpfend,
Vaſallenkinder in die Arme drückteſt.
Warum nur dieſe? rief ich trauernd aus:
Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut? — Du
aber,
Du knieteſt kalt und ernſthaft vor mir nieder:
Das, ſagteſt du, gebührt dem Königsſohn.
Marquis.
O ſtille, Prinz, von dieſen kindiſchen
Geſchichten, die mich jetzt noch ſchamroth machen.
Karlos.
Ich hatt’ es nicht um Dich verdient. Ver-
ſchmähen,
B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#KAR">
              <p><pb facs="#f0027" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;ter Akt</hi>.</fw><lb/>
als Du und ich, zween Knaben wilder Art,<lb/>
&#x017F;o brüderlich zu&#x017F;ammen aufgewach&#x017F;en,<lb/>
kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Gei&#x017F;te<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr verdunkelt mich zu &#x017F;ehn &#x2014; ich endlich<lb/>
mich kühn ent&#x017F;chloß, Dich gränzenlos zu lieben,<lb/>
weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu &#x017F;ein.<lb/>
Da fing ich an mit tau&#x017F;end Zärtlichkeiten<lb/>
und warmer Bruderliebe Dich zu quälen;<lb/>
Du &#x017F;tolzes Herz gab&#x017F;t &#x017F;ie mir kalt zurück.<lb/>
Oft &#x017F;tand ich da, und &#x2014; doch das &#x017F;ah&#x017F;t Du nie!<lb/>
und heiße, &#x017F;chwere Thränentropfen hingen<lb/>
in meinem Aug&#x2019;, wenn Du, mich überhüpfend,<lb/>
Va&#x017F;allenkinder in die Arme drückte&#x017F;t.<lb/>
Warum nur die&#x017F;e? rief ich trauernd aus:<lb/>
Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut? &#x2014; Du<lb/>
aber,<lb/>
Du kniete&#x017F;t kalt und ern&#x017F;thaft vor mir nieder:<lb/>
Das, &#x017F;agte&#x017F;t du, gebührt dem Königs&#x017F;ohn.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#MAR">
              <speaker><hi rendition="#g">Marquis</hi>.</speaker><lb/>
              <p>O &#x017F;tille, Prinz, von die&#x017F;en kindi&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;chichten, die mich jetzt noch &#x017F;chamroth machen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#KAR">
              <speaker><hi rendition="#g">Karlos</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Ich hatt&#x2019; es nicht um Dich verdient. Ver-<lb/>
&#x017F;chmähen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0027] Erſter Akt. als Du und ich, zween Knaben wilder Art, ſo brüderlich zuſammen aufgewachſen, kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiſte ſo ſehr verdunkelt mich zu ſehn — ich endlich mich kühn entſchloß, Dich gränzenlos zu lieben, weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu ſein. Da fing ich an mit tauſend Zärtlichkeiten und warmer Bruderliebe Dich zu quälen; Du ſtolzes Herz gabſt ſie mir kalt zurück. Oft ſtand ich da, und — doch das ſahſt Du nie! und heiße, ſchwere Thränentropfen hingen in meinem Aug’, wenn Du, mich überhüpfend, Vaſallenkinder in die Arme drückteſt. Warum nur dieſe? rief ich trauernd aus: Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut? — Du aber, Du knieteſt kalt und ernſthaft vor mir nieder: Das, ſagteſt du, gebührt dem Königsſohn. Marquis. O ſtille, Prinz, von dieſen kindiſchen Geſchichten, die mich jetzt noch ſchamroth machen. Karlos. Ich hatt’ es nicht um Dich verdient. Ver- ſchmähen, B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/27
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/27>, abgerufen am 23.11.2024.