Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Dritter Akt. König [mi]t Verwunderung zurücktretend. Wer bringt mir diesen Menschen? Er sieht ihn lange zweifelhaft an. Nach einigem Be- denken: Und mit diesem Spiele des Witzes, diesen künstlichen Sophismen, gedenken Sie die Pflichten zu betrügen, die Sie dem Staate schuldig sind? Marquis. Der Staat, dem ich sie schuldig war, ist nicht mehr. Eh- mals gab's einen Herrn, weil ihn Gesetze brauchten; jetzt gibt's Gesetze, weil der Herr sie braucht. Was ich dort meinesgleichen gab, bin ich jetzt nicht gehalten, Königen zu geben -- Dem Vaterlande? -- Wo ist das? Ich weiß von keinem Vaterlande. Spanien geht keinen Spanier mehr an. Es ist die Riesenhülle eines einz'gen Geistes. In diesem Riesenkörper wollen Sie allgegenwärtig denken, wirken, schwelgen, Dritter Akt. König [mi]t Verwunderung zurücktretend. Wer bringt mir dieſen Menſchen? Er ſieht ihn lange zweifelhaft an. Nach einigem Be- denken: Und mit dieſem Spiele des Witzes, dieſen künſtlichen Sophismen, gedenken Sie die Pflichten zu betrügen, die Sie dem Staate ſchuldig ſind? Marquis. Der Staat, dem ich ſie ſchuldig war, iſt nicht mehr. Eh- mals gab’s einen Herrn, weil ihn Geſetze brauchten; jetzt gibt’s Geſetze, weil der Herr ſie braucht. Was ich dort meinesgleichen gab, bin ich jetzt nicht gehalten, Königen zu geben — Dem Vaterlande? — Wo iſt das? Ich weiß von keinem Vaterlande. Spanien geht keinen Spanier mehr an. Es iſt die Rieſenhülle eines einz’gen Geiſtes. In dieſem Rieſenkörper wollen Sie allgegenwärtig denken, wirken, ſchwelgen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0279" n="267"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Akt</hi>.</fw><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker> <hi rendition="#g">König</hi> </speaker><lb/> <stage><supplied>mi</supplied>t Verwunderung zurücktretend.</stage><lb/> <p><hi rendition="#et">Wer bringt</hi><lb/> mir dieſen Menſchen?</p><lb/> <stage>Er ſieht ihn lange zweifelhaft an. Nach einigem Be-<lb/> denken:</stage><lb/> <p><hi rendition="#et">Und mit dieſem Spiele</hi><lb/> des Witzes, dieſen künſtlichen Sophismen,<lb/> gedenken Sie die Pflichten zu betrügen,<lb/> die Sie dem Staate ſchuldig ſind?</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Marquis</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Der</hi> Staat,</hi><lb/> dem ich ſie ſchuldig war, iſt nicht mehr. Eh-<lb/> mals<lb/> gab’s einen Herrn, weil ihn Geſetze brauchten;<lb/> jetzt gibt’s Geſetze, weil der Herr ſie braucht.<lb/> Was ich dort meinesgleichen gab, bin ich<lb/> jetzt nicht gehalten, Königen zu geben —<lb/> Dem Vaterlande? — Wo iſt das? Ich<lb/> weiß<lb/> von keinem Vaterlande. Spanien<lb/> geht keinen Spanier mehr an. Es iſt<lb/> die Rieſenhülle eines einz’gen Geiſtes.<lb/> In dieſem Rieſenkörper wollen <hi rendition="#g">Sie</hi><lb/> allgegenwärtig denken, wirken, ſchwelgen,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [267/0279]
Dritter Akt.
König
mit Verwunderung zurücktretend.
Wer bringt
mir dieſen Menſchen?
Er ſieht ihn lange zweifelhaft an. Nach einigem Be-
denken:
Und mit dieſem Spiele
des Witzes, dieſen künſtlichen Sophismen,
gedenken Sie die Pflichten zu betrügen,
die Sie dem Staate ſchuldig ſind?
Marquis.
Der Staat,
dem ich ſie ſchuldig war, iſt nicht mehr. Eh-
mals
gab’s einen Herrn, weil ihn Geſetze brauchten;
jetzt gibt’s Geſetze, weil der Herr ſie braucht.
Was ich dort meinesgleichen gab, bin ich
jetzt nicht gehalten, Königen zu geben —
Dem Vaterlande? — Wo iſt das? Ich
weiß
von keinem Vaterlande. Spanien
geht keinen Spanier mehr an. Es iſt
die Rieſenhülle eines einz’gen Geiſtes.
In dieſem Rieſenkörper wollen Sie
allgegenwärtig denken, wirken, ſchwelgen,
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