Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Vierter Akt. Königinn. Marquis, Ihr Freund erfüllte sie so ganz, daß Sie mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie im Ernst mich aller Weiblichkeit entbunden, da Sie zu seinem Engel mich gemacht, zu seinen Waffen Tugend ihm gegeben? Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel für unser Herz zu wagen ist, wenn wir mit solchen Namen Leidenschaft veredeln. Marquis. Für alle Weiber; nur für Eines nicht. Auf Eines schwör' ich -- Oder sollten Sie, Sie der Begierden edelster sich schämen, der Tugend Schöpferinn zu sein? Was geht es König Philipp an, wenn seine Verklärung in Eskurial den Mahler, der vor ihr steht, mit Ewigkeit entzündet? Gehört die süße Harmonie, die in dem Saitenspiele schlummert, seinem Käufer, der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat das Recht erkauft, in Trümmern es zu schla- gen, doch nicht die Kunst, dem Silberton zu rufen und in des Liedes Wonne zu zerschmelzen. Die Wahrheit ist vorhanden für den Weisen, Vierter Akt. Königinn. Marquis, Ihr Freund erfüllte ſie ſo ganz, daß Sie mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie im Ernſt mich aller Weiblichkeit entbunden, da Sie zu ſeinem Engel mich gemacht, zu ſeinen Waffen Tugend ihm gegeben? Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel für unſer Herz zu wagen iſt, wenn wir mit ſolchen Namen Leidenſchaft veredeln. Marquis. Für alle Weiber; nur für Eines nicht. Auf Eines ſchwör’ ich — Oder ſollten Sie, Sie der Begierden edelſter ſich ſchämen, der Tugend Schöpferinn zu ſein? Was geht es König Philipp an, wenn ſeine Verklärung in Eſkurial den Mahler, der vor ihr ſteht, mit Ewigkeit entzündet? Gehört die ſüße Harmonie, die in dem Saitenſpiele ſchlummert, ſeinem Käufer, der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat das Recht erkauft, in Trümmern es zu ſchla- gen, doch nicht die Kunſt, dem Silberton zu rufen und in des Liedes Wonne zu zerſchmelzen. Die Wahrheit iſt vorhanden für den Weiſen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0411" n="399"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierter Akt</hi>.</fw><lb/> <sp who="#KOENIGI"> <speaker><hi rendition="#g">Königinn</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Marquis,</hi><lb/> Ihr Freund erfüllte ſie ſo ganz, daß Sie<lb/> mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie<lb/> im Ernſt mich aller Weiblichkeit entbunden,<lb/> da Sie zu ſeinem Engel mich gemacht,<lb/> zu ſeinen Waffen Tugend ihm gegeben?<lb/> Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel<lb/> für unſer Herz zu wagen iſt, wenn wir<lb/> mit ſolchen Namen Leidenſchaft veredeln.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Marquis</hi>.</speaker><lb/> <p>Für alle Weiber; nur für Eines nicht.<lb/> Auf Eines ſchwör’ ich — Oder ſollten Sie,<lb/><hi rendition="#g">Sie</hi> der Begierden edelſter ſich ſchämen,<lb/> der Tugend Schöpferinn zu ſein?<lb/> Was geht es König Philipp an, wenn ſeine<lb/> Verklärung in Eſkurial den Mahler,<lb/> der vor ihr ſteht, mit Ewigkeit entzündet?<lb/> Gehört die ſüße Harmonie, die in<lb/> dem Saitenſpiele ſchlummert, ſeinem Käufer,<lb/> der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat<lb/> das Recht erkauft, in Trümmern es zu ſchla-<lb/> gen,<lb/> doch nicht die Kunſt, dem Silberton zu rufen<lb/> und in des Liedes Wonne zu zerſchmelzen.<lb/> Die Wahrheit iſt vorhanden für den Weiſen,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [399/0411]
Vierter Akt.
Königinn.
Marquis,
Ihr Freund erfüllte ſie ſo ganz, daß Sie
mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie
im Ernſt mich aller Weiblichkeit entbunden,
da Sie zu ſeinem Engel mich gemacht,
zu ſeinen Waffen Tugend ihm gegeben?
Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel
für unſer Herz zu wagen iſt, wenn wir
mit ſolchen Namen Leidenſchaft veredeln.
Marquis.
Für alle Weiber; nur für Eines nicht.
Auf Eines ſchwör’ ich — Oder ſollten Sie,
Sie der Begierden edelſter ſich ſchämen,
der Tugend Schöpferinn zu ſein?
Was geht es König Philipp an, wenn ſeine
Verklärung in Eſkurial den Mahler,
der vor ihr ſteht, mit Ewigkeit entzündet?
Gehört die ſüße Harmonie, die in
dem Saitenſpiele ſchlummert, ſeinem Käufer,
der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat
das Recht erkauft, in Trümmern es zu ſchla-
gen,
doch nicht die Kunſt, dem Silberton zu rufen
und in des Liedes Wonne zu zerſchmelzen.
Die Wahrheit iſt vorhanden für den Weiſen,
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