Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierter Akt.
Königinn.
Marquis,
Ihr Freund erfüllte sie so ganz, daß Sie
mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie
im Ernst mich aller Weiblichkeit entbunden,
da Sie zu seinem Engel mich gemacht,
zu seinen Waffen Tugend ihm gegeben?
Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel
für unser Herz zu wagen ist, wenn wir
mit solchen Namen Leidenschaft veredeln.
Marquis.
Für alle Weiber; nur für Eines nicht.
Auf Eines schwör' ich -- Oder sollten Sie,
Sie der Begierden edelster sich schämen,
der Tugend Schöpferinn zu sein?
Was geht es König Philipp an, wenn seine
Verklärung in Eskurial den Mahler,
der vor ihr steht, mit Ewigkeit entzündet?
Gehört die süße Harmonie, die in
dem Saitenspiele schlummert, seinem Käufer,
der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat
das Recht erkauft, in Trümmern es zu schla-
gen,
doch nicht die Kunst, dem Silberton zu rufen
und in des Liedes Wonne zu zerschmelzen.
Die Wahrheit ist vorhanden für den Weisen,
Vierter Akt.
Königinn.
Marquis,
Ihr Freund erfüllte ſie ſo ganz, daß Sie
mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie
im Ernſt mich aller Weiblichkeit entbunden,
da Sie zu ſeinem Engel mich gemacht,
zu ſeinen Waffen Tugend ihm gegeben?
Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel
für unſer Herz zu wagen iſt, wenn wir
mit ſolchen Namen Leidenſchaft veredeln.
Marquis.
Für alle Weiber; nur für Eines nicht.
Auf Eines ſchwör’ ich — Oder ſollten Sie,
Sie der Begierden edelſter ſich ſchämen,
der Tugend Schöpferinn zu ſein?
Was geht es König Philipp an, wenn ſeine
Verklärung in Eſkurial den Mahler,
der vor ihr ſteht, mit Ewigkeit entzündet?
Gehört die ſüße Harmonie, die in
dem Saitenſpiele ſchlummert, ſeinem Käufer,
der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat
das Recht erkauft, in Trümmern es zu ſchla-
gen,
doch nicht die Kunſt, dem Silberton zu rufen
und in des Liedes Wonne zu zerſchmelzen.
Die Wahrheit iſt vorhanden für den Weiſen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0411" n="399"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierter Akt</hi>.</fw><lb/>
            <sp who="#KOENIGI">
              <speaker><hi rendition="#g">Königinn</hi>.</speaker><lb/>
              <p><hi rendition="#et">Marquis,</hi><lb/>
Ihr Freund erfüllte &#x017F;ie &#x017F;o ganz, daß Sie<lb/>
mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie<lb/>
im Ern&#x017F;t mich aller Weiblichkeit entbunden,<lb/>
da Sie zu &#x017F;einem Engel mich gemacht,<lb/>
zu &#x017F;einen Waffen Tugend ihm gegeben?<lb/>
Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel<lb/>
für un&#x017F;er Herz zu wagen i&#x017F;t, wenn wir<lb/>
mit &#x017F;olchen Namen Leiden&#x017F;chaft veredeln.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#MAR">
              <speaker><hi rendition="#g">Marquis</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Für alle Weiber; nur für Eines nicht.<lb/>
Auf Eines &#x017F;chwör&#x2019; ich &#x2014; Oder &#x017F;ollten Sie,<lb/><hi rendition="#g">Sie</hi> der Begierden edel&#x017F;ter &#x017F;ich &#x017F;chämen,<lb/>
der Tugend Schöpferinn zu &#x017F;ein?<lb/>
Was geht es König Philipp an, wenn &#x017F;eine<lb/>
Verklärung in E&#x017F;kurial den Mahler,<lb/>
der vor ihr &#x017F;teht, mit Ewigkeit entzündet?<lb/>
Gehört die &#x017F;üße Harmonie, die in<lb/>
dem Saiten&#x017F;piele &#x017F;chlummert, &#x017F;einem Käufer,<lb/>
der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat<lb/>
das Recht erkauft, in Trümmern es zu &#x017F;chla-<lb/>
gen,<lb/>
doch nicht die Kun&#x017F;t, dem Silberton zu rufen<lb/>
und in des Liedes Wonne zu zer&#x017F;chmelzen.<lb/>
Die Wahrheit i&#x017F;t vorhanden für den Wei&#x017F;en,<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0411] Vierter Akt. Königinn. Marquis, Ihr Freund erfüllte ſie ſo ganz, daß Sie mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie im Ernſt mich aller Weiblichkeit entbunden, da Sie zu ſeinem Engel mich gemacht, zu ſeinen Waffen Tugend ihm gegeben? Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel für unſer Herz zu wagen iſt, wenn wir mit ſolchen Namen Leidenſchaft veredeln. Marquis. Für alle Weiber; nur für Eines nicht. Auf Eines ſchwör’ ich — Oder ſollten Sie, Sie der Begierden edelſter ſich ſchämen, der Tugend Schöpferinn zu ſein? Was geht es König Philipp an, wenn ſeine Verklärung in Eſkurial den Mahler, der vor ihr ſteht, mit Ewigkeit entzündet? Gehört die ſüße Harmonie, die in dem Saitenſpiele ſchlummert, ſeinem Käufer, der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat das Recht erkauft, in Trümmern es zu ſchla- gen, doch nicht die Kunſt, dem Silberton zu rufen und in des Liedes Wonne zu zerſchmelzen. Die Wahrheit iſt vorhanden für den Weiſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/411
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/411>, abgerufen am 26.06.2024.