Königinn unter stveitenden Empfindungen, die Augen weggewandt, mit halber Stimme. Karl --
Karlos. Erstaunen Sie nicht, Mutter. Es ist kein Opfer, hat mir keinen Kampf gekostet. Endlich seh' ich ein, es gibt ein höher, wünschenswerther Gut, als Dich besitzen. Eine kurze Nacht hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt, frühzeitig mich zum Mann gereift. Ich habe für dieses Leben keine Arbeit mehr, als die Erinnerung an ihn! In Einem Abend hab' ich den Vorrath auf mein ganzes Da- sein voraus empfangen und verpraßt. Vorbei sind alle meine Ärnten -- Er nähert sich der Königinn, welche das Gesicht verhüllt. Sagen Sie mir gar nichts, Mutter?
Dom Karlos.
Königinn unter ſtveitenden Empfindungen, die Augen weggewandt, mit halber Stimme. Karl —
Karlos. Erſtaunen Sie nicht, Mutter. Es iſt kein Opfer, hat mir keinen Kampf gekoſtet. Endlich ſeh’ ich ein, es gibt ein höher, wünſchenswerther Gut, als Dich beſitzen. Eine kurze Nacht hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt, frühzeitig mich zum Mann gereift. Ich habe für dieſes Leben keine Arbeit mehr, als die Erinnerung an ihn! In Einem Abend hab’ ich den Vorrath auf mein ganzes Da- ſein voraus empfangen und verpraßt. Vorbei ſind alle meine Ärnten — Er nähert ſich der Königinn, welche das Geſicht verhüllt. Sagen Sie mir gar nichts, Mutter?
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0512"n="500"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Dom Karlos</hi>.</fw><lb/><spwho="#KOENIGI"><speaker><hirendition="#g">Königinn</hi></speaker><lb/><stage>unter ſtveitenden Empfindungen, die Augen weggewandt,<lb/>
mit halber Stimme.</stage><lb/><p><hirendition="#et">Karl —</hi></p></sp><lb/><spwho="#KAR"><speaker><hirendition="#g">Karlos</hi>.</speaker><lb/><p><hirendition="#et">Erſtaunen Sie nicht, Mutter.</hi><lb/>
Es iſt kein Opfer, hat mir keinen Kampf<lb/>
gekoſtet. Endlich ſeh’ ich ein, es gibt<lb/>
ein höher, wünſchenswerther Gut, als Dich<lb/>
beſitzen. Eine kurze Nacht<lb/>
hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt,<lb/>
frühzeitig mich zum Mann gereift. Ich<lb/>
habe<lb/>
für dieſes Leben keine Arbeit mehr,<lb/>
als die Erinnerung an ihn! In Einem<lb/>
Abend<lb/>
hab’ ich den Vorrath auf mein ganzes Da-<lb/>ſein<lb/>
voraus empfangen und verpraßt. Vorbei<lb/>ſind alle meine Ärnten —</p><lb/><stage>Er nähert ſich der Königinn, welche das Geſicht<lb/>
verhüllt.</stage><lb/><p><hirendition="#et">Sagen Sie</hi><lb/>
mir gar nichts, Mutter?</p></sp><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[500/0512]
Dom Karlos.
Königinn
unter ſtveitenden Empfindungen, die Augen weggewandt,
mit halber Stimme.
Karl —
Karlos.
Erſtaunen Sie nicht, Mutter.
Es iſt kein Opfer, hat mir keinen Kampf
gekoſtet. Endlich ſeh’ ich ein, es gibt
ein höher, wünſchenswerther Gut, als Dich
beſitzen. Eine kurze Nacht
hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt,
frühzeitig mich zum Mann gereift. Ich
habe
für dieſes Leben keine Arbeit mehr,
als die Erinnerung an ihn! In Einem
Abend
hab’ ich den Vorrath auf mein ganzes Da-
ſein
voraus empfangen und verpraßt. Vorbei
ſind alle meine Ärnten —
Er nähert ſich der Königinn, welche das Geſicht
verhüllt.
Sagen Sie
mir gar nichts, Mutter?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/512>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.