Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Erster Akt. Doch durch die Larve winkt Dein Karl Dir zu,Du drückst mir im Vorübergehn die Hände, und wir verstehen uns. Marquis. Der Traum ist göttlich. Doch wird er nie verfliegen? Ist mein Karl auch seiner so gewiß, den Reitzungen der unumschränkten Majestät zu trotzen? Noch ist ein großer Tag zurück -- ein Tag -- wo dieser Heldensinn -- ich will Sie mahnen -- in einer schweren Probe sinken wird. Dom Philipp stirbt. Karl erbt das größte Reich der Christenheit -- Ein ungeheurer Spalt reißt vom Geschlecht der Sterblichen ihn los, und Gott ist heut, wer gestern Mensch noch war. Jetzt hat er keine Schwächen mehr. Die Pflichten der Ewigkeit verstummen ihm. Die Menschheit -- noch heut ein großes Wort in seinem Ohr -- verkauft sich selbst und kriecht um ihren Götzen. Sein Mitgefühl löscht mit dem Leiden aus, in Wollüsten ermattet seine Tugend, für seine Thorheit schickt ihm Peru Gold, für seine Laster zieht sein Hof ihm Teufel. Er schläft berauscht in diesem Himmel ein, den seine Sklaven listig um ihn schufen. Erſter Akt. Doch durch die Larve winkt Dein Karl Dir zu,Du drückſt mir im Vorübergehn die Hände, und wir verſtehen uns. Marquis. Der Traum iſt göttlich. Doch wird er nie verfliegen? Iſt mein Karl auch ſeiner ſo gewiß, den Reitzungen der unumſchränkten Majeſtät zu trotzen? Noch iſt ein großer Tag zurück — ein Tag — wo dieſer Heldenſinn — ich will Sie mahnen — in einer ſchweren Probe ſinken wird. Dom Philipp ſtirbt. Karl erbt das größte Reich der Chriſtenheit — Ein ungeheurer Spalt reißt vom Geſchlecht der Sterblichen ihn los, und Gott iſt heut, wer geſtern Menſch noch war. Jetzt hat er keine Schwächen mehr. Die Pflichten der Ewigkeit verſtummen ihm. Die Menſchheit — noch heut ein großes Wort in ſeinem Ohr — verkauft ſich ſelbſt und kriecht um ihren Götzen. Sein Mitgefühl löſcht mit dem Leiden aus, in Wollüſten ermattet ſeine Tugend, für ſeine Thorheit ſchickt ihm Peru Gold, für ſeine Laſter zieht ſein Hof ihm Teufel. Er ſchläft berauſcht in dieſem Himmel ein, den ſeine Sklaven liſtig um ihn ſchufen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#KAR"> <p><pb facs="#f0085" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſter Akt.</hi></fw><lb/> Doch durch die Larve winkt Dein Karl Dir zu,<lb/> Du drückſt mir im Vorübergehn die Hände,<lb/> und wir verſtehen uns.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker> <hi rendition="#g">Marquis.</hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Der Traum iſt göttlich.</hi><lb/> Doch wird er nie verfliegen? Iſt mein Karl<lb/> auch ſeiner ſo gewiß, den Reitzungen<lb/> der unumſchränkten Majeſtät zu trotzen?<lb/> Noch iſt ein großer Tag zurück — ein Tag —<lb/> wo dieſer Heldenſinn — ich will Sie mahnen —<lb/> in einer ſchweren Probe ſinken wird.<lb/> Dom Philipp ſtirbt. Karl erbt das größte Reich<lb/> der Chriſtenheit — Ein ungeheurer Spalt<lb/> reißt vom Geſchlecht der Sterblichen ihn los,<lb/> und Gott iſt heut, wer geſtern Menſch noch war.<lb/> Jetzt hat er keine Schwächen mehr. Die<lb/> Pflichten<lb/> der Ewigkeit verſtummen ihm. Die Menſchheit<lb/> — noch heut ein großes Wort in ſeinem Ohr —<lb/> verkauft ſich ſelbſt und kriecht um ihren Götzen.<lb/> Sein Mitgefühl löſcht mit dem Leiden aus,<lb/> in Wollüſten ermattet ſeine Tugend,<lb/> für ſeine Thorheit ſchickt ihm Peru Gold,<lb/> für ſeine Laſter zieht ſein Hof ihm Teufel.<lb/> Er ſchläft berauſcht in dieſem Himmel ein,<lb/> den ſeine Sklaven liſtig um ihn ſchufen.<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0085]
Erſter Akt.
Doch durch die Larve winkt Dein Karl Dir zu,
Du drückſt mir im Vorübergehn die Hände,
und wir verſtehen uns.
Marquis.
Der Traum iſt göttlich.
Doch wird er nie verfliegen? Iſt mein Karl
auch ſeiner ſo gewiß, den Reitzungen
der unumſchränkten Majeſtät zu trotzen?
Noch iſt ein großer Tag zurück — ein Tag —
wo dieſer Heldenſinn — ich will Sie mahnen —
in einer ſchweren Probe ſinken wird.
Dom Philipp ſtirbt. Karl erbt das größte Reich
der Chriſtenheit — Ein ungeheurer Spalt
reißt vom Geſchlecht der Sterblichen ihn los,
und Gott iſt heut, wer geſtern Menſch noch war.
Jetzt hat er keine Schwächen mehr. Die
Pflichten
der Ewigkeit verſtummen ihm. Die Menſchheit
— noch heut ein großes Wort in ſeinem Ohr —
verkauft ſich ſelbſt und kriecht um ihren Götzen.
Sein Mitgefühl löſcht mit dem Leiden aus,
in Wollüſten ermattet ſeine Tugend,
für ſeine Thorheit ſchickt ihm Peru Gold,
für ſeine Laſter zieht ſein Hof ihm Teufel.
Er ſchläft berauſcht in dieſem Himmel ein,
den ſeine Sklaven liſtig um ihn ſchufen.
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