Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.sem Kopfe hatten sich Wahrheit und Irrthum noch Dieser vermeyntliche Triumph gefiel ihm um so Es halfen mehrere Dinge zusammen, ihn in wohl
ſem Kopfe hatten ſich Wahrheit und Irrthum noch Dieſer vermeyntliche Triumph gefiel ihm um ſo Es halfen mehrere Dinge zuſammen, ihn in wohl
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0103" n="95"/> ſem Kopfe hatten ſich Wahrheit und Irrthum noch<lb/> nicht ſo genau von einander geſondert, daß es ihm<lb/> nicht oft begegnet wäre, die Stützen der einen mit<lb/> den Stützen des andern zu verwechſeln; daher kam<lb/> es, daß der Schlag, der ſeinen Glauben an Wun¬<lb/> der ſtürzte, das ganze Gebäude ſeines Glaubens<lb/> zugleich zum Wanken brachte. Es erging ihm<lb/> hier, wie einem unerfahrnen Menſchen, der in der<lb/> Freundſchaft oder Liebe hintergingen worden, weil<lb/> er ſchlecht gewählt hatte, und der nun ſeinen Glau¬<lb/> ben an dieſe Empfindungen überhaupt ſinken läßt,<lb/> weil er bloße Zufälligkeiten für weſentliche Kennzei¬<lb/> chen derſelben aufnimmt. Ein entlarvter Betrug<lb/> machte ihm auch die Wahrheit verdächtig, weil er<lb/> ſich die Wahrheit unglücklicher Weiſe durch gleich<lb/> ſchlechte Gründe bewieſen hatte.</p><lb/> <p>Dieſer vermeyntliche Triumph gefiel ihm um ſo<lb/> mehr, je ſchwerer der Druck geweſen, wovon er<lb/> ihn zu befreyen ſchien. Von dieſem Zeitpunkt an<lb/> regte ſich eine Zweifelſucht in ihm, die auch das<lb/> Ehrwürdigſte nicht verſchonte.</p><lb/> <p>Es halfen mehrere Dinge zuſammen, ihn in<lb/> dieſer Gemüthslage zu erhalten, und noch mehr<lb/> darin zu befeſtigen. Die Zurückgezogenheit, in<lb/> der er bisher gelebt hatte, hörte jezt auf, und<lb/> mußte einer zerſtreuungsvollen Lebensart Platz ma¬<lb/> chen. Sein Stand war entdeckt. Aufmerkſam¬<lb/> keiten, die er erwiedern mußte, Etikette, die er<lb/> ſeinem Rang ſchuldig war, riſſen ihn unvermerkt<lb/> in den Wirbel der großen Welt. Sein Stand ſo¬<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wohl<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0103]
ſem Kopfe hatten ſich Wahrheit und Irrthum noch
nicht ſo genau von einander geſondert, daß es ihm
nicht oft begegnet wäre, die Stützen der einen mit
den Stützen des andern zu verwechſeln; daher kam
es, daß der Schlag, der ſeinen Glauben an Wun¬
der ſtürzte, das ganze Gebäude ſeines Glaubens
zugleich zum Wanken brachte. Es erging ihm
hier, wie einem unerfahrnen Menſchen, der in der
Freundſchaft oder Liebe hintergingen worden, weil
er ſchlecht gewählt hatte, und der nun ſeinen Glau¬
ben an dieſe Empfindungen überhaupt ſinken läßt,
weil er bloße Zufälligkeiten für weſentliche Kennzei¬
chen derſelben aufnimmt. Ein entlarvter Betrug
machte ihm auch die Wahrheit verdächtig, weil er
ſich die Wahrheit unglücklicher Weiſe durch gleich
ſchlechte Gründe bewieſen hatte.
Dieſer vermeyntliche Triumph gefiel ihm um ſo
mehr, je ſchwerer der Druck geweſen, wovon er
ihn zu befreyen ſchien. Von dieſem Zeitpunkt an
regte ſich eine Zweifelſucht in ihm, die auch das
Ehrwürdigſte nicht verſchonte.
Es halfen mehrere Dinge zuſammen, ihn in
dieſer Gemüthslage zu erhalten, und noch mehr
darin zu befeſtigen. Die Zurückgezogenheit, in
der er bisher gelebt hatte, hörte jezt auf, und
mußte einer zerſtreuungsvollen Lebensart Platz ma¬
chen. Sein Stand war entdeckt. Aufmerkſam¬
keiten, die er erwiedern mußte, Etikette, die er
ſeinem Rang ſchuldig war, riſſen ihn unvermerkt
in den Wirbel der großen Welt. Sein Stand ſo¬
wohl
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