Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.keit, seinem Geist die Bildung zu geben, die er bis¬ be¬ d.Geisterseher. G
keit, ſeinem Geiſt die Bildung zu geben, die er bis¬ be¬ d.Geiſterſeher. G
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0105" n="97"/> keit, ſeinem Geiſt die Bildung zu geben, die er bis¬<lb/> her verabſäumt hatte, um das Jahrfünftel der<lb/> witzigen und der denkenden Welt einzuholen, hin¬<lb/> ter welchem er ſo weit zurückgeblieben war. Er<lb/> wählte dazu die modernſte Lektüre, der er ſich nun mit<lb/> allem dem Ernſte hingab, womit er alles, was er<lb/> vornahm, zu behandeln pflegte. Aber die ſchlim¬<lb/> me Hand, die bey der Wahl dieſer Schriften im<lb/> Spiele war ließ ihn unglücklicher Weiſe immer auf<lb/> ſolche ſtoßen, bey denen ſeine Vernunft und ſein<lb/> Herz wenig gebeſſert waren. Und auch hier wal¬<lb/> tete ſein Lieblingshang vor, der ihn immer zu al¬<lb/> lem, was nicht begriffen werden ſoll, mit unwider¬<lb/> ſtehlichem Reize hingezogen hatte. Nur für das¬<lb/> jenige, was damit in Beziehung ſtand, hatte er<lb/> Aufmerkſamkeit und Gedächtniß; ſeine Vernunft<lb/> und ſein Herz blieben leer, während ſich dieſe Fä¬<lb/> cher ſeines Gehirns mit verworrenen Begriffen an¬<lb/> füllten. Der blendende Styl des einen riß ſeine Ima¬<lb/> gination dahin, indem die Spitzfindigkeiten des an¬<lb/> dern ſeine Vernunft verſtrickten. Beyden wurde<lb/> es leicht, ſich einen Geiſt zu unterjochen, der ein<lb/> Raub eines jeden war, der ſich ihm mit einer ge¬<lb/> wiſſen Dreiſtigkeit aufdrang. Eine Lektüre, die<lb/> länger als ein Jahr mit Leidenſchaft fortgeſezt wurde,<lb/> hatte ihn beynahe mit gar keinem wohlthätigen Be¬<lb/> griff bereichert, wohl aber ſeinen Kopf mit Zwei¬<lb/> feln angefüllt, die, wie es bey dieſem conſequenten<lb/> Charakter unausbleiblich folgte, bald einen unglück¬<lb/> lichen Weg zu ſeinem Herzen fanden. Daß ich<lb/> es kurz ſage — er hatte ſich in dieſes Labyrinth<lb/> <fw place="bottom" type="sig">d.Geiſterſeher. G<lb/></fw><lb/> <fw place="bottom" type="catch">be¬<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0105]
keit, ſeinem Geiſt die Bildung zu geben, die er bis¬
her verabſäumt hatte, um das Jahrfünftel der
witzigen und der denkenden Welt einzuholen, hin¬
ter welchem er ſo weit zurückgeblieben war. Er
wählte dazu die modernſte Lektüre, der er ſich nun mit
allem dem Ernſte hingab, womit er alles, was er
vornahm, zu behandeln pflegte. Aber die ſchlim¬
me Hand, die bey der Wahl dieſer Schriften im
Spiele war ließ ihn unglücklicher Weiſe immer auf
ſolche ſtoßen, bey denen ſeine Vernunft und ſein
Herz wenig gebeſſert waren. Und auch hier wal¬
tete ſein Lieblingshang vor, der ihn immer zu al¬
lem, was nicht begriffen werden ſoll, mit unwider¬
ſtehlichem Reize hingezogen hatte. Nur für das¬
jenige, was damit in Beziehung ſtand, hatte er
Aufmerkſamkeit und Gedächtniß; ſeine Vernunft
und ſein Herz blieben leer, während ſich dieſe Fä¬
cher ſeines Gehirns mit verworrenen Begriffen an¬
füllten. Der blendende Styl des einen riß ſeine Ima¬
gination dahin, indem die Spitzfindigkeiten des an¬
dern ſeine Vernunft verſtrickten. Beyden wurde
es leicht, ſich einen Geiſt zu unterjochen, der ein
Raub eines jeden war, der ſich ihm mit einer ge¬
wiſſen Dreiſtigkeit aufdrang. Eine Lektüre, die
länger als ein Jahr mit Leidenſchaft fortgeſezt wurde,
hatte ihn beynahe mit gar keinem wohlthätigen Be¬
griff bereichert, wohl aber ſeinen Kopf mit Zwei¬
feln angefüllt, die, wie es bey dieſem conſequenten
Charakter unausbleiblich folgte, bald einen unglück¬
lichen Weg zu ſeinem Herzen fanden. Daß ich
es kurz ſage — er hatte ſich in dieſes Labyrinth
be¬
d.Geiſterſeher. G
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