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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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telstunde mochte man gegangen seyn, als Biondello
die Entdeckung machte, daß er verirrt sey. Die
Aehnlichkeit der Brücken hatte ihn getäuscht, und
anstatt in St. Markus überzusetzen, befand man
sich im Sestiere von Kastello. Es war in einer der
abgelegensten Gassen, und nichts lebendes weit und
breit, man mußte umkehren, um sich in einer
Hauptstraße zu orientiren. Sie sind nur wenige
Schritte gegangen, als nicht weit von ihnen in einer
Gasse ein Mordgeschrey erschallt. Der Prinz, unbe¬
waffnet wie er war, reißt einem Bedienten den Stock
aus den Händen, und mit dem entschlossenen Muth,
den Sie an ihm kennen, nach der Gegend zu, wo¬
her diese Stimme erschallte. Drey fürchterliche
Ke[r]ls sind eben im Begriff, einen Vierten nieder¬
zustoßen, der sich mit seinem Begleiter nur noch
schwach vertheidigt; der Prinz erscheint noch eben
zu rechter Zeit, um den tödtlichen Stich zu hin¬
dern. Sein und der Bedienten Rufen bestürzt die
Mörder, die sich an einem so abgelegenen Ort auf
keine Ueberraschung versehen hatten, daß sie nach
einigen leichten Dolchstichen von ihrem Manne ab¬
lassen und die Flucht ergreifen. Halb ohnmächtig
und vom Ringen erschöpft, sinkt der Verwundete
in den Arm des Prinzen; sein Begleiter entdeckt
diesem, daß er den Marchese von Civitella, den
Neffen des Kardinals A***i, gerettet habe.
Da der Marchese viel Blut verlor, so machte Bion¬
dello, so gut er konnte, in der Eile den Wundarzt,
und der Prinz trug Sorge, daß er nach dem Pallast
seines Oheims geschafft wurde, der am nächsten

gelegen

telſtunde mochte man gegangen ſeyn, als Biondello
die Entdeckung machte, daß er verirrt ſey. Die
Aehnlichkeit der Brücken hatte ihn getäuſcht, und
anſtatt in St. Markus überzuſetzen, befand man
ſich im Seſtiere von Kaſtello. Es war in einer der
abgelegenſten Gaſſen, und nichts lebendes weit und
breit, man mußte umkehren, um ſich in einer
Hauptſtraße zu orientiren. Sie ſind nur wenige
Schritte gegangen, als nicht weit von ihnen in einer
Gaſſe ein Mordgeſchrey erſchallt. Der Prinz, unbe¬
waffnet wie er war, reißt einem Bedienten den Stock
aus den Händen, und mit dem entſchloſſenen Muth,
den Sie an ihm kennen, nach der Gegend zu, wo¬
her dieſe Stimme erſchallte. Drey fürchterliche
Ke[r]ls ſind eben im Begriff, einen Vierten nieder¬
zuſtoßen, der ſich mit ſeinem Begleiter nur noch
ſchwach vertheidigt; der Prinz erſcheint noch eben
zu rechter Zeit, um den tödtlichen Stich zu hin¬
dern. Sein und der Bedienten Rufen beſtürzt die
Mörder, die ſich an einem ſo abgelegenen Ort auf
keine Ueberraſchung verſehen hatten, daß ſie nach
einigen leichten Dolchſtichen von ihrem Manne ab¬
laſſen und die Flucht ergreifen. Halb ohnmächtig
und vom Ringen erſchöpft, ſinkt der Verwundete
in den Arm des Prinzen; ſein Begleiter entdeckt
dieſem, daß er den Marcheſe von Civitella, den
Neffen des Kardinals A***i, gerettet habe.
Da der Marcheſe viel Blut verlor, ſo machte Bion¬
dello, ſo gut er konnte, in der Eile den Wundarzt,
und der Prinz trug Sorge, daß er nach dem Pallaſt
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gelegen
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[112/0120] telſtunde mochte man gegangen ſeyn, als Biondello die Entdeckung machte, daß er verirrt ſey. Die Aehnlichkeit der Brücken hatte ihn getäuſcht, und anſtatt in St. Markus überzuſetzen, befand man ſich im Seſtiere von Kaſtello. Es war in einer der abgelegenſten Gaſſen, und nichts lebendes weit und breit, man mußte umkehren, um ſich in einer Hauptſtraße zu orientiren. Sie ſind nur wenige Schritte gegangen, als nicht weit von ihnen in einer Gaſſe ein Mordgeſchrey erſchallt. Der Prinz, unbe¬ waffnet wie er war, reißt einem Bedienten den Stock aus den Händen, und mit dem entſchloſſenen Muth, den Sie an ihm kennen, nach der Gegend zu, wo¬ her dieſe Stimme erſchallte. Drey fürchterliche Kerls ſind eben im Begriff, einen Vierten nieder¬ zuſtoßen, der ſich mit ſeinem Begleiter nur noch ſchwach vertheidigt; der Prinz erſcheint noch eben zu rechter Zeit, um den tödtlichen Stich zu hin¬ dern. Sein und der Bedienten Rufen beſtürzt die Mörder, die ſich an einem ſo abgelegenen Ort auf keine Ueberraſchung verſehen hatten, daß ſie nach einigen leichten Dolchſtichen von ihrem Manne ab¬ laſſen und die Flucht ergreifen. Halb ohnmächtig und vom Ringen erſchöpft, ſinkt der Verwundete in den Arm des Prinzen; ſein Begleiter entdeckt dieſem, daß er den Marcheſe von Civitella, den Neffen des Kardinals A***i, gerettet habe. Da der Marcheſe viel Blut verlor, ſo machte Bion¬ dello, ſo gut er konnte, in der Eile den Wundarzt, und der Prinz trug Sorge, daß er nach dem Pallaſt ſeines Oheims geſchafft wurde, der am nächſten gelegen

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/120>, abgerufen am 21.11.2024.