Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789."Und was thut der König, wenn er regieret?" Er denkt. "Und wenn der wachsame Philosoph schläft, Er schläft. "Nehmen Sie zwey brennende Kerzen, eine davon Sie werden leuchten. Aber eben das spricht "Beyde sind gleich vortrefflich, aber beyde haben Wie ist das möglich? Da die in dem weiten "Erwägen Sie nur, daß hier nur von der er¬ Theile
„Und was thut der König, wenn er regieret?“ Er denkt. „Und wenn der wachſame Philoſoph ſchläft, Er ſchläft. „Nehmen Sie zwey brennende Kerzen, eine davon Sie werden leuchten. Aber eben das ſpricht „Beyde ſind gleich vortrefflich, aber beyde haben Wie iſt das möglich? Da die in dem weiten „Erwägen Sie nur, daß hier nur von der er¬ Theile
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„Und was thut der König, wenn er regieret?“
Er denkt.
„Und wenn der wachſame Philoſoph ſchläft,
was thut der wachſame König?“
Er ſchläft.
„Nehmen Sie zwey brennende Kerzen, eine davon
ſteht in einer Bauerſtube, die andere ſoll in einem
prächtigen Saale einer fröhlichen Geſellſchaft leuch¬
ten. Was werden ſie beyde?“
Sie werden leuchten. Aber eben das ſpricht
für mich. — Beyde Kerzen, nehmen wir an,
brennen gleich lang und gleich helle, und verwech¬
ſelte man ihre Beſtimmung, ſo würde niemand ei¬
nen Unterſchied merken. Warum ſoll die eine dar¬
um vortrefflicher ſeyn, weil der Zufall ſie begün¬
ſtigte, in einem glänzenden Saale Pracht und
Schönheit zu zeigen, warum ſoll die andre ſchlech¬
ter ſeyn, weil der Zufall ſie dazu verdammte, in einer
Bauernhütte Armuth und Kummer ſichtbar zu ma¬
chen? Und doch folgte dieß nothwendig aus Ihrer
Behauptung.
„Beyde ſind gleich vortrefflich, aber beyde haben
auch gleich viel geleiſtet.“
Wie iſt das möglich? Da die in dem weiten
Saale ſo viel mehr Licht ausgegoſſen hat, als die
andre? Da ſie ſo viel mehr Vergnügen verbreitet
hat, als die andre?
„Erwägen Sie nur, daß hier nur von der er¬
ſten Wirkung die Rede iſt, nicht von der ganzen
Kette. Nur die nächſtfolgende Wirkung gehört
der nächſtvorhergegangenen Urſache; nur ſo viele
Theile
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