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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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meine Kleider werfen -- er befahl mir zu bleiben,
und setzte sich zu mir vor das Bette.

"Es ist mir heute etwas vorgekommen, fing
er an, davon der Eindruck aus meinem Gemüthe
nie mehr verlöschen wird. Ich ging von Ihnen,
wie Sie wissen, in die *** Kirche, worauf mich
Civitella neugierig gemacht, und die schon von
ferne meine Augen auf sich gezogen hatte. Weil
weder Sie noch Er mir gleich zur Hand waren, so
machte ich die wenigen Schritte allein; Biondello
ließ ich am Eingange auf mich warten. Die Kir¬
che war ganz leer -- eine schaurigkühle Dunkel¬
heit umfing mich, als ich aus dem schwülen,
blendenden Tageslicht hinein trat. Ich sah mich
einsam in dem weiten Gewölbe, worin eine feier¬
liche Grabstille herrschte. Ich stellte mich in die
Mitte des Doms, und überließ mich der ganzen
Fülle dieses Eindrucks; allmählich traten die großen
Verhältnisse dieses majestätischen Baues meinen Au¬
gen bemerkbarer hervor, ich verlor mich in ernster
ergötzender Betrachtung. Die Abendglocke tönte
über mir, ihr Ton verhallte sanft in diesem Ge¬
wölbe, wie in meiner Seele. Einige Altarstücke
hatten von weitem meine Aufmerksamkeit erweckt;
ich trat näher, sie zu betrachten; unvermerkt
hatte ich diese ganze Seite der Kirche bis zum ent¬
gegen stehenden Ende durchwandert. Hier lenkt
man um einen Pfeiler einige Treppen hinauf in eine
Nebenkapelle, worin mehrere kleinere Altäre und
Statuen von Heiligen in Nischen angebracht stehen.

Wie

meine Kleider werfen — er befahl mir zu bleiben,
und ſetzte ſich zu mir vor das Bette.

„Es iſt mir heute etwas vorgekommen, fing
er an, davon der Eindruck aus meinem Gemüthe
nie mehr verlöſchen wird. Ich ging von Ihnen,
wie Sie wiſſen, in die *** Kirche, worauf mich
Civitella neugierig gemacht, und die ſchon von
ferne meine Augen auf ſich gezogen hatte. Weil
weder Sie noch Er mir gleich zur Hand waren, ſo
machte ich die wenigen Schritte allein; Biondello
ließ ich am Eingange auf mich warten. Die Kir¬
che war ganz leer — eine ſchaurigkühle Dunkel¬
heit umfing mich, als ich aus dem ſchwülen,
blendenden Tageslicht hinein trat. Ich ſah mich
einſam in dem weiten Gewölbe, worin eine feier¬
liche Grabſtille herrſchte. Ich ſtellte mich in die
Mitte des Doms, und überließ mich der ganzen
Fülle dieſes Eindrucks; allmählich traten die großen
Verhältniſſe dieſes majeſtätiſchen Baues meinen Au¬
gen bemerkbarer hervor, ich verlor mich in ernſter
ergötzender Betrachtung. Die Abendglocke tönte
über mir, ihr Ton verhallte ſanft in dieſem Ge¬
wölbe, wie in meiner Seele. Einige Altarſtücke
hatten von weitem meine Aufmerkſamkeit erweckt;
ich trat näher, ſie zu betrachten; unvermerkt
hatte ich dieſe ganze Seite der Kirche bis zum ent¬
gegen ſtehenden Ende durchwandert. Hier lenkt
man um einen Pfeiler einige Treppen hinauf in eine
Nebenkapelle, worin mehrere kleinere Altäre und
Statuen von Heiligen in Niſchen angebracht ſtehen.

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[170/0178] meine Kleider werfen — er befahl mir zu bleiben, und ſetzte ſich zu mir vor das Bette. „Es iſt mir heute etwas vorgekommen, fing er an, davon der Eindruck aus meinem Gemüthe nie mehr verlöſchen wird. Ich ging von Ihnen, wie Sie wiſſen, in die *** Kirche, worauf mich Civitella neugierig gemacht, und die ſchon von ferne meine Augen auf ſich gezogen hatte. Weil weder Sie noch Er mir gleich zur Hand waren, ſo machte ich die wenigen Schritte allein; Biondello ließ ich am Eingange auf mich warten. Die Kir¬ che war ganz leer — eine ſchaurigkühle Dunkel¬ heit umfing mich, als ich aus dem ſchwülen, blendenden Tageslicht hinein trat. Ich ſah mich einſam in dem weiten Gewölbe, worin eine feier¬ liche Grabſtille herrſchte. Ich ſtellte mich in die Mitte des Doms, und überließ mich der ganzen Fülle dieſes Eindrucks; allmählich traten die großen Verhältniſſe dieſes majeſtätiſchen Baues meinen Au¬ gen bemerkbarer hervor, ich verlor mich in ernſter ergötzender Betrachtung. Die Abendglocke tönte über mir, ihr Ton verhallte ſanft in dieſem Ge¬ wölbe, wie in meiner Seele. Einige Altarſtücke hatten von weitem meine Aufmerkſamkeit erweckt; ich trat näher, ſie zu betrachten; unvermerkt hatte ich dieſe ganze Seite der Kirche bis zum ent¬ gegen ſtehenden Ende durchwandert. Hier lenkt man um einen Pfeiler einige Treppen hinauf in eine Nebenkapelle, worin mehrere kleinere Altäre und Statuen von Heiligen in Niſchen angebracht ſtehen. Wie

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/178>, abgerufen am 23.11.2024.