Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.in den beyden übrigen wurde das Genie des Künst¬ "Ich stand," fuhr er fort, "ich stand in ihren "Sie
in den beyden übrigen wurde das Genie des Künſt¬ „Ich ſtand,“ fuhr er fort, „ich ſtand in ihren „Sie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0181" n="173"/> in den beyden übrigen wurde das Genie des Künſt¬<lb/> lers bewundert, bey dieſem vergaß er den Künſtler<lb/> und ſeine Kunſt, um ganz im Anſchauen ſeines<lb/> Werks zu leben. Er war ganz wunderbar davon<lb/> gerührt; er konnte ſich von dem Stücke kaum los<lb/> reißen. Der Künſtler, dem man wohl anſah, daß<lb/> er das Urtheil des Prinzen im Herzen bekräftigte,<lb/> hatte den Eigenſinn, die drey Stücke nicht trennen<lb/> zu wollen, und foderte 1500 Zechinen für alle.<lb/> Die Hälfte both ihm der Prinz für dieſes einzige<lb/> an — der Künſtler beſtand auf ſeine Bedingung,<lb/> und wer weiß, was noch geſchehen wäre, wenn ſich<lb/> nicht ein entſchloſſener Käufer gefunden hätte.<lb/> Zwey Stunden darauf waren alle drey Stücke<lb/> weg; wir haben ſie nicht mehr geſehen. Dieſes<lb/> Gemählde kam dem Prinzen jetzt in Erinnerung.</p><lb/> <p>„Ich ſtand,“ fuhr er fort, „ich ſtand in ihren<lb/> Anblick verloren. Sie bemerkte mich nicht, ſie<lb/> ließ ſich durch meine Dazwiſchenkunft nicht ſtören,<lb/> ſo ganz war ſie in ihrer Andacht vertieft. Sie<lb/> bethete zu ihrer Gottheit und ich bethete zu ihr —<lb/> Ja, ich bethete ſie an — Alle dieſe Bilder der<lb/> Heiligen, dieſe Altäre, dieſe brennenden Kerzen<lb/> hatten mich nicht daran erinnert; jetzt zum erſten¬<lb/> mal ergriff mich's, als ob ich in einem Heiligthum<lb/> wäre. Soll ich es Ihnen geſtehen? Ich glaubte<lb/> in dieſem Augenblicke felſenfeſt an den, den ihre<lb/> ſchöne Hand umfaßt hielt. Ich las ja ſeine Ant¬<lb/> wort in ihren Augen. Dank ihrer reitzenden An¬<lb/> dacht! Sie machte mir ihn wirklich — ich folgte<lb/> ihr nach durch alle ſeine Himmel.“</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">„Sie<lb/></fw> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0181]
in den beyden übrigen wurde das Genie des Künſt¬
lers bewundert, bey dieſem vergaß er den Künſtler
und ſeine Kunſt, um ganz im Anſchauen ſeines
Werks zu leben. Er war ganz wunderbar davon
gerührt; er konnte ſich von dem Stücke kaum los
reißen. Der Künſtler, dem man wohl anſah, daß
er das Urtheil des Prinzen im Herzen bekräftigte,
hatte den Eigenſinn, die drey Stücke nicht trennen
zu wollen, und foderte 1500 Zechinen für alle.
Die Hälfte both ihm der Prinz für dieſes einzige
an — der Künſtler beſtand auf ſeine Bedingung,
und wer weiß, was noch geſchehen wäre, wenn ſich
nicht ein entſchloſſener Käufer gefunden hätte.
Zwey Stunden darauf waren alle drey Stücke
weg; wir haben ſie nicht mehr geſehen. Dieſes
Gemählde kam dem Prinzen jetzt in Erinnerung.
„Ich ſtand,“ fuhr er fort, „ich ſtand in ihren
Anblick verloren. Sie bemerkte mich nicht, ſie
ließ ſich durch meine Dazwiſchenkunft nicht ſtören,
ſo ganz war ſie in ihrer Andacht vertieft. Sie
bethete zu ihrer Gottheit und ich bethete zu ihr —
Ja, ich bethete ſie an — Alle dieſe Bilder der
Heiligen, dieſe Altäre, dieſe brennenden Kerzen
hatten mich nicht daran erinnert; jetzt zum erſten¬
mal ergriff mich's, als ob ich in einem Heiligthum
wäre. Soll ich es Ihnen geſtehen? Ich glaubte
in dieſem Augenblicke felſenfeſt an den, den ihre
ſchöne Hand umfaßt hielt. Ich las ja ſeine Ant¬
wort in ihren Augen. Dank ihrer reitzenden An¬
dacht! Sie machte mir ihn wirklich — ich folgte
ihr nach durch alle ſeine Himmel.“
„Sie
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